Sitzung: 26.10.2023 Kreistag
Beschluss: mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 45, Nein: 3, Enthaltungen: 48
Vorlage: 206/2023
Beschlussvorschlag
Die Verbandsräte
des Kreistages Coburg werden angewiesen in der Zweckverbandsversammlung
folgendem Beschluss zuzustimmen:
„Der Oberbürgermeister
und der Landrat werden als Vertreter des Krankenhausverbandes Coburg beauftragt
und ermächtigt, in der Gesellschafterversammlung folgende Beschlüsse zu fassen:
Die Gesellschafter der
REGIOMED-KLINIKEN GmbH beschließen folgende
G R U N D S A T Z B E S
C H L Ü S S E
Die Gesellschafter fassen
im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung für die medizinische Versorgung in der
Region und einem fairen Umgang miteinander im Grundsatz den Beschluss, dass
jede REGIOMED-Verbund-Gesellschaft mit ausreichenden finanziellen Mitteln so
ausgestattet wird, dass die Gesellschaften mindestens 24 Monate eine positive
Fortführungsprognose ausweisen können, um das IDW-S6-Verfahren erfolgreich
beenden zu können. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter ist
damit grundsätzlich nicht beabsichtigt und damit nicht verbunden. Bestehende
Sicherheitsabreden zu Gunsten der Finanzierer bleiben unberührt. Vielmehr
erfolgt die Ausstattung mit den finanziellen Mitteln gemäß nachfolgender
Maßgaben.
1.
Die vollständigen Geschäftsanteile
an den medizinischen Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Betriebs-GmbHs
inkl. MVZs) werden zum 31.12.2023, spätestens zum 01.01.2024 in einem noch zu
definierenden Modus an die jeweiligen kommunalen Gebietskörperschaften bzw. den
Krankenhausverband Coburg übertragen.
- Die REGIOMED-KLINIKEN GmbH, REGIOMED Service GmbH und Medical
School REGIOMED GmbH erhalten für ihre noch zu tätigenden Aufgaben (bis
2028, für die Medical School REGIOMED GmbH bis 2029) einen Anteil am Eigenkapital
in Höhe von insgesamt 10,7 Mio. EURO und einen Anteil an den
Gesellschafterdarlehen (Kassenkredite) nach Bedarf bis max. 1,5 Mio. € je
Gesellschafter für 24 Monate. Hierdurch wird auch der Kapitaldienst der
Regiomed-Kliniken-GmbH für diese Zeit gesichert. Das dann verbleibende
Eigenkapital wird zu gleichen Teilen (durch Übertragung auf die jeweilige
medizinische Betriebs-GmbH und ggf. MVZ-GmbH) auf die vier Gesellschafter
aufgeteilt.
3.
Die Gesellschafter stellen zum
31.12.2023, spätestens zum 01.01.2024 ihren jeweiligen Krankenhausbetrieb für
mindestens 24 Monate in eigener Verantwortung und Finanzierung sicher.
Begleitend werden die Krankenhausbetriebsgesellschaften Dienstleistungsverträge
mit den Zentralen Einheiten der REGIOMED KLINIKEN GmbH und ihrer Töchter
vereinbaren. Die Gesellschafter streben bis zum Inkrafttreten der
Krankenhausreform an, das bestehende, gemeinsame Medizinkonzept an die neue
Struktur und die Vorgaben der Krankenhausreform anzupassen und fortzuschreiben
und in eigener Verantwortung in ihren Einrichtungen für die Zukunft umzusetzen.
Bis zu diesem Zeitpunkt werden die bestehenden und die sich bereits in Planung
befindlichen Zentren im Verbund weiterbetrieben und fortgesetzt. Die
Gesellschafter entscheiden unter Berücksichtigung der grundsätzlich angedachten
Verbundlösung und mit Blick auf eine optimale Gesundheitsversorgung in der
Region bezüglich des Medizinkonzeptes für ihre Einrichtungen zukünftig
selbständig.
4.
