Beschluss
Der Ausschuss für Jugend und Familie beschließt die fortlaufende
Anwendung der jeweils gültigen Empfehlungen des Bayerischen Städte- und
Landkreistages über die Pflegegeldpauschalen hinaus auch für die Leistungen des
individuellen Bedarfs und für bestimmte Tatbestände rückwirkend zum 01.01.2023.
Sachverhalt
Die Unterbringung eines jungen Menschen in einer Pflegefamilie ist eine
vollstationäre Jugendhilfemaßnahme außerhalb des Elternhauses nach § 33 SGB
VIII. Im Unterschied zur Heimerziehung wird diese Leistung in der Regel jedoch
nicht von pädagogisch qualifiziertem Personal erbracht.
Pflegeeltern sind rund um die Uhr an 7 Tagen in der Woche aktiv und
erledigen die anspruchsvollen Aufgaben rund um die Erziehung eines oder
mehrerer Kinder, die nicht die eigenen, leiblichen Kinder sind. Diese jungen
Menschen, die mit einer meist problematischen eigenen Familiengeschichte in dem
Haushalt aufgenommen werden, erhalten so ein Ersatz-Zuhause auf Zeit oder auf
Dauer.
pixabay
Im Landkreis Coburg leben aktuell 107 junge Menschen in einer
Pflegefamilie. Diese hohe Zahl ist mittlerweile seit dem Jahr 2015 konstant. In
den Jahren davor waren durchschnittlich 50 – 60 Pflegekinder untergebracht.
Dabei gelingt es zumeist, für Kinder unter 10 Jahren oder auch in
Ausnahmefällen für Jugendliche, eine passende Familie zu finden, die bereit
ist, den jungen Menschen auf seinem Weg zu begleiten. Nur bei besonderen
Problemlagen und speziellem Bedarf der Kinder, z.B. aufgrund schwerer
Traumatisierung, ist eine Heimerziehung notwendig.
Jedes Kind in einer Pflegefamilie kann – gleich aus welchem Grund –
nicht bei seinen leiblichen Eltern aufwachsen. Die Alternative zu einer
Unterbringung in einer Pflegefamilie, bei welcher junge Menschen so etwas wie
ein Zuhause vorfinden, ist nach wie vor die Unterbringung in einer
Heimeinrichtung. Die Kosten für einen Platz in einer stationären
Jugendhilfeeinrichtung liegen durchschnittlich um das 4-5fache über den
Ausgaben für einen Platz in einer Vollzeitpflegefamilie.
Leistungen für
Vollzeitpflegefamilien
In den vergangenen Jahren wurde wiederholt über die finanziellen
Leistungen für Pflegefamilien informiert und entschieden.
Im Ausschuss am 27.06.2017, Vorlage 083/2017, wurde grundsätzlich
darüber entschieden, dass die jeweils aktuellen Empfehlungen des Bay. Städte-
und Landkreistages zu den Pflegegeldpauschalen laufend umgesetzt werden.
Zum damaligen Zeitpunkt betrug der Erziehungsbeitrag mtl. 300,00 €.
Dieser wurde im Jahr 2019 auf 350,00 € angehoben, was auch Auswirkungen auf die
Beträge beim erhöhten Erziehungsaufwand hatte. Hierüber wurde am 25.04.2019,
Vorlage 051/2019, informiert und ebenfalls positiv entschieden. Auf das Thema
„erhöhter Erziehungsaufwand“ wird in der nächsten Vorlage noch näher
eingegangen.
