Sitzung: 13.10.2022 Ausschuss für Umwelt, Energie und Mobilität
Beschluss: einstimmig
Abstimmung: Ja: 13, Nein: 0, Enthaltungen: 13
Vorlage: 085/2022
Vorbehaltlich der entsprechenden Zustimmung der Gremien der Stadt Coburg werden die vorgestellten und als Anlage beigefügten Leitsätze als Grundlage für die weitere Aufstellung des Nahverkehrsplans beschlossen. Die Leitsätze gelten als Eckpfeiler für alle weiteren Entscheidungen.
Im Rahmen der Fortschreibung des Nahverkehrsplans für Stadt und Landkreis Coburg wurden gemeinsam mit dem Planungsbüro zehn Handlungsfelder ausgemacht auf denen elf Leitsätze entwickelt wurden. Die Leitsätze beziehen sich im Sinne des „gemeinsamen Nahverkehrsplans“ auf die Stadt Coburg und den Landkreis Coburg, wobei teilweise zwischen den Aufgabenträgern differenziert werden kann. Grundlage der konkreten Erarbeitung der Leitsätze war der am 28.02.2022 mit politischen Vertreter und Vertreterinnen von Landkreis und Stadt durchgeführte „Zielfindungsworkshop“ zum Nahverkehrsplan.
Nach der Vorstellung des Leitbildes im Kreistag am 21.07.2022 kam die Forderung auf die Leitsätze zu überarbeiten. In Gesprächen zwischen der Verwaltung und dem Gutachter wurde entschieden zunächst nur kleinere Umformulierungen vorzunehmen und die Leitsätze gemeinsam mit dem Ausschuss und dem Ältestenrat zu diskutieren.
Die zehn Handlungsfelder sind: 1. Liniennetz und Bedienungsangebot, 2. Fahrzeuge, 3. Kooperationen und Prozessgestaltung, 4. Haltestellen und Umsteigepunkte, 5. Tarif und Vertrieb, 6. Barrierefreiheit, 7. Intermodale Verknüpfung, 8. Fahrgastinformation und Kommunikation, 9. Qualitätsmanagement, 10. Mobilitätsmanagement.
Leitsatz 1:
Nahverkehr in der
Region aus „einem Guss“ entwickeln!
Der ÖPNV und der SPNV werden von Stadt und Landkreis Coburg als integriertes Gesamtsystem verstanden und entwickelt. Dafür entwickeln beide Aufgabenträger partnerschaftlich den Nahverkehr in der Region weiter. Im Stadt-Umland-Verkehr Coburg werden der Regionalbus- und der Stadtbusverkehr in der Aufgabenteilung bestmöglich koordiniert.
Damit einher geht eine stärkere Verknüpfung von Stadt- und
Regionalbusverkehr.
Im Regionalverkehr werden die Hauptachsen, welche erkennbar noch nicht durch
vollständig ausgeschöpfte Nachfragepotenziale gekennzeichnet sind, gezielt
gestärkt und ausgebaut. Der Rufbusverkehr wird durch Nutzung der Möglichkeiten
und Chancen der Digitalisierung zum „Rufbus 2.0“ in einer neuen Qualität
weiterentwickelt. Der Rufbus ist hinsichtlich der Nutzbarkeit flexibler und
attraktiver zu gestalten. Er soll in diesem Zusammenhang verstärkt für
Querverbindungen im Kreisgebiet und für die Bedienung außerhalb des klassischen
„Tagesverkehrs“ zum Einsatz kommen.
Leitsatz 2:
ÖPNV als
verlässliches Mobilitätsangebot für die Alltagsmobilität ausbauen!
Die beiden Aufgabenträger verstehen unter „Alltagsmobilität“ die Mobilität, die zur Absicherung der Grundbedürfnisse erforderlich ist. Dies betrifft in erster Linie die Zwecke Schule, Ausbildung, Arbeit, Einkaufen, Gesundheit und Erledigungen. Das zur Sicherstellung der Alltagsmobilität erforderliche ÖPNV-Angebot wird im Landkreis und im Stadtgebiet im Sinne einer „Anbindungsgarantie“ zur Verfügung gestellt. Der Anspruch ist, dass der ÖPNV räumlich und zeitlich 90% der Mobilitätsbedürfnisse der Alltagsmobilität abdeckt. Zur Absicherung der „Anbindungsgarantie“ ist das Bedienungsangebot regelmäßig hinsichtlich Takt- und Linienführung zu prüfen und an den (sich ggf. veränderten) Mobilitätsgewohnheiten auszurichten.
