Beschluss:

 

Der Kreistag des Landkreises Coburg beschließt die als Anlage beigefügte Resolution an den bayerischen Finanzminister und den bayerischen Ministerpräsidenten zur demografiegerechten Anpassung des Finanzausgleichs an den Bevölkerungswandel. Der Inhalt der Resolution wird zum Bestandteil des Beschlusses erklärt.

 


Sachverhalt:

 

Von Herrn Ministerpräsidenten Horst Seehofer wurde der Kabinettsausschuss „De­mografischer Wandel“ eingerichtet. Unter anderem hat der Kabinettsausschuss auch Überlegungen zur Fortentwicklung des Finanzausgleiches angestellt, die darauf abzielen, Kommunen mit starkem Bevölkerungsrückgang weitere Hilfestel­lungen zur Bewältigung ihrer besonderen Herausforderungen zu geben.

 

Der Landkreis Kronach als einer der Hauptbetroffenen nimmt seit Jahren in dieser Thematik zumindest auf oberfränkischer Ebene eine Vorreiterrolle ein. Er hat sich deshalb aus der Perspektive einer betroffenen Region bereits mit ergänzenden An­regungen und Vorschlägen zu den Überlegungen des Kabinettausschusses sowohl an Herrn Finanzminister Georg Fahrenschon, als auch an Herrn Ministerpräsidenten Horst Seehofer gewandt. Auf das in der Anlage beigefügte Schreiben des Landkrei­ses Kronach vom 16.08.2011 wird insoweit Bezug genommen.

 

Im wesentlichen hat das Schreiben des Landkreises Kronach folgende Kernpunkte zum Inhalt:

 

1. Demografischer Faktor bei den Schlüsselzuweisungen

 

2. Demografiezuschlag bei den Investitionspauschalen

 

3. Bedarfszuweisungen für demografische Härten

 

4. Berücksichtigung eines Hauptansatzes nach der Zusammensetzung der          Bevölkerung

 

5. Wegfall der Anrechnung von Personen mit Zweitwohnsitz

 

6. Nichtberücksichtigung der Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer

 

Für den Landkreis Coburg stellen sich diese Vorschläge und Anregungen wie folgt dar bzw. würden folgende Auswirkungen nach sich ziehen:

 

Zu 1.Demografischer Faktor bei den Schlüsselzuweisungen

Derzeit wird bei der Berechnung der Schlüsselzuweisungen entweder die Einwoh­nerzahl zum Stichtag 31. Dezember des vorvorgehenden Jahres (Stichtag für die Berechnung der Schlüsselzuweisungen 2012: 31. Dezember 2010) oder die durch­schnittliche Einwohnerzahl der diesem Stichtag vorangegangenen letzten fünf Jahre (Zeitraum für die Berechnung der Schlüsselzuweisungen 2012: 2005 bis 2009) zugrunde gelegt. Maßgeblich ist dabei der jeweils höhere Wert.

 

Der Kabinettsausschuss „Demografischer Wandel“ schlägt vor, bei Kommunen mit Einwohnerverlusten bezüglich der Ermittlung der Einwohnerzahl auf den Einwohner-Mittelwert der letzten 10 Jahre abzustellen.

 

Der Landkreis Kronach hat stattdessen, um einen besseren Unterstützungseffekt zu erzielen, angeregt, auf den Einwohner – Höchstwert der letzten 10 Jahre abzustel­len.

 

Nachfolgend werden die Einwohnerzahlen des Landkreises Coburg von 2000 bis 2010 (jeweils 31. Dezember) dargestellt:

 

2000     92.243

2001     92.199

2002     92.205

2003     92.053

2004     91.785

2005     91.325

2006     90.786

2007     90.244

2008     89.503

2009     88.943

2010     88.193

 

Rückgang der Einwohnerzahlen von 2000 bis 2010 in 10 Jahren um 4.050 Personen bzw. 4,39%.

 

Nach der derzeitigen Regelung würde für den Landkreis Coburg bei der Berechnung der Schlüsselzuweisungen für 2012 die durchschnittliche Einwohnerzahl der Jahre 2005 – 2009, somit 90.160, zugrunde gelegt.

 

Nach dem Vorschlag des Kabinettsausschusses würde die Ermittlung der Einwoh­nerzahl auf den Mittelwert der Jahre 2000-2009 abstellen und läge somit bei 91.129.

 

Nach dem Vorschlag des Landkreises Kronach läge die zu berücksichtigende Ein­wohnerzahl beim Einwohner-Höchstwert der letzten 10 Jahre aus dem Jahr 2000 bei 92.243.

