Beschluss: einstimmig

Abstimmung: Ja: 10, Nein: 0

Beschluss:

Der Schul- und Kulturausschuss erkennt die Notwendigkeit der Schulsozialarbeit an weiterführenden Schulen an. Die Finanzierung fällt in die Zuständigkeit des Freistaates Bayern.

Der Schul- und Kulturausschuss lehnt daher die beiden Anträge der Realschulen (Staatliche Realschule Coburg II und Staatliche Realschule Neustadt b. Coburg) auf Schulsozialarbeit ab.


Sachverhalt:

Abgrenzung Jugendsozialarbeit an Schulen und Schulsozialarbeit

 

Jugendsozialarbeit an Schulen wird seit dem Jahr 2003 vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung gefördert. Sie ist eine Leistung der Jugendhilfe, die an Schulen mit gravierenden sozialen und erzieherischen Problemen zum Einsatz kommt. Sie wird auch als Außenstelle des Jugendamtes in den Schulen bezeichnet. Jugendsozialarbeit an Schulen ist eine Maßnahme, die vorwiegend einzelne Kinder und Jugendliche im Blick hat.

 

Schulsozialarbeit unterstützt die individuelle schulische und soziale Entwicklung der Schülerinnen und Schüler im Sozialraum Schule. Sie soll Schulen bei der Integration benachteiligter Jugendlicher und Jugendlicher mit schwierigem Verhalten unterstützen. Sie soll Schulen helfen, soziales Lernen zu ermöglichen. Junge Menschen sollen Hilfen zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen bekommen. Unterstützt wird bei familiären Problemen, altersspezifischen, individuellen Schwierigkeiten, bei gruppendynamischen Prozessen, Verhaltensauffälligkeiten, aktiver oder passiver Schulverweigerung um nur einige Beispiele zu nennen. Auch die Berufsorientierungsprozesse und Präventionsaufgaben spielen eine wichtige Rolle. Die Schulsozialarbeit hat – im Gegensatz zur Jugendsozialarbeit an Schulen - vorwiegend Gruppenprozesse, bzw. die Einbindung des Einzelnen in das Sozialgefüge im Blick.

Die Schulsozialarbeit wird dem Bereich des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zugerechnet. Eine Förderung durch das Ministerium erfolgt nicht.

 

Situation im Landkreis Coburg

 

Jugendsozialarbeit an Schulen

Im Landkreis Coburg ist die Trägerschaft beim öffentlichen Jugendhilfeträger angesiedelt. Für Jugendsozialarbeit an Schulen wurden an der Volksschule „Am Moos“ in Neustadt b. Coburg, an der Glockenbergschule in Neustadt b. Coburg und an der Heinrich-Schaumberger-Schule mit je 0,5 Stellen einer Vollzeitkraft eingerichtet.

 

Schulsozialarbeit an Schulen

Im Landkreis Coburg gibt es Schulsozialarbeit an den Mittelschulen in Bad Rodach, Ebersdorf, Rödental, Sonnefeld und Untersiemau und an den Grundschulen in Rödental. Sie werden vom jeweiligen Sachaufwandsträger der Schulen getragen und finanziert.

 

Die beiden Förderzentren, alle weiteren Grundschulen, die Mittelschulen in Seßlach und Lautertal sowie die weiterführenden Schulen im Landkreis haben bisher keine Schulsozialarbeit eingerichtet.

 

Anträge der beiden Realschulen auf Schulsozialarbeit

Zusammenfassung der Begründung

Der Personalrat der Staatlichen Realschule Coburg II machte von seinem Initiativrecht Gebrauch und beantragte mit Unterstützung der Schulleitung am 24. Mai 2012 Schulsozialarbeit. Der Antrag wurde begründet und ergänzt durch Personalrat und Schulleitung mit Schreiben vom 16.10.2012 und 25.10.2012. Der Antrag der Staatlichen Realschule Neustadt b. Coburg ist vom 30. Juli 2012.