Das in diesem Sinne vorzuhaltende „verlässliche Angebot“
wird im Landkreis ab
Sommer 2026 folgende Parameter beinhalten: Eine Rahmenzeit von 05:30 Uhr bis
21:00 Uhr und ein stündliches Fahrtangebot, auch mit Rufbus.
Leitsatz 3:
Busse und Bahnen im
Nahverkehrsraum mit einem Fahrschein nutzbar machen!
Als Mindestziel wird der Ansatz „Bus- Schiene- Gemeinschaftstarif in Stadt und Landkreis Coburg“ verfolgt. Ein Fahrschein für eine Region. Die Region prüft einen möglichen Beitritt zum VGN zum 01.01.2024. Die Erwartung ist, dass neben den Chancen der Digitalisierung die erweiterten Möglichkeiten des Tarifverbundes konsequent für die Verbesserung des ÖPNV in der Region Coburg genutzt werden können.
Leitsatz 4:
Fahrzeugflotte
klimafreundlich und komfortabel ausbauen!
Die Aufgabenträger in der Region Coburg verfolgen im ÖPNV eine nachhaltig wirksame CO2-Einsparung, insbesondere durch die Einführung sauberer Antriebsformen. Bis 2030 soll im Nahverkehrsraum mindestens 50 % der Fahrzeugflotte über emissionsfreie Antriebe verfügen.
Im Regionalverkehr wird ab Herbst 2026 im Linienverkehr eine Busflotte vollständig mit Niederflur und Klimaanlage im Einsatz sein.
Leitsatz 5:
Im Nahverkehrsraum
langfristig vollständige Barrierefreiheit schaffen!
Die Planung und Umsetzung der vollständigen Barrierefreiheit im ÖPNV ist entsprechend der Bundesgesetzgebung eine Pflichtaufgabe der Aufgabenträger.
Die Schaffung der Barrierefreiheit erfolgt nach dem
Grundsatz „Design für alle“.
Die entsprechenden Maßnahmen sind zum Nutzen für alle Fahrgäste und fördern die
soziale Teilhabe. Die örtlichen Behindertenvertreter werden umfassend in die
Prozesse zur Schaffung der vollständigen Barrierefreiheit eingebunden.
Ab Herbst 2026 werden im Regionalverkehr ausschließlich barrierefreie
Linienbusse eingesetzt. Im Rufbus wird ein funktionierendes Betriebsmodell für
eine barrierefreie Nutzbarkeit geschaffen. Der Landkreis wird in seiner
Funktion als Aufgabenträger den Haltestellenausbau in den Städten und Gemeinden
vorantreiben. Die Haltestellen sollen durch die Straßenbaulastträger konsequent
nach Prioritäten ausgebaut werden. Der Landkreis wird im Haltestellenausbau
eine koordinierende Federführung übernehmen. Dazu wird u. a. eine Prioritätenliste
erarbeitet, mit den Beteiligten abgestimmt und gepflegt.
Leitsatz 6:
Im Regionalbusverkehr
ein wirksames Qualitätsmanagementsystem einführen und dauerhaft sichern!
Das Qualitätsmanagementsystem (QMS) wird als Zusammenspiel
der Instrumente
Qualitätsfestlegung, -kontrolle und -sicherung verstanden.
Der Landkreis verfolgt mit dem QMS eine nachhaltige Sicherung der Kundenzufriedenheit
im Regionalverkehr. Eine hohe Kundenakzeptanz ist Voraussetzung für eine
optimale Ausschöpfung der Einnahmen. Wesentlicher Schwerpunkt ist die
Etablierung von funktionsfähigen Instrumenten zur Qualitätssicherung und zur
Sicherung des Einflusses des Landkreises auf die direkte Qualitätserfüllung
beim Verkehrsunternehmen.
Leitsatz 7:
Fahrgastinformationen
digital ausbauen und analog sichern!
Die Chancen der Digitalisierung zur Verbesserung der Fahrgastinformation sollen mit dem Beitritt zum VGN auf Ebene des großen Verkehrsverbundes umfassend genutzt werden. Beide Aufgabenträger werden die Digitalisierung fördern und ausbauen sowie Synergieeffekte zwischen Stadt- und Regionalverkehr bestmöglich ausschöpfen.