 

Gegenüber der derzeitigen Regelung würden sich die zu berücksichtigen Einwohner­zahlen nach dem Vorschlag des Kabinettsausschusses um 969 Personen bzw. 1,07% und nach der Anregung des Landkreises Kronach um 2.083 Personen bzw. 2,31% erhöhen. Unter der Voraussetzung, dass der Grundbetrag je Einwohner mit 496,11 € aus dem Jahr 2011 für 2012 gleich bleibt und auch die Schlüsselzuwei­sungen insgesamt von 2011 auf 2012 nahezu unverändert bleiben, können damit nach dem Vorschlag des Kabinettsausschusses für den Landkreis Coburg in 2012 Mehreinnahmen von rd. 110.000 € und nach der Anregung des Landkreises Kro­nach von rd. 240.000 € erwartet werden.

 

Zu 2.Demografiezuschlag bei des Investitionspauschalen

Bislang werden die Einwohnerzahlen bei der Berechnung der Investitionspauschalen nicht berücksichtigt. Die Landkreise erhalten jeweils 35/45 der Summe der Investi­tionspauschalen ihrer kreisangehörigen Städte und Gemeinden. Die zu verteilende Finanzmasse ist jedoch abhängig von den im Staatshaushalt jeweils bereitgestellten Mitteln. Der Landkreis Coburg hat in den letzten 10 Jahren folgende Investitions­pauschalen erhalten:

 

2002:    412.200 €

2003:    401.983 €

2004:    431.035 €

2005:    391.675 €

2006:    490.041 €

2007:    548.088 €

2008:    545.851 €

2009:    584.113 €

2010:    580.470 €

2011:    573.162 €

 

Der Kabinettsausschuss plant bei den Investitionspauschalen die Einführung eines „vorausschauenden“ Demografiezuschlages. Diese Ausrichtung an einer zu erwar­tenden Entwicklung soll bewirken, dass sich die Investitionstätigkeit einer Ge­meinde oder eines Landkreises am künftigen Bedarf ausrichten soll. Ein solcher Demografiezuschlag enthält zwangsläufig Prognose-Ungenauigkeiten und wird nur wenig transparent sein. Auch ist zu erwarten, dass dies nur zu minimalen Volumen­änderungen führen wird.

 

Der Landkreis Kronach regt an, als bessere Alternative statt des vorgesehenen Demo­grafiezuschlages, bei den Investitionspauschalen den gleichen Demografiefaktor wie bei den Schlüsselzuweisungen (Einwohner-Höchstwert der letzten 10 Jahre) anzu­setzen. Argumente für diesen Vorschlag sind eine höhere Zielgenauigkeit, eine größere Transparenz sowie die damit verbundene administrative und regulatorische Vereinfachung.

 

Zu 3.Bedarfszuweisungen für demografische Härten

Gegenwärtig sind die zu verteilenden Bedarfszuweisungsmittel vorrangig für struk­turschwache Landkreise bestimmt. Maßgebende Kriterien für das Vorliegen einer Strukturschwäche sind insbesondere die Umlagekraft, eine überdurchschnittliche Arbeitslosenquote und eine niedrige freie Finanzspanne. Berücksichtigt werden fer­ner die Entwicklung des Kreisumlagenhebesatzes und besondere Entwicklungen, die sich auf die finanzielle Leistungsfähigkeit auswirken.

 

Der Landkreis Coburg erhielt von 2004 bis einschließlich 2010 ununterbrochen Be­darfszuweisungen. Diese betrugen jeweils 100.000 € in den Jahren 2004 und 2005, jeweils 150.000 € in den Jahren 2006 bis 2009 und 50.000 € im Jahr 2010. Für 2011 ist wegen der neuen Bagatelle-Klausel kaum mit einer Bedarfszuweisung zu rechnen.

 

Vom Kabinettsausschuss ist die Berücksichtigung einer demografischen Härte als neues Vergabekriterium bei der Gewährung von Bedarfszuweisungen beabsichtigt. Vor dem Hindergrund, dass sich ungleiche Lebensverhältnisse und ungünstigere Rahmenbedingungen am zielgenauesten in der Einwohnerentwicklung widerspiegeln erscheint die Einführung des Vergabekriteriums demografische Härte nahezu zwin­gend und wird begrüßt. Allerdings ist derzeit noch offen, wie dieses Vergabekrite­rium ausgestaltet werden soll.

 

Nach dem Vorschlag des Landkreises Kronach sollten auf Landkreisebene über­durchschnittliche Einwohnerverluste, als Leit- und Hauptindikator für Struktur­schwäche, sogar das einzige Vergabekriterium bilden. Das Vergabeverfahren würde auf diese Weise gleichzeitig wesentlich vereinfacht und könnte unbürokratisch, an Hand mathematischer Berechnungen durchgeführt werden. Vorgeschlagen wird vom Landkreis Kronach eine Konzentration der für die Landkreise vorgesehenen Bedarfs­zuweisungsmittel auf die 10 Landkreise mit den prozentual größten Bevölkerungs­verlusten der letzten 10 Jahre, weil dort offensichtlich die größeren Ungleichge­wichte vorliegen und der höchste Hilfebedarf besteht.

