Sitzung: 18.07.2024 Kreistag
Beschluss: Kenntnis genommen
Sachverhalt
Der Klimawandel und
der Übergang zu erneuerbaren Energien stellen Deutschland vor große
Herausforderungen. Eine zentrale Maßnahme zur Bewältigung dieser
Herausforderungen ist der Ausbau der Strominfrastruktur. Der Neubau der
Stromtrasse P540 ist ein zentrales Projekt, das darauf abzielt, die
bundesdeutschen Stromnetze zu entlasten, was mit der vermehrten Einspeisung und
dem Transport regenerativ erzeugten Stroms einhergeht.
Die Landkreisverwaltung setzt sich in verschiedenen Fachstellen mit der
Thematik auseinander: GB4 Bauen und Umwelt, P01
Landkreisentwicklung/Wirtschaftsförderung, u.a.. Es existiert ferner ein reger
Informationsaustausch mit den Städten und Gemeinden im Landkreis Coburg zu
dieser Thematik.
Der Bayerische
Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, Hubert Aiwanger,
hat Anfang Februar 2024 die Landräte aus den Landkreisen Bad Kissingen, Coburg,
Haßberge, Main-Spessart, Rhön-Grabfeld, Schweinfurt und Würzburg zu einer
Videokonferenz eingeladen. Der Wirtschaftsminister informierte die
teilnehmenden Vertreter über neue Planungen zum Stromnetzausbau und hier
insbesondere über die Neuplanung einer 380 kV-Wechselstromtrasse in den
betreffenden bayerischen Landkreisen. Die geplante Stromtrasse trägt die
Bezeichnung „P540“ und soll als Freistromleitung das bundesdeutsche
Stromleitungsnetz verstärken und stabilisieren. In diesem Zusammenhang soll sie
eine Verbindung schaffen zwischen einem Netzknotenpunkt auf der Höhe der Stadt
Schalkau (Thüringen) und dem Netzknotenpunkt Grafenrheinfeld (bei Schweinfurt).
Wenngleich bis zum
heutigen Tag kein exakter Trassenverlauf festgelegt ist, lässt sich auf Grund
bestimmter Gegebenheiten und Voraussetzungen sehr gut erahnen, dass durch die
fest eingeplante Maßnahme der Bundesnetzagentur der nördliche und
nord-westliche Landkreis Coburg (hier insbesondere die Städte und Gemeinden Bad
Rodach, Lautertal, Meeder, Seßlach, Weitramsdorf) betroffen sein können. Grund
hierfür ist der vorgesehen Trassenverlauf und die Einbindung eines derzeit neu
entstehenden Umspannwerks bei der Stadt Münnerstadt (Unterfranken).
Die neue
Stromtrasse wurde mittlerweile bereits im neuesten Entwurf des
Netzentwicklungsplans Strom 2037/2045 aufgenommen. Seitens der Netzbetreiber
(voraussichtlich TenneT) wird sie „als erforderliche Maßnahme“ eingestuft.
Begründet wird dies mit:
Ø Stärkung der Anbindung Unterfrankens an Thüringen
Ø
Erhöhung der
Übertragungskapazitäten senkt den Redispatchbedarf
Ø
Umspannwerk
im Raum Münnerstadt zur Ableitung überschüssigen Stroms aus Erneuerbaren
Energien erforderlich.
Mit der P540 sollen
Vorteile für Bayern in Form einer höheren Versorgungssicherheit, zukünftig
niedrigerer Netzentgelte und als Beitrag zum Erhalt der einheitlichen deutschen
Stromnetzzone resultieren.
Das Verfahren für
die neue Stromtrasse sieht folgende Schritte vor:
1.
Bestätigung
des Netzentwicklungsplans durch die Bundesnetzagentur Ende Februar (vollzogen)
2. Bundesgesetzgeber überführt das Vorhaben in den
Bundesbedarfsplan
3. Planfeststellungsverfahren vss. in Zuständigkeit der
Bundesnetzagentur.
(In diesem Verfahren werden örtliche Kommunen, Bürger und Träger öffentlicher
Belange beteiligt.)
4.
