Beschluss: Kenntnis genommen

Sachverhalt

Die Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf stellt in den kommenden Jahren eine der größten Herausforderungen dar. Bereits heute zeichnet sich ein Mangel an pflegerischen Angeboten ab. Einen Ausgangspunkt für die Planung der pflegerischen Versorgung bieten die statistischen Erhebungen von Bund und Land sowie auf Landkreisebene.

 

Entwicklung der Zahl an Pflegebedürftigen

Die aktuelle Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes berichtet, dass die Anzahl der pflegebedürftigen Menschen von Ende 2019 bis Ende 2021 stark gewachsen ist (+20 Prozent). Im Landkreis Coburg stieg die Zahl der Leistungsempfänger von 4.216 im Jahr 2019 auf 5.431 im Jahr 2021. Bis zum Jahr 2055 rechnet das Bundesamt für Statistik mit einer Zunahme der Zahl an Pflegebedürftigen um 37% allein durch die zunehmende Alterung. Prof. Dr. Rothgang von der Universität Bremen erwartet gar eine Steigerung der Pflegebedürftigen-Zahlen um 80% bis zum Jahr 2060. Gleichzeitig verweist er darauf, dass das Erwerbspersonenpotential um ein Viertel zurückgehen wird.

 

Pflegequoten*

Die bundesweite Pflegequote über alle Altersjahrgänge hinweg betrug im Jahr 2021 rund 6%. In der Altersklasse ab 65 Jahren ergab sich eine Pflegequote von 21%, bei den über 75-jährigen lag der Anteil bei 35%.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: eigene Grafik Landratsamt Coburg; Daten: Statistisches Bundesamt (Destatis); 2022

 

Die Grafik zu den Pflegequoten je Alter verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Alter und Pflegebedürftigkeit. Insbesondere ab dem 80. Lebensjahr steigt die Wahrscheinlichkeit pflegebedürftig zu werden. Das Bundesamt für Statistik führt den erwarteten Anstieg bis 2055 zum großen Teil auf Pflegebedürftige ab 80 Jahren zurück. Die höchsten Zuwächse durch Alterung werden in Bayern erwartet (56%).

 

*Die Pflegequote beschreibt den Anteil an Pflegebedürftigen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung bzw. der entsprechenden Altersklasse in der Gesamtbevölkerung.

Anhand der Pflegequote der Bevölkerungsvorausberechnung des Bayerischen Landesamtes für Statistik ergeben sich unter einer einfachen Berechnung rund 4.356 Pflegedürftige im Alter ab 65 Jahren und rund 3.492 Personen mit Pflegegrad über 75 Jahren im Landkreis Coburg.

 

Pflegebedürftige nach Versorgungsart

Der Anteil der Pflegebedürftigen, die zu Hause versorgt wurden, wuchs in den letzten Jahren von 76% im Jahr 2017 auf 80% in 2019 und aktuell auf 84% im Jahr 2021 an. Damit lebten im gesamten Bundesgebiet im Jahr 2021 fünf von sechs Pflegebedürftigen zu Hause. 21% der Pflegebedürftigen (Pflegegrad 1-5) wurden durch ambulante Dienste gepflegt oder betreut. Von den Pflegebedürftigen nahmen 52% der Personen (Pflegegrad 2 bis 5) ausschließlich Pflegegeld in Anspruch. Weitere 11% (Pflegegrad 1) erhielten entweder landesrechtliche oder keine weitere staatliche Unterstützung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

      Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2022

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2022

 

 

Das Statistische Bundesamt berichtet, dass sich im Vergleich zu Dezember 2019 die Zahl der in Heimen vollstationär versorgten Pflegebedürftigen um 3 % (-25 000) verringerte. Die Anzahl der Hause gepflegten Personen stieg dagegen insgesamt um gut ein Viertel (+26 %) oder 858 000 zu. Die Zahl der durch ambulante Dienste betreuten Pflegebedürftigen nahm um 6,5 % (+64 000) zu. Die Zahl der überwiegend durch Angehörige versorgten Pflegebedürftigen stieg um gut ein Fünftel (+21 %) oder 437 000.

