Sitzung: 12.10.2021 Ausschuss für Jugend und Familie
Vorlage: 141/2021
Sachverhalt:
Die zentrale
rechtliche Grundlage der Kinder- und Jugendhilfe ist das Sozialgesetzbuch VIII.
Von der Beratung in der Schwangerschaft bis zur Verselbständigung junger
Volljähriger, vom Kitaplatz bis zu Wohngruppen, von der
Vaterschaftsfeststellung und Unterhaltsfragen bis zur Vormundschaft – gleich ob
jemand alleinerziehend ist, sich trennt, mit dem Gesetz in Konflikt gerät,
immer, wenn das Kindeswohl gefährdet ist oder der Jugendschutz gefragt ist, ist
das Jugendamt zentrale Instanz der Aufgabenerfüllung nach dem SGB VIII.
Zielgruppe der
Jugendhilfe waren und sind unmittelbar und mittelbar Kinder, Jugendliche, junge
Erwachsene und ihre Familien. Das bleibt auch künftig so, ändert sich künftig
und schrittweise aber in einem kleinen, aber wichtigen Punkt. Während seelisch
behinderte junge Menschen der Jugendhilfe zugeordnet wurden, gehörten
körperlich, geistig, sinnesbeeinträchtigte junge Menschen, sowie
frühförderbedürftige, noch nicht schulpflichtige Kinder im Leistungsbereich
nicht dazu. Sie fallen in Bayern in die Zuständigkeit der Bezirke.
Mit dieser
Diskrepanz und der Frage, wie diese Trennung aufzuheben ist, beschäftigte sich
der Gesetzgeber seit mehr als einem Jahrzehnt und beschloss schließlich im Mai
2021 das Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetz (KJSG), dass am 10.06.2021 in
Kraft getreten ist.
Es regelt, dass ab
2028 alle Kinder, unabhängig davon ob und wenn ja, welche Behinderungsart
vorliegt, zum Adressatenkreis der Kinder- und Jugendhilfe gehören. Bis dahin
sind vorgegebene Schritte des Übergangs zu vollziehen.
Neben der sog.
„großen Lösung“ regelt das KJSG zahlreiche weitere Aufgaben neu.
Im Folgenden wird
dies –aufgeteilt in Themenblöcke- mit dem Umsetzungsstand und dem
Handlungsbedarf auch auf örtlicher Ebene dargestellt.
1.
Querschnittsthemen
1.1 Kinderschutz
1.1.1 Wesentliche Neuregelungen
Berufsgeheimnisträger:innen[1],
die eine Kindeswohlgefährdung melden, sollen an Gefährdungseinschätzungen
beteiligt werden und das Jugendamt soll diesen eine Rückmeldung darüber geben,
ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt und ein Schutzkonzept entwickelt ist oder
wird.
Dem Familiengericht ist bei Kindeswohlgefährdungen, freiheitsentziehende
Maßnahmen oder Verbleibensanordnungen von Pflegekindern der Hilfeplan gem. § 36
SGB VIII standardmäßig vorzulegen. In allen anderen Sorge- und Umgangsverfahren
ist das Jugendamt dazu verpflichtet, dem auf Anforderung des Familiengerichts
nachzukommen.
Die Strafverfolgungsbehörden sind verpflichtet, das Jugendamt bei
Kindeswohlgefährdungen zu informieren. Diese „gewichtigen Anhaltspunkte“ dafür
können auch vorliegen, wenn ein Kind oder Jugendlicher mit einem
Straftatsverdächtigen[2]
zusammenlebt oder mit diesem Umgang hat.
Die Voraussetzungen zum Erhalt einer Betriebserlaubnis sind u.a. um die
Punkte Zuverlässigkeit des Trägers, Vorlage eines Gewaltschutzkonzeptes,
Gewährleistung von Beschwerdemöglichkeiten innerhalb und außerhalb der
Einrichtung erweitert.
Bei Auslandsmaßnahmen sind die Voraussetzungen z.B. beim Fachkräftegebot
konkretisiert und mit der Verpflichtung zur regelmäßigen vor-Ort-Prüfung
versehen worden.
1.1.2
Konsequenzen
für den Landkreis Coburg
Die konkreten Regelungen zur Kooperation
mit dem Berufsgeheimnisträger:inne:n ist eine konsequente Weiterentwicklung des
Kinderschutzes. Die Voraussetzungen für entsprechende Kooperationsstrukturen
sind über das Netzwerk Frühe Hilfen vorhanden.
Inwiefern die Einbeziehung der
Melder:innen in jedem Einzelfall mit einem zeitlichen Mehraufwand einhergeht,
muss abgewartet werden. Natürlich wurden auch bisher schon Kooperationspartner
in der Gefährdungsabschätzung einbezogen. Das galt aber nicht in jedem
Einzelfall. Und: Die Kindeswohlgefährdungen 2020 und 2021 bilden keine
verlässlichen Zahlen ab, da durch Kita- und Schulschließungen wichtige
Melder:innen nur eingeschränkt aktiv waren.
Die –wenn auch nur ausschnitthafte-
Weitergabe von Hilfeplänen an das Familiengericht löst Handlungsbedarf aus.
Soweit es sich um gerichtliche Maßnahmen im Kontext einer Hilfegewährung
handelt, wie dies bei Eingriffen in elterliche Rechte oder
freiheitsentziehenden Maßnahmen handelt, ist die Weitergabe unproblematisch.
Schwierig wird es, wenn Sorge- und Umgangsverfahren und eine z.B. erzieherische
Hilfe nicht miteinander verknüpft stattfinden. Hier müssen die bestehenden
Verfahren überprüft und angepasst werden.
Dass die Strafverfolgungsbehörden
nunmehr verpflichtet sind, bei gewichtigen Anhaltspunkten auf eine Gefährdung
den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe einzuschalten, ist zu
begrüßen. In der Jugendhilfe im Jugendstrafverfahren funktioniert das gut;
Nachbesserungs- und Weiterentwicklungsbedarf wird in regelmäßigen
Kooperationstreffen, an denen die Jugendämter aus Stadt und Landkreis, die Polizei,
die Staatsanwaltschaft, das Gericht und die beiden freien Träger, die Maßnahmen
für jugendliche Straftäter anbieten, teilnehmen, thematisiert.
Bei häuslicher Gewalt oder Delikten strafunmündiger Kinder können Verfahren
optimiert werden, in anderen Bereichen ist auf der Grundlage der bestehenden
Kooperationskultur der konkrete Handlungsbedarf zu klären.
Für die Betriebserlaubnis
(teil)stationärer Erziehungs- und Behindertenhilfeeinrichtungen ist die
Heimaufsicht der Regierung von Oberfranken zuständig. Die mit
Heimunterbringungen verknüpften Regelungen zu Auslandsmaßnahmen sind in dieser
konkreten Form neu im Gesetz aufgenommen. In der Praxis im Landkreis Coburg
löst das keinen Handlungsbedarf aus, da diese bereits vorher angewandt wurden.
Mittelbar ist noch in der Klärung, wer die „erlaubniserteilende Behörde“ gem. §
45 Abs. 5 sein wird.
Die Aufsicht über die Kindertageseinrichtungen liegt beim Landkreis. In den
Kitas des Landkreises sind die meisten Regelungen ohnehin Praxis. Fehlen
schriftlich fixierte Gewaltschutzkonzepte oder Beschwerdestellen ist das
unproblematisch nachzuholen, da dabei auf die bestehende Praxis zurückgegriffen
werden kann.
! |
1.1.3 (vorläufiges) Fazit Mit diesen Neuregelungen sind (noch)
keine finanziellen Auswirkungen verbunden. Es sind Themen im Rahmen der
laufenden Aufgabenwahrnehmung anzugehen. |
1.2 Unterbringung von Kindern außerhalb der
eigenen Familie
1.2.1 Wesentliche Neuregelungen
Die Hilfeplanung
bei Hilfen in- und außerhalb der Familie wurde erweitert und konkretisiert:
Ø
Die
Beratung der jungen Menschen und ihrer Familien muss in einer für den
Betroffenen verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form erfolgen.