Erläuterung:
Die Pflegegeldpauschalen sind in drei verschiedene Altersstufen eingeteilt
und setzen sich aus dem Unterhaltsbedarf und dem Erziehungsbeitrag zusammen –
aktueller Stand:
Altersstufe |
Unterhaltsbedarf |
Erziehungsbeitrag |
Summe (Pflegepauschale) |
0 – vollendetes 6. LJ |
624 € |
350 € |
974 € (Stand 2022:
923 €) |
7. – vollendetes 12. LJ |
754 € |
350 € |
1.104 € (Stand 2022:
1.041 €) |
Ab 13. Lebensjahr |
926 € |
350 € |
1.276 € (Stand 2022:
1.197 €) |
Der gültige Leistungskatalog des Jugendamtes Landkreis Coburg ist als
Anlage 1 beigefügt, die erhöhten Sätze der Pflegepauschale wurden wie gewohnt
angepasst.
Der Anlage 2, die gesamten gegenwärtigen Empfehlungen, sind nun weitere
Leistungen bzw. Regelungen zu entnehmen, von denen einzelne Punkte aufgegriffen
werden und eine Anpassung erfolgen soll. Die hier unbeachtet gelassenen Punkte,
wie z.B. das Thema Altersvorsorge, allgemeine Erläuterungen, Verfahrensabläufe,
werden nicht vertieft aufgegriffen, da Sie in der Praxis bereits umgesetzt
werden.
Zu dem Punkt 2.5 Kostenbeitrag bei eigenem Einkommen des jungen Menschen
muss richtig gestellt werden, dass kein
Kostenbeitrag bei eigenem Einkommen aus einem Ausbildungs- oder
Arbeitsverhältnis zu leisten ist. Diese Regelung wurde durch eine
Gesetzesänderung des § 92 SGB VIII zum 01.01.2023 verändert. Die Empfehlungen
wurden bereits im Dezember versandt, so dass diese Änderung noch nicht
angepasst wurde.
Mit dem Wegfall des Kostenbeitrags wurden die Forderungen junger
Menschen aus der Jugendhilfe berücksichtigt. Der Verein Careleaver e.V. hat
u.a. in der Anhörung im Deutschen Bundestag als Sachverständige sehr deutlich
machen können, dass eine Kostenheranziehung kein geeignetes Instrument ist, um
jungen Menschen, die in der Jugendhilfe aufwachsen, einen angemessenen Umgang
mit Geld zu vermitteln. Im Gegenteil. Vor dem Hintergrund der besonderen Biografien
und der Lebensbedingungen, die ursächlich für das Aufwachsen in der stationären
Jugendhilfe sind und waren, ist eine Kostenheranziehung eine weitere Hürde und
keine Unterstützung.
Unter dem Punkt 2.8 in den Empfehlungen werden die sogenannten zusätzlichen
Leistungen beschrieben.
Für Leistungen des individuellen Bedarfs und über den normalen
Unterhaltsbedarf hinausgehend, hat sich der Landkreis Coburg in der
Vergangenheit für eine Pauschalierung entschieden. Dazu gehören beispielsweise
die Anschaffung eines Fahrrades, die Taufe oder Konfirmation, ein
Musikinstrument oder eine spezielle Sportausstattung. Die Form der
Einzelentscheidungen per Antragstellung stellt sowohl für das Jugendamt als
auch die Pflegeeltern einen hohen Verwaltungsaufwand dar und steht in keinem
Verhältnis.
Für jedes Pflegekind wird bislang jährlich
200 € |
bis zum Ende des Schulbesuchs der 4. Klasse |
300 € |
ab Beginn des Schulbesuchs der 5. Klasse |
zahlbar in 2 Teilbeträgen im April und im Oktober eines Jahres
ausgezahlt. Dies entspricht einem mtl. Betrag von 16,67 € bzw. 25,00 €.
Die Empfehlungen des Bay. Städte- und Landkreistages schlagen monatliche
Pauschalbeträge zwischen 30,00 € und 60,00 € vor. In diesem Bereich ist seit
2015 keine Anpassung erfolgt und auch die Entwicklung der letzten krisenhaften
Jahre, die Belastungen durch die Corona-Pandemie, das damit einhergehende
Home-Schooling und die Inflationsrate fanden bislang keine Berücksichtigung.