 

Von den Pflegebedürftigen im Landkreis Coburg lebten zum Stichtag 31.12.2021 von den insgesamt 5431 Personen 17% in Pflegeheimen und 83% wurden zu Hause versorgt. 26% der Pflegebedürftigen mit einem Pflegegrad wurden durch ambulante Dienste unterstützt.  44% nahmen nach Angaben des Landesamtes für Statistik ausschließlich Pflegegeld in Anspruch und weitere 13% mit Pflegegrad 1 wurden maximal durch landesrechtliche Leistungen begleitet. Damit nahmen 57% keine Pflegeleistungen in Anspruch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: eigene Grafik Landratsamt Coburg; Daten: Bayerisches Landesamt für Statistik 03/2023

 

 

Entwicklung der Fach- und Hilfskräfte im Landkreis**

Im Jahr 2019 sind insgesamt 864 Personen in Pflege und Betreuung (PPB) tätig, das entspricht 715,6 Vollzeitäquivalenten (VZÄ). Bis 2030 werden hier prognostisch +108,4 VZÄ und bis 2050 +379,9 VZÄ benötigt. Die Zahlen können in die stationäre Langzeitpflege und in die ambulante Langzeitpflege aufgeschlüsselt werden:

 

Ê  in der stationären Langzeitpflege steigt der Bedarf an Personal in Pflege- und Betreuung von 462,2 VZÄ in 2019 bis 2050 um +249,2 VZÄ

Ê  in der ambulanten Langzeitpflege steigt der Bedarf an Personal von 321,2 VZÄ in 2019 bis 2050 um +121,3 VZÄ

 

Diese Zahlen können jeweils in der stationären Langzeitpflege und der ambulanten Langzeitpflege in den Bedarf an Fach- und Hilfskräften aufgeschlüsselt werden:

Ê  so wird in der stationären Langzeitpflege ein Anstieg des Bedarfs an Fachkräften zu 229,3 VZÄ in 2019 um +123,7 VZÄ bis 2050  und des Bedarfs an Hilfskräften von 255,5 VZÄ in 2019 um +134,9 VZÄ bis 2050 prognostiziert

Ê  die Zahlen in der ambulanten Langzeitpflege zeigen eine ähnliche Prognose. Hier wird der Bedarf an Fachkräften von 159,6 VZÄ in 2019 um +68,8 VZÄ bis 2050 und der Bedarf an Hilfskräften von 71,8 VZÄ in 2019 um +52,3 VZÄ bis 2050 steigen

 

** Zahlen wurden von der Gesundheitsregion+ Coburg zur Verfügung gestellt, Datenquelle: IGES Institut

 

 

 

Ansätze zur Sicherung der pflegerischen Versorgung

Zahlreiche Studien und Strategiepapiere beschreiben erforderliche Maßnahmen zur Sicherung der pflegerischen Versorgung auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Die Erhöhung der Zahl an Pflegekräften auf das notwendige Maß wird kaum gelingen. Aussichtsreich für die kommunale Ebene erscheint Prof. Dr. Rothgangs Aussage:

 

 „Der verstärkte Einbezug der Zivilgesellschaft in die Pflege muss in allen Wohnformen ermöglicht und gefördert werden – Profipflege allein wird die Versorgung nicht sicherstellen“

 

Eine ähnliche Herangehensweise empfehlen Prof. Klie et al. im siebten Altenbericht mit dem Thema „Sorge und Mitverantwortung in der Kommune“. Sie identifizierten Handlungspotenzial in drei Bereichen:

  • Gesundheitliche Versorgung – präventiv und wohnortnah
  • Sorge und Pflege in gemeinschaftlicher Verantwortung
  • Von der Wohnungspolitik zu einer umfassenden Wohnpolitik

 

Neben strukturellen, personalpolitischen und monetären Maßnahmen im Pflegebereich nimmt das Zusammenwirken von familiären, nachbarschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Ressourcen mit professionellen Dienstleistungen auf örtlicher Ebene an Bedeutung zu.

 


Aus der Beratung

Kreisrat Hans-Joachim Lieb bittet um Aufnahme des Themas „ Mangelnde Finanzierung der Pflegekräfte im ambulanten Bereich“ auf die Tagesordnung des nächsten Landkreistages.