Die Geschäftsführung der
REGIOMED-KLINIKEN GmbH wird beauftragt, zur Umsetzung der Beschlüsse 1 bis
3 entsprechende Konzepte zu erarbeiten
und die notwendigen (Teil-)Schritte (z.B. Anpassung der Gesellschaftsverträge,
Entwurf der Verträge zur Geschäftsanteilsübertragung und zur künftigen
Zusammenarbeit zwischen den ausgegliederten Gesellschaften und dem
REGIOMED-Verbund, Überprüfung der Sicherheiten und
gegebenenfalls geänderte Zuordnung, Entflechtung Intercompany-Beziehungen
und Cashpooling sowie medizinkonzeptionelle Zusammenarbeit) vorzubereiten sowie alle notwendigen
Unterlagen zu erstellen und rechtzeitig der Gesellschafterversammlung zur
endgültigen Beschlussfassung vorzulegen.
Dieser Beschluss tritt erst mit Zustimmung aller Gesellschafter zu ihren
gleichlautenden Beschlüssen in Kraft. Die übrigen Gesellschafter sind – sofern
nicht alle Gesellschafter bis dahin zugestimmt haben – nur bis zum 31.10.2023
an ihren Beschluss gebunden.“
Sachverhalt / Begründung
1.1 Ausgangslage
Der REGIOMED-Verbund will zukunftsfähig und nachhaltig die medizinische
Versorgung in der Region sicherstellen. Der Verbund kommt aus einer
Krisensituation von über 25 Mio. € Verlust aus dem Jahr 2018 und unterliegt den
IDW S6 Regularien. Die Fortschritte der wirtschaftlichen Entwicklung sind
erkennbar (Jahresergebnis 2021: -2,9 Mio. € | Jahresergebnis 2022: -0,6 Mio.
€), jedoch sind nunmehr inflationsbedingte, geopolitische und tarifliche
Herausforderungen zu verzeichnen. Weiterhin kommen im Zuge der Krankenhaustrukturreform
diverse Änderungen auf die Kliniken zu und mit dem Jahr 2023 entfallen jegliche
Ausgleichszahlungen vom Bund und vom Land. Die Gesellschafter wollen den
REGIOMED-Verbund sowohl finanziell als auch bei der Sanierung maßgeblich
unterstützen.
Im Rahmen der Beschlussfassung der Gesellschafter aus dem Jahr 2022
wurde nach erfolgter kommunaler Gremienbehandlung zur Stärkung des
Eigenkapitals der REGIOMED-KLINIKEN GmbH eine Einzahlung in Höhe von 5 Mio. €
je Gesellschafter in die gesamthänderisch gebundene Kapitalrücklage gem. § 272
Abs. 2 Nr. 4 HGB zum 30.06.2023 vorgenommen. Ebenfalls wurden die bestehenden
Kassenkredite auf 10 Mio. € je Gesellschafter im Haushaltsjahr 2023 erhöht.
Die aktuelle Herausforderung für den REGIOMED-Verbund ist, wie für alle
Kliniken in Deutschland, die tatsächlichen Auswirkungen der
Krankenhausstrukturreform abschließend zu bewerten - vor allem hinsichtlich der
bedarfsgerechten Patientenversorgung und andererseits auch bezüglich der
finanziellen Auswirkungen für die nachhaltige Finanzierung der
Krankenhausstruktur der Zukunft. Bis Ende August 2023 wurden bereits 50
Klinikinsolvenzen in Deutschland gemeldet, da die Durchfinanzierung aktuell
nicht mehr gegeben ist. Hinzu kommt, dass auch große Klinikträger wie bspw.
Vivantes in Berlin für 2022 bereits einen Verlust von 72 Mio. Euro ausweisen,
ebenso die Frankfurter Kliniken einen Verlust bis Ende 2024 von
90 Mio. €.
Der REGIOMED-Verbund ist im Jahr 2023 auch diesen Risiken der
Krankenhausstrukturreform ausgesetzt, welche unter anderem mit einem starken
Rückgang der stationären Leistungszahlen und enormen Kostensteigerungen im
Personal- und Materialaufwand einhergehen. Eine Gegenfinanzierung für
einerseits den Leistungsrückgang durch Ausgleichszahlungen und andererseits für
die Kostensteigerungen ist bislang nur mit einem vom Bund genehmigten
Hilfspaket für die Energiekostensteigerungen erfolgt. Der Wirtschaftsplan 2023
weist einen Verlust in Höhe von ca. 17 Mio. € aus, welcher sich nach aktuellen
Hochrechnungen auf über 20 Mio. Euro erhöhen wird. Der Anteil, welcher hierbei
auf die Kliniken entfällt, liegt hier bei ca. 90%.
