Am 01.01.2013 ist das Pflege-Neuausrichtungsgesetz (PNG) in Kraft getreten. Zielsetzung des Gesetzes ist es, im Hinblick auf die Auswirkungen des demografischen Wandels die häusliche und ambulante Pflege zu stärken, sowie der wachsenden Zahl der Demenzerkrankten Rechnung zu tragen.

 

Datenlage im Landkreis Coburg

Bis zum Jahr 2030 wird nach Berechnungen der Bertelsmann Stiftung die Zahl der Pflegebedürftigen im Landkreis Coburg von heute 2.810 auf 3.760 um rund 34 Prozent steigen. Davon werden ca. 1.780 Personen an Demenz erkrankt sein, was im Vergleich zur aktuellen Situation fast eine Verdoppelung bedeuten würde. Derzeitig werden ca. 53 % ausschließlich von ihren Angehörigen versorgt, bei 23 % der Betroffenen wird eine ambulante, bei 24 % eine stationäre Hilfe geleistet.

 

Die gesetzlichen Änderungen im Überblick

 

Leistungsverbesserung für dementiell erkrankte Menschen

Erstmals haben auch Demenzerkrankte, die noch keine Pflegestufe erhalten, aber bei denen ein erheblicher allgemeiner Betreuungsbedarf nach § 45b SGB XI anerkannt wurde, einen Anspruch auf Pflegegeld (120 EUR pro Monat). Wahlweise können auch Pflegesachleistungen beansprucht werden (max. 225 EUR pro Monat). Zudem gibt es auch die volle Leistung für Verhinderungspflege (1.550 EUR im Jahr), Zuschüsse für genehmigte Wohnanpassungen (max. 2.557 EUR pro Maßnahme) und technische Pflegehilfsmitte wie Lifter oder Pflegebett. Auch in Pflegestufe 1 und 2 erhalten Demenzkranke dann mehr Pflegegeld und Sachleistungen.

 

Betreuung als Pflegesachleistung

Ab 2013 können Pflegebedürftige und Demenzkranke neben den bisherigen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung auch häusliche Betreuung als Pflegesachleistung in Anspruch nehmen. Auch Menschen mit Demenz, die keiner der drei Pflegestufen zugeordnet sind (Pflegestufe 0) können Betreuungsleistungen als von den Pflegediensten zu erbringende Sachleistung erhalten. Dazu zählen Hilfe, Unterstützung und Beaufsichtigung im häuslichen Umfeld und Aktivitäten zur Gestaltung des Alltags. Außerdem können mehrere Demenzkranke gemeinsam solche Leistungen in Anspruch nehmen.

 

Verbesserung der Situation pflegender Angehöriger

Bisher wurde die Zahlung des Pflegegeldes für die Tage eingestellt, während derer ein Pflegebedürftiger sich in Kurzzeitpflege nach einem Klinikaufenthalt befand oder Verhinderungspflege wegen Urlaubs oder Krankheit des pflegenden Angehörigen geleistet wurde. Ab 2013 werden 50 Prozent des Pflegegeldes während diesen Zeiten weiter gezahlt. Darüber hinaus erhält der Pflegebedürftige das volle Pflegegeld bei einer stundenweisen Verhinderungspflege.

Um rentenrechtlich abgesichert zu sein, müssen pflegende Angehörige mindestens 14 Stunden pro Woche häuslich Pflegen. Neu ist, dass bei der Pflege von zwei oder mehr Angehörigen die rentenrechtlichen Zeiten zusammenaddiert werden können.

Wenn Pflegepersonen an Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahmen teilnehmen, sollen nach neuem Recht die Reha-Kliniken die Versorgung des zu Pflegenden ermöglichen. Bisher konnten Reha-Kliniken das nur in einem gesonderten Kurzeitpflegebereich, der einen Pflegeheimstatus hat.

 

Zuschüsse für einen barrierefreien Umbau

Ab 2013 erfolgt keine Einkommensprüfung und Eigenbeteiligung zur Gewährung von wohnumfeldverbessernden Maßnahmen mehr. Jedem Pflegebedürftigen werden dafür max. 2.557 € zur Verfügung gestellt.

Die Gewährung von Umbaumaßnahmen wird maßnahme- und personenbezogen gewährt. Das bedeutet dass Pflegebedürftige, die in einer Wohngemeinschaft zusammen leben, den maximalen Förderrahmen für einen Umbau anheben können, da dieser bis zu einer Obergrenze von 4 Personen 4 x 2.557 €, also bis zu 10.228 € betragen kann.

Zum Kreis der Berechtigten zählen ab sofort auch nicht mehr nur noch körperlich beeinträchtigte Pflegebedürftige, sondern auch Demenzkranke und andere Menschen mit erheblich eingeschränkten Alltagskompetenzen wie z.B. psychische Kranke.

 

Flexible Inanspruchnahme von Leistungen

Bisher war eine Abrechnung nach der Dauer des pflegerischen Einsatzes nicht möglich, sondern nur die Abrechnung nach Leistungsmodulen. Künftig kann auf Wunsch des Pflegebedürftigen auch die tatsächliche Dauer der Leistung abgerechnet werden.