Vorgeschlagen
wird, die Pauschalbeträge auf 30,00 € bzw. 40,00 € mtl., gestaffelt nach den
beiden Kategorien wie oben beschrieben, rückwirkend zum 01.01.2023 zu erhöhen
und weiterhin in Teilbeträgen 2x jährlich auszuzahlen. Für den Landkreis Coburg
bedeutet dies Mehrausgaben im laufenden Jahr in Höhe von ca. 17.000,00 €.
Für bestimmte Tatbestände, wie eine Erstausstattung etc. leistet der
Landkreis Coburg bislang, unverändert seit 2015, festgelegte Beträge:
Art |
Altersstufe |
Max. Beihilfe |
||
Erstausstattung für Möbel, Bett- und Spielzeug |
0 – 5 Jahre |
690 € |
||
|
6 – 11 Jahre |
784 € |
||
|
Ab 12 Jahren |
908 € |
||
Erstausstattung für Bekleidung |
0 – 5 Jahre |
345 € |
||
|
6 – 11 Jahre |
392 € |
||
|
Ab 12 Jahren |
454 € |
||
auf Antrag |
|
908 € |
||
Hilfe zur Verselbständigung |
|
908 € |
Die Weihnachtshilfe beträgt momentan 50,00 € jährlich, die ohne
Antragstellung automatisch ausbezahlt wird. Für alle anderen Leistungen gilt,
dass ein Antrag und eine Prüfung durch die sozialpädagogischen Fachkräfte
erfolgt. Wenn bei Beginn eines Pflegeverhältnisses keine Kleidung oder
sonstigen Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens vorliegen bzw. mitgegeben
werden fallen materielle Ausgaben an.
Fast alle Kinder,
die in einer Pflegefamilie untergebracht werden, kommen aus problematischen
Verhältnissen und haben meist kaum persönliche Dinge, die sie in ihr
neues Lebensumfeld mitnehmen können. Die Pflegeeltern sind sehr bemüht,
ihren neuen Familienmitgliedern ein gutes und gelingendes Ankommen zu
ermöglichen, gestalten Zimmer gemeinsam und sorgen in der für alle Beteiligten
schwierigen und aufregenden Zeit für bestmögliche Bedingungen.
Um dies als Pflegeeltern in einem angemessenen Rahmen umsetzen zu
können, wird vorgeschlagen, auch in diesem Bereich die Empfehlungen des
Bayerischen Städte- und Landkreistages umzusetzen und die Tabelle wie folgt zu
übernehmen:
Art |
Voraussetzungen |
Höhe bis zu (PP=
Pflegepauschale nach Nr. 2.3) |
Erstausstattung für Möbel und Bettzeug |
Auf Antrag und nach Bedarf |
1,0 PP |
Erstausstattung für Bekleidung |
Auf Antrag und nach Bedarf |
0,5 PP |
Ausstattung für Berufsanfänger |
Auf Antrag und nach Bedarf |
Bis zu 1,0 PP |
Hilfen zur Verselbständigung |
Auf Antrag |
Bis zu 1,0 PP |
Kindergartenbeitrag |
Antrag durch die Pflegeeltern nach § 1688
BGB; Kindergartenbesuch |
Bis zum Kindergartenbeitrag |
Weihnachtshilfe |
Ohne Antrag |
0,07 PP |
Eine Antragstellung und Prüfung ist und bleibt dabei obligatorisch.
Vorgeschlagen
wird, die o.g. Pauschalbeträge, angelehnt an die jeweilige Pflegepauschale, zu
übernehmen, sowie die laufende Umsetzung von Aktualisierungen dieser Pauschalen
vorzunehmen.
Für den Landkreis
Coburg bedeutet dies im laufenden Jahr Mehrausgaben in Höhe von ca. 8.000,00 €.
Mit dieser
Regelung wird der gestiegenen Kosten und der Inflationsentwicklung Rechnung
getragen.