Die Busflotte des Regionalverkehrs ist bereits mit
BayernWlan ausgestattet. Auch zukünftig wird in alle Busse Breitbandanschluss/
W-LAN zur Verfügung stehen.
Die Ausweitung der Digitalisierung der Fahrgastinformation darf dabei nicht zu Nachteilen
für einzelne Nutzergruppen führen. Analoge Informationsmöglichkeiten müssen
weiterhin bereitgestellt und verfügbar sein.
Leitsatz 8:
Kommunikationskampagnen
zielgruppen- und nutzenorientiert umsetzen!
Die Aufgabenträger Stadt und Landkreis verstehen unter „Kommunikation“, über die klassische Fahrgastinformation hinaus, alle Maßnahmen welche das Wissen, die Einstellungen, die Erwartungen und das Verhalten der (potenziellen) ÖPNV-Nutzer nachhaltig beeinflussen. Die Kommunikationsmaßnahmen werden vor diesem Hintergrund abgestimmt auf ein passendes Nutzen-Kosten-Verhältnis entwickelt und umgesetzt. Die Maßnahmen sind dabei auf die konkreten Mobilitätspotenziale auszurichten, sie sollen vordergründig die ÖPNV-Nachfrage steigern.
Leitsatz 9:
Die zentralen
Haltestellen (in der Region) modernisieren und gemeinsam als „Aushängeschild“
des Nahverkehrs präsentieren!
Die Ausstrahlungskraft und die Infrastrukturqualität der zentralen Haltestellen werden signifikant verbessert. In den Stadtzentren und in den „Dorfmitten“ soll das Vorhandensein des ÖPNV mit auffälligen, modernen Haltestellen visuell betont werden.
Der Landkreis wird die kreisangehörigen Städte und Gemeinden bei der Modernisierung der Haltestelleinfrastruktur, insbesondere bei der Planung und Fördermittelbeantragung, unterstützen. Er prüft in diesem Kontext die (Mit-)Förderung des Haltestellenausbau mit dem Ziel, ein kreiseinheitliches Haltestellendesign zu schaffen. Der Landkreis wird zum Haltestellenausbau ein „Baukastensystem“ mit Gestaltungskriterien vorschlagen. In Abstimmung mit den Städten und Gemeinden wird der Landkreis weiterhin eine Prioritätenliste erarbeiten und eine Umsetzungsreihenfolge festlegen.
Leitsatz 10:
ÖPNV wirksam mit
anderen Verkehrsmitteln verknüpfen!
Der Landkreis und auch die Stadt Coburg werden an den geeigneten Schnittstellen ÖPNV und Radverkehr, durch Infrastruktureinrichtungen wie Bike+Ride-Anlagen, verknüpfen. Mobilitätsstationen sollen an strategisch wichtigen Punkten errichtet werden (insbesondere an Bahnhöfen). Bei erkennbarem Bedarf sind sichere, attraktive Abstellmöglichkeiten, die auch für Pedelecs und E-Bikes geeignet sind, zu schaffen.
Leitsatz 11:
Kooperationen zur
Umsetzung und Steuerung von
Mobilitätsprojekten in der Region Coburg aktivieren und etablieren!
Die Stadt und der Landkreis sind sich bewusst, dass die
Vision „Verkehrswende“
auch zusätzliches Engagement über die eigentliche Aufgabenträgerfunktion hinaus
erfordert. Vor
diesem Hintergrund soll gemeinsam ein kreisweites Mobilitäts-Netzwerk entwickelt
und gefördert werden. Dieses soll eine gemeinsames Agieren (z.B. bzgl.
Fördermittelakquise) unterstützen und gezielt Partner einbinden (Synergien mit
Tourismus, Mobilitätswirtschaft usw. erschließen). Das Mobilitätsmanagement
(z.B. in Betrieben) ist zu fördern und auszubauen. Die Kooperation zwischen
Mobilität und Tourismus soll stärker verzahnt werden und unter diesem
Gesichtspunkt gemeinsame Projekte initiiert werden.
Aus der Beratung
Ausschussmitglied Alexandra Kemnitzer bitte um regelmäßige Evaluation der sich aus den Leitsätzen ergebenden Maßnahmen. Diese sollen von der Verwaltung regelmäßig geprüft und dem Ausschuss vorgestellt werden.