Bsp.
Für das Leistungsmodul „Vollbad“ wurden bislang pauschal 23 € abgerechnet, gleich wie viel Zeit die Pflegekraft dafür tatsächlich aufwendet hat. Künftig kann auch die dafür erforderliche Zeit abgerechnet werden.

Der Pflegebedürftige soll so in die Lage versetzt werden, die von ihm benötigten Leistungen nach seinen Bedürfnissen zusammen zu stellen.

 

Stärkung alternativer Wohn- und Betreuungsformen

Als Anreiz zur Gründung einer ambulanten Wohngruppe mit mindestens drei Pflegebedürftigen wird bis spätestens Ende 2015 ein Zuschuss von einmalig 2.500 € pro Pflegebedürftigen gewährt, bei einer max. Fördersumme von 10.000 €, je Wohngemeinschaft gewährt.

Die Pflegebedürftigen in selbstorganisierten Wohngemeinschaften erhalten in den Pflegestufen 1-3 jeweils 200 € monatlich zusätzlich für eine Präsenz- oder Einzelpflegekraft. Diese übernimmt die Organisation und stellt die Pflege in der Wohngruppe sicher.

Es ist möglich, Leistungsansprüche zu „poolen“. Beispielsweise kümmert sich in einem Wohnhaus oder in einer Wohngemeinschaft ein zugelassener Pflegedienst um mehrere Pflegebedürftige. Dadurch wird in vielen Fällen Zeit und damit Geld gespart, mit dem dann zusätzliche Betreuungsleistungen finanziert werden kann. Die durch "gepoolte" Leistungsansprüche erschlossenen Wirtschaftlichkeitsreserven sind vom ambulanten Pflegedienst ausschließlich im Interesse der am "Pool" beteiligten Pflegebedürftigen zu deren Betreuung zu nutzen.

 

Verbesserung der medizinischen Versorgung in Heimen

Zur besseren ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung von Heimbewohnern müssen Heime, Ärzte und Zahnärzte künftig Vereinbarungen schließen, die auch die Zusammenarbeit mit den Pflegekräften regeln. Pflegeheime haben darüber zu informieren, wie die Bewohner ärztlich, zahnärztlich und medikamentös versorgt werden.

 

Ehrenamtliche Helfer in der stationären Pflege

Für den Einsatz ehrenamtlicher Kräfte in Alten- und Pflegeeinrichtungen können Heimträger künftig Aufwandsentschädigungen zahlen, die die Pflegekassen übernehmen.

 


Förderung der Selbsthilfe

Selbsthilfegruppen, die sich Themen rund um die Pflege widmen, erhalten eine Förderung von 0,10 € jährlich pro Versichertem, um den sie sich kümmern. Insgesamt stellen die Pflegekassen dafür 8 Millionen € jährlich zur Verfügung.

 

Verbesserungen bei Beratungen und Begutachtung von Antragstellern

Zur besseren Beratung werden die Pflegekassen verpflichtet, die Versicherten und Angehörigen in für sie verständlicher Weise über Leistungen der Pflegekasse sowie über Leistungen und Hilfen anderer Träger zu informieren.

Einem Antragsteller auf Pflegeleistungen muss die zuständige Pflegekasse innerhalb von 2 Wochen einen Beratungstermin und einen Ansprechpartner nennen. Auf Wunsch des Versicherten muss die Beratung bei ihm zu Hause oder in der Einrichtung, in der er lebt, erfolgen. Können dies die Pflegekassen nicht selbst fristgerecht leisten, müssen sie einen Beratungsgutschein für einen anderen qualifizierten Dienstleister ausstellen.

Kann der MDK Pflegebedürftige oder Antragsteller auf Pflegeleistungen nicht innerhalb von 4 Wochen begutachten, müssen die Pflegekassen dem Versicherten mindestens 3 andere Gutachter zur Auswahl nennen.

Liegen Begutachtungsentscheidungen nicht innerhalb 1 Monats vor, müssen die Pflegekassen Antragstellern künftig für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung 70 EUR als erste Versorgungsleistung bereitstellen. Eine kürzere Frist von beispielsweise einer Woche gilt dann, wenn der Pflegebedürftige sich im Krankenhaus oder einer Reha-Einrichtung befindet und für die Weiterversorgung zu Hause eine eilige Klärung der Pflegestufe wichtig ist.

Dem Antragssteller muss auf Wunsch jederzeit das ausführliche Gutachten zur Pflegeeinstufung zugesandt werden.

 

Zukunftssichere Finanzierung

Der Beitragssatz für die Pflegeversicherung steigt ab dem 01.01.2013 um 0,1 Prozentpunkte auf 2,05 Prozent bzw. für Kinderlose auf 2,3 Prozent des Bruttoeinkommens.

Eine staatliche Zulage von 60 EUR im Jahr enthalten alle ab 2013, die eine private Pflege-Zusatzversicherung abschließen. Die Versicherungsunternehmen dürfen keinen Antragsteller aufgrund möglicher gesundheitlicher Risiken ablehnen. Risikozuschlage und Leistungsausschlüsse sind nicht erlaubt.

 

Sachverhalt: