Sitzung: 12.10.2021 Ausschuss für Jugend und Familie
Vorlage: 142/2021
Sachverhalt:
2011 wurden im
Vormundschaftsrecht u.a. die Höchstzahl der von einer Fachkraft zu führenden
Vormundschaften oder Pflegschaften und die Verpflichtung zum monatlichen
Kontakt mit dem Kind/Jugendlichen festgeschrieben.
Bereits 2014 wurde
ein erster Entwurf einer weiteren Reformstufe vorgelegt. Dieses Vorhaben wurde
schließlich am 04.05.2021 als Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und
Betreuungsrechts im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt zum 01.01.2023
in Kraft.
Was ändert sich?
Ø
Die
Partizipation des Kindes bzw.
Jugendlichen bei der Einrichtung und Führung einer Vormundschaft werden
gestärkt. Bei Meinungsverschiedenheiten ist der junge Mensch ab 14 Jahren
berechtigt, Anträge beim Familiengericht zu stellen. Dieses soll in geeigneten
Fällen und wenn es der Entwicklungsstand des Kindes/Jugendlichen zulässt auch
die Berichte des Vormundes mit dem jungen Menschen besprechen.
Ø
Der
Wille der Eltern ist zu
berücksichtigen und dem Vormund/Pfleger wird aufgegeben, mit diesen
zusammenzuarbeiten.
Ø
Auch,
wenn sich die Auswahl des Vormundes nach dessen Eignung richtet, erfährt die ehrenamtliche Vormundschaft eine
deutliche Aufwertung. Bei gleicher Eignung haben ehrenamtliche Vormünder oder
Pfleger Vorrang und das Jugendamt hat diese zu gewinnen, zu schulen, zu
begleiten, zu unterstützen und seine Bemühungen im Einzelfall dem
Familiengericht zu belegen.
Ø
Für
die geeignete Auswahl wird deshalb auch die vorläufige Vormundschaft eingeführt, um dem Jugendamt die
erforderliche Zeit zur gezielten Suche nach einem Vormund zu lassen, der den
Willen, den familiären Beziehungen und Bindungen, und dem religiösen und
kulturellen Hintergrund des Kindes/Jugendlichen und den Willen der Eltern
berücksichtigt.
Widersprüchlich ist die Regelung, wie die
Vormundschaften innerhalb des Jugendamtes organisatorisch zu verankern sind.
Die Reform des Vormundschaftsrecht beschreibt in § 55 SGB VIII, dass ab 2023
die „Aufgaben der Pflegschaft und
Vormundschaft
…. funktionell,
organisatorisch und personell von den übrigen Aufgaben des
Jugendamts zu trennen“ sind.
Auf der anderen Seite
- wird die Vormundschaft oder Pflegschaft in § 2 SGB VIII als explizite
Aufgabe der Jugendhilfe normiert
- regelt das Gesetz zur
Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) in Art 15
„Örtliche Träger der öffentlichen
Jugendhilfe sind die Landkreise und die kreisfreien Gemeinden. Soweit sich aus
dem Achten Buch Sozialgesetzbuch oder aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt,
erfüllen sie die Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe nach den Vorschriften
der Gemeindeordnung oder der Landkreisordnung; sie handeln dabei im eigenen
Wirkungskreis.“ und
- beschreibt § 69 SGB VIII
wiederum, dass für die Wahrnehmung der Aufgaben nach SGB VIII der örtliche
Träger ein Jugendamt errichtet.
Vorgehensweise im Landkreis Coburg
Ganz unabhängig von
der organisatorischen Zuordnung ändert sich die Aufgabenwahrnehmung im Bereich
der Vormundschaften grundlegend. Bislang wurden die Vormundschaften und
Pflegschaften von verschiedenen Fachkräften innerhalb des Amtes für Jugend und
Familie anteilig wahrgenommen. Der summarische dafür verfügbare Stellenanteil
liegt –da sich die Anzahl der geführten Vormundschaften und Pflegschaften immer
bei +/- 50 bewegt hat- bei 1,0 VZÄ. Mit dieser Stellenkapazität ist der
sukzessive Umbau der Aufgaben zu vollziehen.
Aktueller Stand |
|
Ziel ab 01.01.2023 |
Vormundschaften/Pflegschaften
werden anteilig von 3 Personen in einem Gesamtumfang von 1,0 VZÄ
wahrgenommen. |
è |
1 Vollzeitkraft ist
für alle Aufgaben im Bereich der Vormundschaften und Pflegschaften zuständig. |
Die
Vormundschaften und Pflegschaften werden unmittelbar geführt, die Kinder und
Jugendlichen 1 x monatlich besucht, mit dem ASD kooperiert, dem Gericht
regelmäßig berichtet, im Einzelfall mit den Eltern gesprochen |
è
|
Die Fachkraft führt
selbst nur vorläufige Vormundschaften oder Pflegschaften. Sie akquiriert,
schult und begleitet ehrenamtliche Vormünder und arbeitet z.B. bei Kindern in
Vollzeitpflege eng mit dem Pflegekinderfachdienst zusammen, um Pflegeeltern
zu befähigen oder zu begleiten, die Vormundschaft für ihr Pflegekind zu
übernehmen. |
Spannend wird sein,
in diesem Bereich und in Konkurrenz zu anderen Bereichen, auch in der
Jugendhilfe, Ehrenamtliche zu finden, die bereit sind, Kinder und Jugendliche
als Vormund zu begleiten.