Beschluss: einstimmig

Beschluss:

Der Antrag wird in den Geschäftsgang verwiesen.


Sachverhalt:

Der Fachbereich 31, Verkehrswesen und ÖPNV, nimmt zum Antrag wie folgt Stellung:

 

Grundsätzlich regelt das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) im § 39 Absatz 3 Folgendes: „Die nach Absatz 1 festgestellten Beförderungsentgelte dürfen nicht über- oder unterschritten werden; sie sind gleichmäßig anzuwenden. Ermäßigungen, die nicht unter gleichen Bedingungen jedermann zugutekommen, sind verboten und nichtig“.

Ein extrem vergünstigtes Ticket auf einer einzelnen Linie im Landkreis widerspricht diesen Anforderungen und müsste eng mit der Regierung von Oberfranken abgestimmt werden. Eine Garantie, dass die Regierung bei diesem Vorhaben zustimmt, gibt es nicht.

 

Seitdem das 365 €-Ticket das erste Mal in Wien eingesetzt wurde, hat sich die Idee in viele Städte und Gemeinde verbreitet. Das Ticket wird häufig als ein wesentlicher Faktor für eine Attraktivitätssteigerung im ÖPNV gesehen.

 

Die Einführung und Evaluation in Wien zeigt jedoch, dass das 365 €-Ticket allein nicht für diese Attraktivitätssteigerung sorgt. Laut der begleitenden Studie gab es in Wien nach der Einführung keinen signifikanten Neukundeneffekt. Die Vergünstigung der Jahreskarte auf 365 € und die deutliche Verteuerung anderer Tarife wie Wochen- oder Monatskarten führten zu einem Wechsel vieler Gelegenheitsfahrer zur Jahreskarte. Tatsächliche Neukunden wurden mit der Maßnahme hingegen wenige gewonnen.

 

Die Linie 8301 hatte im Jahr 2020 – trotz der Fahrgastauswirkungen aufgrund der Corona-Pandemie – einen stabilen „Jedermann-Anteil“ von ca. 30 Prozent. Viele Fahrgäste sind mit einer 6-Fahrten-Karte, einer Wochen- oder einer Monatskarte unterwegs. Diese Personen würden wahrscheinlich mehrheitlich zum 365 €-Ticket wechseln und die Tarifeinnahmen des Landkreises sinken lassen.

Zusätzlich wären mit einem solchen Pilotprojekt ein Teil der jährlichen ÖPNV-Zuweisungen und der Ausgleichszahlungen nach § 45a der PBefG in Gefahr.

 

Der VGN hat bereits ein 365 €-Ticket für Auszubildende, Schülerinnen und Schüler. Die Mindereinnahmen tragen momentan zu 2/3 der Freistaat Bayern und zu 1/3 die beteiligten Städte und Gemeinden.

 

Zusätzlich hat der VGN eine Studie in Auftrag gegeben, die eine Einführung des 365 €-Tickets für alle geprüft hat. Anders als in Wien ginge es im VGN um ein erheblich vergünstigtes Jahresticket, das in 8 kreisfreien Städten sowie 16 Landkreisen verfügbar wäre. Dazu haben die Experten sieben verschiedene Tarifmodelle entwickelt und untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass ein solches Ticket hohe Einbußen bei den Fahrgeldeinnahmen und damit hohe Kosten für die Städte und Landkreise zur Folge hätte. Je nach Modell liegen diese bei 55 bis 100 Millionen Euro pro Jahr. Ohne Förderung des Freistaates wird ein solches Finanzierungsvolumen allein aus den kommunalen Haushalten nicht zu stemmen sein.
Außerdem gibt es je nach Modell lediglich einen Fahrtenzuwachs zwischen 1,9 und 3,2 Prozent. Das Gutachterbüro schlägt vor, Alternativen zu prüfen, wie etwa wirksame Verbesserungen im Verkehrsangebot oder gezielte tarifliche Angebote für finanziell schwache Fahrgastgruppen.

 

Damit mehr Bürgerinnen und Bürger auf den ÖPNV umsteigen, braucht es zahlreiche weitere begleitende Maßnahmen. In Wien wurde beispielsweise das ÖPNV-Angebot massiv ausgebaut, der Parkraum verknappt, vorhandene Parkplätze verteuert und es gibt eine sogenannte Nutznießer-Finanzierung. Jeder Arbeitgeber zahlt einen Betrag pro Mitarbeiter und Arbeitswoche. Diese Einnahmen werden zweckgebunden für den ÖPNV-Ausbau eingesetzt. Dadurch können die auftretenden Mindereinnahmen kompensiert werden.

 

Die beiden Beispiele zeigen, dass nicht der Fahrpreis der wesentliche Faktor für die Attraktivität des ÖPNV ist, sondern mehrere aufeinander abgestimmte Maßnahmen. Zusätzlich ist die Einführung eines 365 €-Tickets ein hoher finanzieller Aufwand, den der Landkreis auch für eine einzelne Linie nicht ohne weiteres stemmen kann. Eine Förderung durch den Freistaat Bayern ist dabei nicht zu erwarten.

 

In der Grundlagenstudie des VGN für einen möglichen Beitritt werden die Aufwendungen entsprechend mitgeprüft. Von der Einführung zum 01.01.2024 könnten dann alle Bewohnerinnen und Bewohner des Landkreises profitieren.

 

 


Aus der Beratung

Nach eingehender Beratung besteht Einigkeit, den Antrag in den Geschäftsgang zu verweisen und im zuständigen Ausschuss für Umwelt, Energie und Mobilität zu behandeln.