 

Der Landkreis Coburg liegt mit einem Bevölkerungsrückgang in den letzten 10 Jah­ren vom 31.12.2000 bis 31.12.2010 um 4,39% an 7. Stelle der Landkreise mit der ungünstigsten Einwohnerentwicklung. Prozentual nach höhere Einwohnerverluste in den letzten Jahren haben bayernweit nur die Landkreise Wunsiedel, Hof, Kronach, Tirschenreuth, Kulmbach und Bad Kissingen (somit allesamt nordbayerische Land­kreise) zu verzeichnen.

 

Im Jahr 2010 haben 31 der 71 bayerischen Landkreise Bedarfszuweisungen von insgesamt 2,4 Mio. € erhalten (Landkreis Coburg 50.000 €). Wenn die Mittel für Be­darfszuweisungen an Landkreise in 2012 wie in den Vorjahren wieder auf über 3 Mio. € erhöht werden und die Bedarfszuweisungen entsprechend dem Vorschlag vom Landkreis Kronach ausschließlich auf die 10 Landkreise mit den größten Ein­wohnerverlusten der letzten 10 Jahre konzentriert werden, würde der Landkreis Co­burg mit dem 7. Platz bei der ungünstigsten Bevölkerungsentwicklung überproporti­onal davon profitieren. Eine Bedarfszuweisung in einer Größenordnung von 200.000 bis 250.000 € für 2012 wäre unter diesen Voraussetzungen denkbar und realistisch.

 

Zu 4.Berücksichtigung eines Hauptansatzes nach der Zusammensetzung der Bevölkerung

Derzeit wird bei den Landkreis-Schlüsselzuweisungen ein überdurchschnittlicher Einwohneranteil von Jugendlichen unter 18 Jahren speziell gewichtet. Begründet wird dies mit einem besonderen öffentlichen Bedarf der gerade durch diese Alters­gruppe begründet wird. Allerdings entsteht nicht nur durch einen hohen Anteil Ju­gendlicher ein besonderer Finanzbedarf. Auch die Umkehrung der Alterspyramide durch den demografischen Wandel ist mit hohen Belastungen auf kommunaler Seite verbunden. Dies wird weder gegenwärtig berücksichtigt,  noch ist es im Entwurf des Kabinettsausschusses „Demografischer Wandel“ für die Zukunft vorgesehen.

 

Der Vorschlag des Landkreises Kronach zielt dahin, analog zur Regelung des Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 FAG (Ansatz für einen überdurchschnittlichen Anteil Jugendlicher), auch einen Ansatz für einen überdurchschnittlichen hohen Anteil älterer Bürger über 65 einzuführen.

 

Nach der letzten Pflegestatistik, die zwar nicht den Anteil der über 65-jährigen, wohl aber den Anteil der über 75-jährigen auflistet, lag der Anteil der über 75-jährigen im Landkreis Coburg bei 8,5% aller Einwohner. Im Bezirk Oberfranken lag diese Zahl zum gleichen Zeitpunkt bei 8,9 v.H., in Bayern bei 8,0 v.H. und im Bundes­durchschnitt bei 8,2 v.H.. In der Tendenz kann daraus geschlossen werden, dass auch bei den über 65-jährigen der Anteil im Landkreis Coburg über dem Landes­durchschnitt liegen wird.

 

Zu 5.Wegfall der Anrechnung von Personen mit Zweitwohnsitz

Derzeit werden bei der Ermittlung der Einwohnerzahl für die Schlüsselzuweisungen an Gemeinden und Landkreise die Personen mit Nebenwohnungen mitberücksich­tigt.

 

Dieser Ansatz ist, wie nachfolgend dargestellt, nicht mehr begründbar. Die vor eini­gen Jahren geschaffene und vielfach genutzte Möglichkeit der Erhebung einer Zweitwohnungssteuer hat dazu geführt, dass Personen mit einem Zweitwohnsitz an den kommunalen Mehrbelastungen durch Zweitwohnsitze beteiligt werden können. Auch ist damit ein früherer Hauptanwendungsfall für Zweitwohnsitze, die studentische Einwohnerschaft, entfallen, da sich die meisten Studenten zur Vermei­dung der Zweitwohnungssteuer an ihrem Studienort mit dem Hauptwohnsitz an­melden. Nachdem nun Mehrbelastungen von Nebenwohnsitzen durch eine Zweit­wohnungssteuer kompensiert werden können, ist es daher gegenwärtig weder not­wendig noch angebracht Personen mit Nebenwohnsitzen bei der Ermittlung der maßgebenden Einwohnerzahl mit anzusetzen.