Die Verluste aus den Medizinischen Versorgungszentren müssen unter
Berücksichtigung des Einweisungsvolumens in die Kliniken, vor allem in Bezug auf
die Ambulantisierung bewertet werden. Die Verluste müssen zwingend weiterhin
reduziert und die Gesellschaften der Ambulanten Versorgung zu einem
ausgeglichenen Ergebnis geführt werden. Weiterhin müssen die
Sanierungsbemühungen hier weiter forciert werden.
Bei den Senioreneinrichtungen und Wohnheimen wurden als eine der
Sanierungsmaßnahmen die Schließung der Einrichtungen „Bertelsdorfer Höhe“ in
Coburg sowie „Am weißen Berg“ in Schleusingen vollzogen. Für das
Wirtschaftsjahr 2024 entfallen diese Verluste, müssen jedoch in Abhängigkeit
mit der Nachnutzung der Liegenschaft in Schleusingen aufgrund des bestehenden
Pachtvertrags bewertet werden.
In der REHA-Klinik Masserberg wurde die Onkologische Rehabilitation als
Fachbereich geschlossen, da diese mit Verlusten p.a. von ca. 0,5 Mio. €
einherging. Die Leistungsbereiche Augenheilkunde sowie Orthopädie können
ausgebaut und die Einrichtung somit nachhaltig wirtschaftlich geführt werden.
Die Servicegesellschaft steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den
Belegungstagen bzw. Patientenzahlen der Kliniken sowie den
Senioreneinrichtungen bzgl. der Bewohneranzahl. Aufgrund des Rückgangs der
Patientenzahlen sowie der Schließung der Senioreneinrichtungen ist die
Auslastung in der Zentralküche weiter zurückgegangen, wird jedoch in Teilen
durch externes Geschäft kompensiert.
Nach aktueller Bewertung der Geschäftsführung ist für die Jahre 2022
ff. von keiner vollständigen Durchfinanzierung bei Kostensteigerungen vor allem
für Sachkosten und im Personalbereich auszugehen. Die genannten Risiken werden
von dauerhafter Struktur sein, sodass diese auch für die Folgejahre
berücksichtigt werden müssen. Die Fortsetzung der Restrukturierungs- und
Sanierungsumsetzung muss diese Risiken dauerhaft minimieren.
Herausfordernd sind aktuell vor allem die sich regelmäßig ändernden
Rahmenbedingungen im Gesundheitsweisen, u.a. die Zukunft des Perinatalzentrums
Level I im Klinikum Coburg, die Schlaganfallversorgung und zusätzlich 14
weitere angekündigte Gesetze des Bundesgesundheitsministeriums binnen 12
Monaten umzusetzen, zu nennen.
Mögliche Gegeneffekte sind derzeit noch nicht bekannt, es ist jedoch
nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber die Erlösseite im Zuge der
Krankenhausstrukturreform teilweise für Kliniken im ländlichen Raum stärken
wird. Dies kann jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös vorhergesagt werden.
Ferner können aktuell mögliche Verkaufserlöse, etwa für die Veräußerung von
Grundstücken, Geschäftsbereichen, etc. nicht beziffert werden.
1.2 Risiken und
Handlungsnotwendigkeiten
Erlöse:
Die in der Mittelfristplanung angesetzten Erlöse sind voraussichtlich
nicht mehr zu erzielen, da sich das ambulante und stationäre Patientenaufkommen
wesentlich verschiebt. Zudem kommt, dass die Rahmenbedingungen zur
Krankenhausfinanzierung im Zuge der neuen Krankenhausstrukturreform nicht final
festgelegt sind, sodass zunächst mit einer Fortschreibung der aktuell
bestehenden Krankenhausfinanzierung geplant wird.