Ø
Geschwisterbeziehungen
sind ausdrücklich zu berücksichtigen.
Ø
Alle
Akteure, die an der Durchführung einer Hilfe beteiligt sind –Schulen, Ärzte,
Psychotherapeuten, etc.- sind an der Hilfeplanung zu beteiligen.
Ø
Auch
nicht sorgeberechtigte Eltern(teile) sollen –wenn möglich- einbezogen werden.
Ø
Mögliche
Zuständigkeitswechsel sind in der Hilfeplanung rechtzeitig aufzunehmen und mit
den „neuen“ Trägern zu vereinbaren.
Elternarbeit, also
die pädagogische Arbeit mit Eltern, deren Kind(er) außerhalb des Elternhauses
untergebracht sind, wird als eigener Rechtsanspruch auf Beratung, Unterstützung
und Förderung der Beziehung zum Kind verankert.
Das Jugendamt wir
verpflichtet, in der Vollzeitpflege Schutzkonzepte zu entwickeln, anzuwenden
und regelmäßig zu prüfen.
Bei der
Unterbringung in Mutter/Vater-Kind-Einrichtungen ist der Zugang ausgeweitet
worden. Ab sofort können auch Eltern gemeinsam mit ihren unter 6jährigen
Kindern stationär aufgenommen werden.
Bei den Hilfen für junge
Volljährige ist aus der Soll- eine Muss-Vorschrift geworden. Außerdem ist es
nun möglich, beendete Hilfen selbst nach einem langem Zeitraum wieder neu zu
beginnen und das Jugendamt wird verpflichtet, auch nach Beendigung der Hilfe
regelmäßigen Kontakt zum jungen Volljährigen zu halten und dies in einer Art
fortgesetztem Hilfeplan ohne Hilfe auch zu dokumentieren.
Für alle
stationären Hilfen wird ein Kostenbeitrag von den Eltern und dem jungen
Menschen selbst erhoben. Bei letztgenanntem musste bislang 75% des Einkommens,
nunmehr höchstens 25 % eingesetzt werden, wobei Ferienjobs und
Aufwandsentschädigungen aus ehrenamtlicher Tätigkeit unberücksichtigt bleiben.
1.2.2
Konsequenzen
für den Landkreis Coburg
Die Änderungen in
der Hilfeplanung vollziehen weitestgehend nach, was bereits Praxis im Jugendamt
ist. Interner Verbesserungsbedarf besteht im Hinblick auf eine einfache
Sprache. Und im Kooperationsalltag zeigt sich, dass die aktive Einbindung aller
Akteure an der Hilfeplanung immer wieder an Terminkollisionen oder
Personalmangel scheitert. Nichtsdestotrotz ist die gesetzliche Normierung das
richtige Signal an alle Beteiligten. Wird das künftig deshalb besser und
zuverlässiger wahrgenommen, ist es nicht nur ein Kraftakt, einen passenden
Termin zu finden, sondern es wird vor allem auch eine angemessene Umsetzung mit
Blick auf den jungen Menschen zu klären sein, der sonst seinen schulischen,
medizinischen, erziehenden, therapierenden, die Freizeit gestaltenden, usw.
Menschen gegenübersitzt und diese Teilbereiche seines Lebens auch umfassend
dokumentiert weiß.
Bisher war die sog.
„Elternarbeit“ Bestandteil der stationären Erziehungshilfe, d.h. der Träger
einer Wohngruppe oder der Pflegekinderfachdienst hat mit den Eltern der Kinder,
die außerhalb des Elternhauses leben, gearbeitet. Eine Folge -insbesondere bei
Heimunterbringungen mit einer größeren räumlichen Distanz- war, dass sich
Elternarbeit immer wieder darauf begrenzte, Beurlaubungen am Wochenende oder in
der Ferien vor- und nachzubesprechen. Wir leisten aktuell in einem Einzelfall
eine entsprechende Hilfe und befinden uns aktuell im Aufbau eines
Gruppenangebotes. Die Ausweitung und der Ausbau wird mit entsprechenden Mehraufwendungen
in den erzieherischen Hilfen einhergehen.