 

Seitens des Landkreises Kronach wird daher vorgeschlagen, Einwohner mit Neben­wohnsitzen bei der Ermittlung der Einwohnerzahl nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 FAG künftig nicht mehr zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass bei den Nebenwohnsit­zen auf Daten des Jahres 1987 zurückgegriffen wird. Allein die Einführung der Zweitwohnungssteuer hat zu einem stark veränderten Wohnsitz – Meldeverfahren geführt. Die heute noch angewandten Zahlen auf dem Jahr 1987 liefern damit völlig realitätsferne Berechnungsgrundlagen.

 

Zu 6.Nichtberücksichtigung der Einnahmen aus der Grundsteuer

Bislang wurden die Grunderwerbsteuer-Einnahmen der Landkreise zu 50% auf die Umlagekraftmesszahl für die Schlüsselzuweisungen angerechnet. Im Ergebnis be­deutet dies, dass bereits heute die Hälfte der Grunderwerbssteueranteile ähnlich ei­nem Steuerfreibetrag unberücksichtigt bleibt. Dem Vernehmen nach sollen zukünf­tig alle Grunderwerbsteueranteile bei der Berechnung der Schlüsselzuweisung un­berücksichtigt bleiben.

 

Im Regelfall werden durch die angedachte Neuregelung wirtschaftlich starke Regio­nen entlastet, strukturschwache Regionen hingegen belastet. Auf der Basis der Zahlen des Jahres 2010 wären damit nach den Berechnungen des Landkreises Kro­nach beispielsweise folgende Be- bzw. Entlastungen verbunden:

 

Landkreis Starnberg               700.000 € Entlastung

Landkreis Rosenheim              400.000 € Entlastung

Landkreis Kronach                 100.000 € Belastung

Landkreis Wunsiedel              150.000 € Belastung

Für den Landkreis Coburg wurde überschlägig eine Belastung von ca. 135.000 € errechnet.

 

Noch vor wenigen Jahren wurde von den kommunalen Spitzenverbänden und dem Finanzministerium aufgrund eines gemeinsamen Gutachtens eine stärkere Berück­sichtigung der kommunalen Grunderwerbsteueranteile angeregt. Der nun ange­dachte völlige Wegfall zielt genau in die entgegengesetzte Richtung. Auch muss die Begründung, das bei den Landkreisen mit höheren Grunderwerbsteuereinnahmen auch höhere Ausgaben für den Grunderwerb anfallen womit die Nichtberücksichti­gung der Grunderwerbsteueranteile gerechtfertigt sei, stark angezweifelt werden, da der Aufwand für höhere Grundstückspreise bereits durch höhere Grunder­werbsteuer – Einnahmen ausgeglichen wird, weil durch höhere Grundstückspreise auch höhere Steuereinnahmen zu verzeichnen sind. Letztlich würde die angedachte Neuregelung dazu führen, je höher die Grunderwerbsteuer – Einnahmen sind, desto größer wird künftig der Vorteil im Finanzausgleich.

 

Der Landkreis Kronach hat daher angeregt, die diesbezüglichen Überlegungen nochmals zu überdenken, da die mit der andiskutierten FAG – Änderung verbun­dene Besserstellung der wirtschaftlich starken Regionen mit einem hohen Grunder­werbsteueraufkommen nur schwer zu verstehen ist.

 

 

Hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung weist der Landkreis Coburg ähnliche Problemstellungen wie der Landkreis Kronach auf. Faktisch sitzen wir diesbezüglich im gleichen Boot. Die Umsetzung der Kronacher Anregungen zur Modifizierung des Finanzausgleichs gehen in die richtige Richtung und wären auch für den Landkreis Coburg mit deutlich höheren Finanzausgleichsleistungen verbunden, die uns allen, zumindest in finanzieller Hinsicht, deutlich helfen würden.

 

Um den Anliegen des Landkreises Kronach größeren Nachdruck zu verleihen, aber auch im eigenen Interesse, sollte der Landkreis Coburg die Kronacher Vorschläge zur demografiegerechten Anpassung des Finanzausgleichs an den Bevölkerungs­wandel mit einer Resolution an die zuständigen Stellen (Finanzministerium, Staats­kanzlei) mit entsprechenden Eingaben nach Kräften unterstützen. Die Resolution sollte auch den lokalen Landtagsabgeordneten zugeleitet werden, um diese für diese Thematik ebenfalls zu sensibilisieren.