Sachkosten:
Hier werden die inflationsbedingten und geopolitischen
Kostensteigerungen auf die Sachkostenansätze des Wirtschaftsplanes fortgeführt.
Derzeit ist ersichtlich, dass jegliche Kostensteigerungen durch alle Branchen
hinweg an die Krankenhäuser weitergereicht werden.
Personalkosten:
Die geplanten Strukturanpassungen und Reorganisationsprojekte konnten
pandemiebedingt nicht vollständig umgesetzt werden. Aufgrund der aktuellen
Leistungsverschiebungen (ambulant/stationär) wird die Personalkostenoptimierung
revalidiert. In Teilbereichen ist ersichtlich, dass ein Leistungsrückgang
stattfindet, jedoch eine Mindestbesetzung gemäß den Strukturvorgaben
eingehalten werden muss, sodass keine pauschalen Personalanpassungen
vorgenommen werden können. Angesetzt wurde auf dieser Basis eine
Vergütungsanhebung um 3 % auf alle Arbeitnehmer. Dies ist nach heutigem Stand
ein realistischer Wert.
Tarifanpassungen:
Dabei handelt es sich um eine Angleichung der Vergütungsstruktur
innerhalb des Verbundes. Dies ist erforderlich, um Abwanderungsbestrebungen von
Mitarbeitern entgegenzuwirken. Im Rahmen des Fachkräftemangels müssen drittüblich,
wettbewerbsfähige Gehälter gezahlt werden können.
Die Risiken belaufen sich auf gesamt ca. 30 Mio. €.
Der wirtschaftliche Druck auf die
Krankenhäuser zwingt die Gesellschafter zu weiteren Maßnahmen zur finanziellen
Sicherung der Gesellschaft bzw. aller Einzelgesellschaften.
1.3 Handlungsempfehlung
Es wird beabsichtigt, die Krankenhäuser und
angeschlossenen Einrichtungen der ambulanten Versorgung zur nachhaltigen
Absicherung künftig wirtschaftlich eigenständig zu betreiben und wieder in die
Verantwortung der örtlichen Träger zu überführen. Auf diese Weise wird trotz
der sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklung der einzelnen
Einrichtungen sowie unterschiedlicher wirtschaftlicher Rahmenbedingungen in den
einzelnen Landkreisen der Fortbestand der Einrichtungen mit jeweils
individuellen Maßnahmen perspektivisch gesichert. Im Interesse aller
Beteiligten ist das erklärte Ziel, eine mögliche Insolvenz im Sinne der
Patientenversorgung abzuwenden.
Die einzelnen Gesellschaften mit beschränkter
Haftung bleiben erhalten. Das MVZ Thüringen muss auf die Gesellschafter
Hildburghausen bzw. Sonneberg aufgeteilt werden. Es erfolgt eine Trennung in
eigenständige Einheiten, gleichwohl werden über die REGIOMED-KLINIKEN GmbH die
bestehenden Synergien genutzt.
Die wirtschaftliche Abspaltung der örtlichen
Betriebs-GmbHs (Krankenhäuser und MVZs) soll zum 01.01.2024 wirksam werden.
Durch die Rückführung der Kliniken an die Gebietskörperschaften können
die jeweiligen Träger durch schlankere Entscheidungsstrukturen bedarfsgerechter
und schneller auf mögliche Verluste und örtliche Notwendigkeiten reagieren.
Künftig gelten für die Kliniken damit
folgende Zuständigkeiten:
§ Krankenhausverband
Coburg für die Klinikum Coburg GmbH und Klinik Neustadt GmbH einschl. MVZs
§ Landkreis
Hildburghausen für die Henneberg-Kliniken GmbH einschl. Reha-Klinik und MVZ
§ Landkreis
Lichtenfels für die Helmut-G.-Walther-Klinikum Lichtenfels GmbH einschl. MVZ
§ Landkreis
Sonneberg für die MEDINOS-Kliniken des Landkreises Sonneberg GmbH einschl. MVZ
Die Gesellschafterversammlung der
REGIOMED-Kliniken GmbH hat einen entsprechenden Beschluss gefasst. Auf der
Grundlage diese Beschlusses wurde zwischenzeitlich der folgende
Beschlussentwurf erarbeitet.