Ein explizites Schutzkonzept
ist in der aktuell gültigen Pflegekinderkonzeption nicht ausgewiesen, einzelne
Bausteine hingegen sind vorhanden. Die Pflegekinderkonzeption muss deshalb
entsprechend überarbeitet und ergänzt werden. Dabei reicht es nicht aus,
theoretisch-konzeptionell vorzugehen. Im Gegensatz zu institutionellen
Schutzkonzepten sollen diese in Familien Anwendung finden und müssen deshalb
unter Berücksichtigung familiärer Gegebenheiten zwingend mit den Beteiligten
erarbeitet werden.
Die Änderungen im
Bereich der Mutter/Vater-Kind-Einrichtungen werden mittelfristig einen Anstieg
der Fallzahlen, mindestens aber eine Ausgabesteigerung zur Folge haben. Aktuell
liegt der kalendertägliche Entgeltsatz für einen (weiteren) Erwachsenen bei 170
– 200 €. Bislang sind die meisten Einrichtungen aber noch nicht auf die
Aufnahme beider Elternteile eingestellt.
Bei den junge Volljährigen wird ein Fallanstieg erwartet, da durchaus
Anträge in der Vergangenheit abgelehnt wurden. Die Kontakthalteverpflichtung
durch die sozialpädagogischen Fachkräfte hat einen personellen Mehraufwand zur
Folge, da dies bislang proaktiv nicht stattgefunden hat.
Beim Kostenbeitrag
wird aktuell auf die neue Höchstgrenze umgestellt, was entsprechende
Mindereinnahmen generiert. Hier ist aber eine künftig ggf. veränderte Praxis zu
prüfen: Ist es fachlich und finanziell sinnvoll, generell keinen Kostenbeitrag
zu erheben? Sollte stattdessen eine Verselbständigungspauschale dann nur noch
auf Härtefälle begrenzt werden? Können Vereinbarungen zu Ansparungen in den Hilfeplan
mit aufgenommen werden und wenn ja, wie kann ein missbräuchlicher Umgang
verhindert werden?
! |
1.2.3 (vorläufiges) Fazit In diesem Änderungskomplex entstehen
zusätzliche Aufgaben für den ASD und den Pflegekinderfachdienst und es sind
Folgekosten zu erwarten. All das lässt sich nur ansatzweise konkretisieren.
Beim Kostenbeitrag gehen wir aktuell von ca. 20.000 € Mindereinnahmen aus und
bei der einzelfallbezogenen Elternarbeit ist ein Fall bereits begonnen
worden, der allein 10.000 € im Jahr kostet. |
1.3 Prävention im Sozialraum
1.3.1 Wesentliche Neuregelungen
Der Sozialraumansatz
wird in der Prävention gesetzlich verankert. Dies findet sich sowohl in der
Verpflichtung, in der einzelfallbezogenen Beratung auf Leistungen und Hilfen im
Sozialraum hinzuweisen, als auch in der Familienbildung die Entwicklung
entsprechender Angebotsstrukturen zu unterstützen.
Der Förderung der
Erziehung in der Familie, der Familienbildung, wird ein konkreter Themenkanon aufgegeben, der von der Erziehung
über Gesundheitsthemen bis zur Hauswirtschaft reicht.
Die Schulsozialarbeit
(nicht zu verwechseln mit der Jugendsozialarbeit an Schulen!) wird als neue
Aufgabe in das SGB VIII aufgenommen. Hier wird den Bundesländern aber die
Möglichkeit eröffnet, zu regeln, dass diese Aufgabe auch durch andere Stellen
nach anderen Rechtsvorschriften erbracht wird. Landesrechtliche Regelungen zum
KJSG liegen noch nicht vor.