 

Die Schulen beschreiben die Veränderung und das gehäufte Auftreten persönlicher Schwierigkeiten und Krisen, sowie mangelnde Ausbildung der sozialen Kompetenzen, die in Realschulen genauso auftritt, wie auch in anderen Schulen. Insbesondere nimmt die Zahl der SchülerInnen mit auffälligem Verhalten, und aus problematischen Familiensituationen zu. All dies hat Auswirkungen auf gruppendynamische Prozesse innerhalb und außerhalb der Klassenverbände. Derzeit unterstützt und betreut die Mitarbeiterin in der offenen Ganztagsschule nebenbei auch diese Kinder so weit möglich und im zeitlich sehr beschränkten Rahmen. Die Häufigkeit der Fälle und die Intensität sind aber nicht mit ihren Arbeiten im Ganztagsschulbereich zu vereinbaren. Dem gestiegenen Beratungs- und Betreuungsbedarf an den Schulen kann nicht mehr nachgekommen werden.

 

Die Anträge wurden begründet mit der hohen Schülerzahl an der Schule und den hohen Klassenstärken. Hierdurch ergeben sich eine Vielzahl von Problemen und Konflikten. Durch die lange Aufenthaltszeit an der Schule werden auch außerschulische Probleme und Herausforderungen in den Schulalltag hineingetragen. Die SchülerInnen verlassen teilweise vor 7.00 Uhr das Elternhaus und kehren erst nach 17.00 Uhr wieder zurück. Sie verlieren dadurch nicht selten die Einbindung in ihr soziales Umfeld. Freundschaften in der Schule lassen sich nicht so leicht aufrecht erhalten, da die Kinder aus völlig unterschiedlichen Wohnorten kommen. RealschülerInnen sind häufiger Lehrerwechseln ausgesetzt. Durch die Fächerwahl werden die Klassenverbände aufgelöst.

 

Zitat aus einem Antrag:

„Der Bedarf an unterstützender Sozialarbeit am Lern- und Lebensort Schule ergibt sich durch die Sachlage, dass immer mehr Kinder und Jugendliche in einem gesellschaftlichen Umfeld aufwachsen, das geprägt ist durch familiären Wandel: Prägnant hohe Scheidungsraten, hoher Anteil Alleinerziehender; Migration, Arbeitslosigkeit, unzureichende Ausbildungsperspektiven, verdeckte Armut, erziehungsunfähige oder –willige Eltern, etc.  Die hiermit verbundenen Problembelastungen für Kinder und Jugendliche wirken in die schulische Ausbildung hinein und beeinträchtigen in nicht unerheblicher Weise die schulische Leistungs- und Erziehungsziele. Die Lehrer alleine sind hier bei weitem überfordert.

 

Mit Unterstützung eines professionellen Schulsozialarbeiters kann es gelingen, Kinder und Jugendlichen eine sozialpädagogische Orientierungs- und Strukturierungshilfe anzubieten, die Handlungskompetenz der pädagogischen Akteure am Lern- und Lebensort Schule in Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten nachhaltig zu stärken und die Zusammenarbeit mit anderen Bildungseinrichtungen im Sozialraum zu verbessern.“

 

Grundsätzliches zur Finanzierung von Schulsozialarbeit

Grundsätzlich gibt es bei Finanzierungen im Bereich des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus die Trennung zwischen Personalkosten (Staat) und Sachkosten (Sachaufwandsträger). Erstmalig im Bereich der offenen Ganztagesbetreuung wurde von diesem Prinzip abgewichen – hier wird ein Teil der Personalkosten durch den Sachaufwandsträger finanziert.

 

Das setzt sich bei der Schulsozialarbeit fort: Schulsozialarbeit kann nicht den Sachkosten zugerechnet werden. Mit der Übernahme der Kosten für die Schulsozialarbeit als freiwillige Leistung des Landkreises würde der Landkreis Personal an Schulen finanzieren. Dies wird auf der Ebene des Landkreistages sehr kritisch diskutiert und darauf verwiesen, dass schulisches Personal (zu dem dann auch die Schulsozialarbeit zählen würde) vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus zu finanzieren sei. Die Sachlage, dass Schulsozialarbeit eine Notwendigkeit darstellt wird dabei nicht in Abrede gestellt, sondern dahingehend verstärkt, dass das Ministerium die hierfür notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stellen solle.

 

Finanzielle Auswirkung

Die Einführung von Schulsozialarbeit an den beiden Staatlichen Realschulen wäre durch den Landkreis Coburg als freiwillige Leistung zu finanzieren. Richtet man an jeder der beiden Realschulen eine 0,5 Stelle einer/s Sozialpädagogin/en ein, entstehen Personalkosten in Höhe von insgesamt etwa 50.000 € pro Jahr. Hinzu kommen Kosten für Material und Raumausstattung.

 

Fazit

Aus fachlicher Sicht wird die Einführung der Schulsozialarbeit durch die Verwaltung inhaltlich befürwortet. Die Erfahrungen aus den Mittelschulen zeigen, dass sich die Arbeit der Schulsozialarbeit positiv auf das Klima in der Schule und den Klassen ausgewirkt hat. Insbesondere aber konnten Kinder frühzeitig und positiv in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit und der sozialen Kompetenzen unterstützt werden. Damit wurde ein Mittel eingesetzt, dass Erziehung, Bildung und Betreuung gemäß dem vorherrschenden Bildungsverständnis in der Region Rechnung trägt. Nimmt man die Aussage ernst, dass wir in der Bildungsbiographie kein Kind verloren gehen lassen wollen, so ist Schulsozialarbeit eine wichtige Voraussetzung dafür, dass dies gelingt.

 

Die Herausforderungen für die SchülerInnen an den Realschulen sind in manchen Bereichen anders gelagert, als an den Förderzentren und Mittelschulen. Schulsozialarbeit erscheint hier als ein adäquates Mittel, um die Familien- und Sozialstrukturen zu unterstützen.

 

Nach bisheriger Sichtweise der Politik bestand Zurückhaltung hinsichtlich der Frage der Finanzierung. Die Verwaltung macht daher keinen Vorschlag für einen Beschluss, sondern bittet die politischen Vertreter um entsprechende Meinungsbildung und Abstimmung.

 

In der Sitzung des Schul- und Kulturausschusses vom 15.11.2012. wurde die Verwaltung beauftragt zu ermitteln, wie viele Landkreise in Oberfranken bereits Schulsozialarbeit an Realschulen bezuschussen. In der Sitzung vom 18.02.13 wurde dem Schul- und Kulturausschusse durch die Verwaltung das Ergebnis vorgetragen – lediglich an einer Realschule in Bayern finanziert der Landkreis derzeit Schulsozialarbeit, in drei Landkreisen wurden Anträge von Schulen abgelehnt. Darauf hin wurde Landrat Michael Busch beauftragt, beim Bayerischen Landkreistag zu intervenieren mit dem Ziel, dass die Bayerische Staatsregierung die Kosten für Schulsozialarbeit im Rahmen der Personalausstattung trägt. Bis zu einer Entscheidung wurden die Anträge der beiden Realschulen auf Schulsozialarbeit zurück gestellt.

 

Der Bayerische Landkreistag hat sich in seiner Sitzung am 15. Februar nochmals mit dem Thema Schulsozialarbeit an Realschulen befasst. Er bleibt bei seiner dringenden Empfehlung an die Landkreise, nicht in die Finanzierung von Schulsozialarbeit an weiterführenden Schulen einzusteigen. Die politische Diskussion wurde aufgrund der eindeutigen Positionierung der Bayerischen Staatsregierung für beendet erklärt.

 

Der Schul- und Kulturausschuss wird gebeten, eine Entscheidung zu den Anträgen zu treffen.

 


aus der Beratung:

Das Thema Schulsozialarbeit wurde wiederholt durch Landrat Michael Busch beim Landkreistag vorgebracht. Dazu hat der Landkreistag in der Vergangenheit das Bayerische Kultusministerium aufgefordert, die Kosten für Schulsozialarbeit zu tragen. Der Landkreistag bittet seine Mitglieder, keine Schulsozialarbeit an Realschulen zu finanzieren und damit die Aufgaben der Staatsregierung zu übernehmen.