Sachverhalt
In 2021 verabschiedet tritt am 01.01.2023
das neue Vormundschaftsrecht in Kraft.
Was heißt das konkret?
1. Auslöser
und Verfahren bis zum Eintritt der Vormundschaft
Wenn Eltern versterben oder nicht in der
Lage oder gewillt sind, die elterliche Sorge auszuüben, muss das
Familiengericht diese auf einen Vormund[1]
übertragen. Bis auf wenige Ausnahmen wird die Vormundschaft bislang auf das
Jugendamt übertragen. Eine Ausnahme ist z.B. die Einreise eines minderjährigen
Flüchtlings mit seiner von den Eltern beauftragten Großmutter.
An dieser Verfahrensweise ändert sich
nichts, außer dass
-
der ASD bei
Einleitung eines familiengerichtlichen Verfahrens bereits „mitdenken“ muss, ob
jemand aus dem Umfeld des Kindes grundsätzlich in Frage kommen kann, die
Vormundschaft zu übernehmen
-
die
Bestellung des Jugendamts als Vormund als vorläufige Vormundschaft, um in einem festgelegten Zeitraum einen
geeigneten Einzelvormund für das jeweilige Kind zu suchen (§ 1781 BGB).
2. Führen
der Vormundschaft
Der Vormund lernt sein „Mündel“ erst nach
der familiengerichtlichen Bestellung kennen und ist bislang dazu verpflichtet,
mindestens 1x monatlich einen persönlichen Kontakt zu ihm zu halten. Er ist als
gesetzliche Vertretung in der Hilfeplanung, bei medizinischen Entscheidungen,
bei der Anmeldung zur Schule, kurzum bei allen Entscheidungen, die sonst Eltern
treffen müssen und dies jetzt nicht mehr tun können oder dürfen, zu beteiligen.
Eine Kooperation mit den Eltern ist keine pflichtige Aufgabe, sondern ist nur
dann von Bedeutung, wenn es z.B. um Besuchskontakte geht.
Eine Änderung der Vormundschaft tritt nach entsprechender familiengerichtlicher
Entscheidung nur ein, wenn das Kind umzieht oder wenn z.B. Pflegeeltern die
Vormundschaft übernehmen wollen und können.
Die Aufgaben eines Vormunds erfahren nun
eine umfassende Modifizierung.
Erstmals werden dem betroffenen Kind und
Jugendlichen eigene Rechte als Mündel zugewiesen. War z.B. vorher geregelt,
dass der Vormund mind. 1x monatlichen Kontakt halten soll, wird das nun dem
jungen Menschen auch als subjektives Recht zugestanden (§ 1788 BGB). Gleiches
gilt für die Berücksichtigung seines Willens und die Beteiligung an den ihn
selbst betreffenden Angelegenheiten.
Analog werden dem Vormund die damit
verknüpften Pflichten zugewiesen und explizit auch festgelegt, dass er die
Eltern des Mündels mit einzubeziehen hat und ggf. auch nahestehenden Verwandten
und Vertrauenspersonen Auskunft geben soll (§ 1790 BGB).
Das Gericht hat den Willen des Mündels den
der Eltern und die Lebensumstände bei der Auswahl des Vormunds zu
berücksichtigen und ein ehrenamtlicher Vormund hat Vorrang vor z.B. einem
Amtsvormund.
Und wenn das zum Zeitpunkt der Entscheidung des Familiengerichts noch nicht
klar ist, wird erst einmal eine vorläufige und zeitlich befristete
Vormundschaft eingerichtet und dem Amtsvormund auferlegt, „sich auf die Suche
zu machen“. Und genau das, was und mit welchem Ergebnis es gemacht wurde, hat
der Amtsvormund dem Gericht gegenüber darzulegen und zu begründen.
Das Gesetz strukturiert damit den gesamten
Bereich inhaltlich neu – und lässt –last but not least- auch die innere
Organisation eines Jugendamts nicht unberührt:
Die Aufgaben der Pflegschaft und Vormundschaft sind funktionell,
organisatorisch und personell von den übrigen Aufgaben des Jugendamts zu
trennen. (§ 55 Abs. 5 SGB VIII ) |
Konsequenzen
Bislang wurden die Vormundschaften in Personalunion mit den
Beistandschaften und Beurkundungen von 3,75 VZÄ (Vollzeitäquivalenten)
–verteilt auf 5 Personen- wahrgenommen. Die Mitarbeiterinnen hatten eine
Verwaltungs-, eine juristische- und eine sozialpädagogische Qualifikation,
waren somit interdisziplinär aufgestellt und vertraten sich gegenseitig.
Seit dem 01.10.2022 wurde aus diesem Team der Bereich Vormundschaften
herausgelöst und seither von einer in Teilzeit beschäftigten
sozialpädagogischen Fachkraft wahrgenommen. Auch eine Vertretung darf keine
anderen Jugendhilfeaufgaben wahrnehmen.
Bereits umgesetzt wurden Infoveranstaltungen mit Dauerpflegeeltern zur
künftigen Übernahme von Vormundschaften und eine erste Akquise von
interessierten Ehrenamtlichen realisiert.
Mit der Stadt Coburg wird derzeitig eine Kooperationsvereinbarung
erarbeitet, die die gemeinsame Werbung, Schulung und Beratung von
ehrenamtlichen Vormündern vorsehen soll. Geprüft wird auch, ob eine
gegenseitige Einzelfallvertretung der beiden Fachkräfte in Stadt und Landkreis
Coburg möglich ist.
Abgestimmt ist bereits das konkrete Aufgabenspektrum, die identische
organisatorische Zuordnung (zu den jeweiligen ASD-Leitungen) und –zur
Rollenklarheit-, dass der Einsatz von ehrenamtlichen Vormündern aus den Reihen
eines Jugendamtes nur beim jeweils anderen erfolgen soll.
[1]
Sind nur Teile der elterlichen
Sorge auf einen Dritten zu übertragen, spricht man von Pflegschaft. Da die
damit verbundene formelle Verantwortung identisch mit denen eines Vormunds ist,
wird hier nicht weiter differenziert. Die dargestellten Inhalte gelten auch für
Pflegschaften.