Die Betreuung in
Notsituationen erhält eine grundsätzlich neue Rahmung. Sie ist nur dann eine
Hilfsmöglichkeit, wenn „der familiäre Lebensraum erhalten“ bleibt. Außerdem
wird die Möglichkeit einer unmittelbaren Inanspruchnahme eröffnet, wenn diese
von der Erziehungsberatung zusätzlich angeboten oder vermittelt wird. Dabei
wird explizit der Einsatz ehrenamtlicher Pat:inn:en benannt. Hierbei und
generell wird öffentliche Jugendhilfe auf ihre Planungs-,
Qualitätsentwicklungs- und Finanzierungsverantwortung verpflichtet.
1.3.2 Konsequenzen für den Landkreis Coburg
Die Sozialraumorientierung
ist im Landkreis Coburg seit fast 20 Jahren Strukturprinzip. Die gesetzliche
Neuregelung bestätigt diesen Weg und bleibt deshalb ohne Folgewirkung.
Die
Weiterentwicklung der Familienbildung ist mit der Umsetzung und konzeptionellen
Weiterentwicklung der Familienstützpunkte auf einem guten und richtigen Weg.
Die umfassende Konkretisierung der entsprechenden Angebote wird zu einem
finanziellen Mehraufwand führen, da der Schwerpunkt bislang auf
Erziehungsthemen lag.
Bei der Betreuung
in Notsituationen muss in Gesprächen vor allem mit der Erziehungsberatung deren
Bereitschaft geklärt werden, sich des Themas niedrigschwelliger ambulanter
Hilfen anzunehmen. Mittelfristig wird daraus ein finanzieller Mehrbedarf
entstehen, da diese Leistung bislang nicht angeboten wurde.
! |
1.3.3 (vorläufiges) Fazit Mit den Neuregelungen in der
Familienbildung und dem Aufbau und der Betreuung von Patenschaften ist
schrittweise ein finanzieller Mehrbedarf im Zuschussbereich verbunden, der
noch nicht bezifferbar ist. |
1.4 Partizipation
1.4.1 Wesentliche Neuregelungen
Für Kinder und
Jugendliche ist ein eigener Rechtsanspruch auf eine uneingeschränkte Beratung
verankert worden. Darüber hinaus wird auch hier die verständliche,
nachvollziehbare und wahrnehmbare Form in Beratung und Beteiligung
unterstrichen.
Letzteres gilt auch
für die bereits beschriebenen Änderungen in der Hilfeplanung, die die
Beteiligungsrechte der jungen Menschen und ihrer Eltern stärkt. Explizit und
neu aufgenommen im SGB VIII sind die §§ 10a und 10b SGB VIII, auf die im
Abschnitt zur Inklusion eingegangen wird. Im Kontext der Partizipation ist hier
die Eingangsformulierung „Zur Wahrnehmung ihrer Rechte…“ bedeutsam.
Die Beschwerderechte
und -möglichkeiten von jungen Menschen und ihren Familien werden an
verschiedenen Stellen verstärkt. Dazu gehören die bereits benannten
Neuregelungen in der Kinderbetreuung und der Vollzeitpflege, aber auch die
Einführung von Ombudsstellen.
1.4.2
Konsequenzen
für den Landkreis Coburg
Ob eine eigene
Instanz zur Umsetzung des Beratungsanspruchs von Kindern und Jugendlichen
geschaffen werden muss, ist für den Landkreis Coburg eher zu bezweifeln. Hier
wird es eher darum gehen, alle beteiligten Akteure beginnend bei den Kitas,
über den ASD und JaS bis hin zu den Trägern der freien Jugendhilfe entsprechend
zu sensibilisieren, damit diesem Anspruch nachgekommen wird.
Im Beschwerdemanagement
wird den Bundesländern der Sicherstellungsauftrag für Ombudsstellen aufgegeben.
In Bayern laufen dazu aktuell an drei Standorten –in Augsburg, im Landkreis
München und in Rosenheim- Modellprojekte.
! |
1.4.3 (vorläufiges) Fazit Mit diesen Neuregelungen sind keine
finanziellen Auswirkungen verbunden. Hier geht es vor allem um die rechtliche
Verankerung einer Haltung der beteiligten Professionen. Dazu gehört auch die
Beratung von Kindern und Jugendlichen. |
2.
