Beschluss: Kenntnis genommen

Sachverhalt

Der Klimawandel und der Übergang zu erneuerbaren Energien stellen Deutschland vor große Herausforderungen. Eine zentrale Maßnahme zur Bewältigung dieser Herausforderungen ist der Ausbau der Strominfrastruktur. Der Neubau der Stromtrasse P540 ist ein zentrales Projekt, das darauf abzielt, die bundesdeutschen Stromnetze zu entlasten, was mit der vermehrten Einspeisung und dem Transport regenerativ erzeugten Stroms einhergeht.


Die Landkreisverwaltung setzt sich in verschiedenen Fachstellen mit der Thematik auseinander: GB4 Bauen und Umwelt, P01 Landkreisentwicklung/Wirtschaftsförderung, u.a.. Es existiert ferner ein reger Informationsaustausch mit den Städten und Gemeinden im Landkreis Coburg zu dieser Thematik.

Der Bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, Hubert Aiwanger, hat Anfang Februar 2024 die Landräte aus den Landkreisen Bad Kissingen, Coburg, Haßberge, Main-Spessart, Rhön-Grabfeld, Schweinfurt und Würzburg zu einer Videokonferenz eingeladen. Der Wirtschaftsminister informierte die teilnehmenden Vertreter über neue Planungen zum Stromnetzausbau und hier insbesondere über die Neuplanung einer 380 kV-Wechselstromtrasse in den betreffenden bayerischen Landkreisen. Die geplante Stromtrasse trägt die Bezeichnung „P540“ und soll als Freistromleitung das bundesdeutsche Stromleitungsnetz verstärken und stabilisieren. In diesem Zusammenhang soll sie eine Verbindung schaffen zwischen einem Netzknotenpunkt auf der Höhe der Stadt Schalkau (Thüringen) und dem Netzknotenpunkt Grafenrheinfeld (bei Schweinfurt).

Wenngleich bis zum heutigen Tag kein exakter Trassenverlauf festgelegt ist, lässt sich auf Grund bestimmter Gegebenheiten und Voraussetzungen sehr gut erahnen, dass durch die fest eingeplante Maßnahme der Bundesnetzagentur der nördliche und nord-westliche Landkreis Coburg (hier insbesondere die Städte und Gemeinden Bad Rodach, Lautertal, Meeder, Seßlach, Weitramsdorf) betroffen sein können. Grund hierfür ist der vorgesehen Trassenverlauf und die Einbindung eines derzeit neu entstehenden Umspannwerks bei der Stadt Münnerstadt (Unterfranken).

Die neue Stromtrasse wurde mittlerweile bereits im neuesten Entwurf des Netzentwicklungsplans Strom 2037/2045 aufgenommen. Seitens der Netzbetreiber (voraussichtlich TenneT) wird sie „als erforderliche Maßnahme“ eingestuft. Begründet wird dies mit:

Ø  Stärkung der Anbindung Unterfrankens an Thüringen

Ø  Erhöhung der Übertragungskapazitäten senkt den Redispatchbedarf

Ø  Umspannwerk im Raum Münnerstadt zur Ableitung überschüssigen Stroms aus Erneuerbaren Energien erforderlich.

Mit der P540 sollen Vorteile für Bayern in Form einer höheren Versorgungssicherheit, zukünftig niedrigerer Netzentgelte und als Beitrag zum Erhalt der einheitlichen deutschen Stromnetzzone resultieren.

Das Verfahren für die neue Stromtrasse sieht folgende Schritte vor:

1.    Bestätigung des Netzentwicklungsplans durch die Bundesnetzagentur Ende Februar (vollzogen)

2.    Bundesgesetzgeber überführt das Vorhaben in den Bundesbedarfsplan

3.    Planfeststellungsverfahren vss. in Zuständigkeit der Bundesnetzagentur.
(In diesem Verfahren werden örtliche Kommunen, Bürger und Träger öffentlicher Belange beteiligt.)

4.    Geplante Inbetriebnahme im Laufe der 2030er Jahre

In früheren Netzentwicklungsplänen war die Rede von den Maßnahmen P43, P44 bzw. P44mod, denen ähnliche Verbindungen/Verstärkungen zugrunde lagen. Allerdings wurde im Netzentwicklungsplan Strom 2035, Version 2021 festgestellt, dass die Bundesnetzagentur mit der Prüfung beauftragt werden soll, ob auf das Projekt P44 verzichtet werden kann. Damals hatte sich bereits abgezeichnet, dass die vorgesehene Erweiterung des SuedOstLinks (DC20 in Ostoberfranken) von Klein Rogahn nach Isar grundsätzlich geeignet ist für die erforderliche Entlastung der Stromnetze zu sorgen. Es wurde sogar eine um 12% höhere Reduktion feststellt als bei der alternativen, eher regional wirkenden Maßnahme P44. Da diese Feststellung selbst noch im vorletzten Netzentwicklungsplan Strom 2037/2045, Version 2023 Gültigkeit behielt, war der Landkreis Coburg vor der nun neu aufkommenden Forderung nach der P540 zuletzt von keiner Maßnahme im Netzentwicklungsplan Strom mehr betroffen.

Die Verwaltung im Landratsamt hat in enger Abstimmung mit der Kreispolitik und den kreisangehörigen Kommunen zu jedem einzelnen Netzentwicklungsplan eine ausführliche, fachlich fundierte Stellungnahme gegen den Neubau von unnötigen Stromtrassen im Coburger Raum abgegeben. Bisherige Eingaben haben auch Erfolge gebracht, z.B. wenn ehemals geplante Stromtrassen, wie die obenstehenden Maßnahmen P44 oder P44mod, aus der Bundesnetzentwicklungsplanung herausgenommen wurden, weil sie tatsächlich durch andere, bessere Alternativplanungen ersetzt wurden.

Zu der sehr kurzfristig und formal fragwürdigen Aufnahme der Maßnahme P540 in den Netzentwicklungsplan war eine Stellungnahme nicht möglich. Unabhängig davon hätte diese auch laut Vertretern der Bundesnetzagentur keine Auswirkungen auf die Entscheidung gehabt.

Gleichwohl hat Landrat Sebastian Straubel unverzüglich nach Bekanntwerden der neuen Planungen gehandelt die Verwaltung beauftragt, weitere Informationen und Fakten zur neu geplanten P540 zusammenzutragen. Mit dem Klimaschutzbeauftragten Christian Gunsenheimer und den Bürgermeistern der voraussichtlich, unmittelbar betroffenen Städte und Gemeinden wurden Treffen einberufen, in denen die Entwicklungen und Situation gemeinsam erörtert wurden.


Gleichzeitig hat Landrat Sebastian Straubel Kontakt zu den betroffenen bayerischen (Nachbar-) Landkreisen aufgenommen. Von dort hat der Landrat u.a. Kenntnisse über das Bündnis Hamelner Erklärung (e.V.) erlangt. Der Verein, an dem u.a. die Landkreise Bad Kissingen, Main-Spessart, Rhön-Grabfeld, Schweinfurt (Unterfranken) sowie der Landkreis Hof beteiligt sind, setzt sich nach seiner Satzung für eine transparente und rechtsstaatlichen Grundsätzen sowie guter fachlicher Praxis genügende Planung von Infrastrukturvorhaben ein und sorgt für administrative Stabilität trotz wechselnder Betroffenheit in den einzelnen Infrastrukturprojekten.

Informell eingebunden hat der Landrat ferner auch die Bundestagsabgeordneten Johannes Wagner (MdB, Bündnis90/Die Grünen) und Dr. Jonas Geissler (MdB, CSU) sowie der Landtagsabgeordnete Martin Mittag (MdL, CSU).
Am 12. März 2024 hat Landrat Sebastian Straubel mit den Partnern aus der Region einen Erörterungs- und Austauschtermin mit dem Leiter des Referats Netzentwicklung bei der Bundesnetzagentur aus Bonn, Dr. Markus Doll, arrangiert. Das Meeting diente dazu, vorhandene Informationen zu verifizieren, neue Informationen aus erster Hand zu bekommen und kritische Positionen aus dem Coburger Land zum fragwürdigen formalen Verfahren sowie zur objektiven, technischen und geografischen Ablehnung an die maßgebliche, fachliche Entscheidungsinstanz auf Bundesebene zu vermitteln.

Die Stabsstelle P01 Landkreisentwicklung/Wirtschaftsförderung wird über die Ergebnisse des Austauschs berichten und Informationen zum aktuellen Verfahrensstand bei der P540 weitergeben. Im Raum steht die Frage, wie sich die Kreispolitik heute zu dieser Thematik stellt und welche Haltung der Landkreis Coburg zu aktuell geplanten Netzausbau in der Region einnehmen möchte.