Geplante
Inbetriebnahme im Laufe der 2030er Jahre
In früheren
Netzentwicklungsplänen war die Rede von den Maßnahmen P43, P44 bzw. P44mod,
denen ähnliche Verbindungen/Verstärkungen zugrunde lagen. Allerdings wurde im
Netzentwicklungsplan Strom 2035, Version 2021 festgestellt, dass die
Bundesnetzagentur mit der Prüfung beauftragt werden soll, ob auf das Projekt
P44 verzichtet werden kann. Damals hatte sich bereits abgezeichnet, dass die
vorgesehene Erweiterung des SuedOstLinks (DC20 in Ostoberfranken) von Klein
Rogahn nach Isar grundsätzlich geeignet ist für die erforderliche Entlastung
der Stromnetze zu sorgen. Es wurde sogar eine um 12% höhere Reduktion
feststellt als bei der alternativen, eher regional wirkenden Maßnahme P44. Da
diese Feststellung selbst noch im vorletzten Netzentwicklungsplan Strom
2037/2045, Version 2023 Gültigkeit behielt, war der Landkreis Coburg vor der
nun neu aufkommenden Forderung nach der P540 zuletzt von keiner Maßnahme im
Netzentwicklungsplan Strom mehr betroffen.
Die Verwaltung im
Landratsamt hat in enger Abstimmung mit der Kreispolitik und den
kreisangehörigen Kommunen zu jedem einzelnen Netzentwicklungsplan eine
ausführliche, fachlich fundierte Stellungnahme gegen den Neubau von unnötigen
Stromtrassen im Coburger Raum abgegeben. Bisherige Eingaben haben auch Erfolge
gebracht, z.B. wenn ehemals geplante Stromtrassen, wie die obenstehenden Maßnahmen
P44 oder P44mod, aus der Bundesnetzentwicklungsplanung herausgenommen wurden,
weil sie tatsächlich durch andere, bessere Alternativplanungen ersetzt wurden.
Zu der sehr
kurzfristig und formal fragwürdigen Aufnahme der Maßnahme P540 in den Netzentwicklungsplan
war eine Stellungnahme nicht möglich. Unabhängig davon hätte diese auch laut
Vertretern der Bundesnetzagentur keine Auswirkungen auf die Entscheidung
gehabt.
Gleichwohl hat
Landrat Sebastian Straubel unverzüglich nach Bekanntwerden der neuen Planungen
gehandelt die Verwaltung beauftragt, weitere Informationen und Fakten zur neu
geplanten P540 zusammenzutragen. Mit dem Klimaschutzbeauftragten Christian
Gunsenheimer und den Bürgermeistern der voraussichtlich, unmittelbar
betroffenen Städte und Gemeinden wurden Treffen einberufen, in denen die
Entwicklungen und Situation gemeinsam erörtert wurden.
Gleichzeitig hat Landrat Sebastian Straubel Kontakt zu den betroffenen
bayerischen (Nachbar-) Landkreisen aufgenommen. Von dort hat der Landrat u.a.
Kenntnisse über das Bündnis Hamelner Erklärung (e.V.) erlangt. Der Verein, an
dem u.a. die Landkreise Bad Kissingen, Main-Spessart, Rhön-Grabfeld,
Schweinfurt (Unterfranken) sowie der Landkreis Hof beteiligt sind, setzt sich
nach seiner Satzung für eine transparente und rechtsstaatlichen Grundsätzen
sowie guter fachlicher Praxis genügende Planung von Infrastrukturvorhaben ein
und sorgt für administrative Stabilität trotz wechselnder Betroffenheit in den
einzelnen Infrastrukturprojekten.
Informell eingebunden
hat der Landrat ferner auch die Bundestagsabgeordneten Johannes Wagner (MdB,
Bündnis90/Die Grünen) und Dr. Jonas Geissler (MdB, CSU) sowie der
Landtagsabgeordnete Martin Mittag (MdL, CSU).
Am 12. März 2024 hat Landrat Sebastian Straubel mit den Partnern aus der Region
einen Erörterungs- und Austauschtermin mit dem Leiter des Referats
Netzentwicklung bei der Bundesnetzagentur aus Bonn, Dr. Markus Doll,
arrangiert. Das Meeting diente dazu, vorhandene Informationen zu verifizieren,
neue Informationen aus erster Hand zu bekommen und kritische Positionen aus dem
Coburger Land zum fragwürdigen formalen Verfahren sowie zur objektiven,
technischen und geografischen Ablehnung an die maßgebliche, fachliche
Entscheidungsinstanz auf Bundesebene zu vermitteln.
Die Stabsstelle P01
Landkreisentwicklung/Wirtschaftsförderung wird über die Ergebnisse des
Austauschs berichten und Informationen zum aktuellen Verfahrensstand bei der
P540 weitergeben. Im Raum steht die Frage, wie sich die Kreispolitik heute zu
dieser Thematik stellt und welche Haltung der Landkreis Coburg zu aktuell
geplanten Netzausbau in der Region einnehmen möchte.