Inklusive Kinder- und Jugendhilfe
2.1 Wesentliche
Neuregelungen
Ab dem 01.01.2028 wird die Jugendhilfe
für alle jungen Menschen bis zum 21. Lebensjahr zuständig und übernimmt damit
ab diesem Zeitpunkt auch die Zuständigkeit für die geistig und körperlich
beeinträchtigten jungen Menschen.
Für die Übergangszeit sind zwei
Zwischenschritte vorgesehen:
Ab Inkrafttreten des KJSG (10.06.2021) ist
die Jugendhilfe verpflichtet junge Menschen und ihre Familien ausführlich und
in verständlicher, nachvollziehbarer und wahrnehmbarer Form für alle Leistungen
beginnend mit der Kinderbetreuung über die Jugendarbeit und die Familienbildung
bis hin zu den kostenintensiven Hilfen der Jugendhilfe und die Leistungen
anderer Leistungsträger zu beraten und sie bei der Antragstellung, der Klärung
mit anderen Leistungsträgern und der Inanspruchnahme dieser Leistungen zu
unterstützen. Das Jugendamt hat auch am Gesamtplanverfahren geistig und
körperlich Minderjähriger beratend teilzunehmen, wenn die Eltern dem zustimmen.
Ab dem 01.01.2024 hat der öffentliche
Träger der Jugendhilfe „Verfahrenslotsen“ vorzuhalten, die alle behinderten
jungen Menschen oder die von einer Behinderung bedroht sind und deren Familien
bei der Verwirklichung von Leistungsansprüchen unabhängig unterstützen. Darüber
hinaus unterstützt er das Jugendamt bei dem Zusammenführungsprozess hin zur
Gesamtverantwortung der Jugendhilfe für alle behinderten jungen Menschen bis
2028.
Die Regelung zur Teilnahme am
Gesamtplanverfahren und der Verfahrenslotse fallen zum 01.01.2028 weg.
Das Gesetz wird in seiner Umsetzung und
seinen Auswirkungen evaluiert.
2.2 Konsequenzen
für den Landkreis Coburg
Allein die die
umfassende Beratung auch von Leistungen anderer Rehaträger incl. Unterstützung
im Antrags- und Umsetzungsverfahren bedeutet einen erheblichen Aufgabenzuwachs,
der nur durch entsprechend qualifizierte Mitarbeiter:innen geleistet werden
kann.
Dabei ist eine zweigeteilte Vorgehensweise sinnvoll. Zum einen müssen die
Mitarbeiter:innen des ASD und des Pflegekinderfachdienstes qualifiziert werden,
die Erstberatung und das Clearing zu übernehmen. Zeichnet sich ein Hilfebedarf
anderer Rehaträger ab, sollte dies an eine spezialisierte Fachkraft übergeben
werden, die auch die Teilnahme am Gesamtplanverfahren übernimmt und den
Übergang zum ab 01.01.2024 ohnehin vorgeschriebenen Verfahrenslotsen darstellt.
! |
2.3 (vorläufiges)
Fazit Die erforderliche
Qualifizierung der sozialpädagogischen Fachkräfte ist der Teil, der noch am
klarsten zum jetzigen Zeitpunkt formuliert werden kann. Alles andere ist noch
unklar: Wieviel Einzelfälle werden voraussichtlich ab 2028 in die
Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe wechseln, welches Finanzvolumen
steht dahinter, wer will bereits jetzt die Beratung in Anspruch nehmen und ab
2024 von einem Verfahrenslotsen begleitet werden. Die Finanzfolgen sind nicht
abzuschätzen, sondern u.a. der Evaluation des Gesetzes zugeordnet worden. |
In dieser Vorlage
sind nur die wesentlichen Änderungen dargestellt. Die zahlreichen „kleineren“
Punkte sind insofern bedeutsam, dass auch darin z.T. ein hoher
Umstellungsaufwand liegt.
Aber auch in dem
hier Beschriebenen wird bereits deutlich, dass das KJSG ein Gesetz mit
grundlegenden Veränderungen ist. Das bezieht sich nicht nur auf die „inklusive
Lösung“, sondern auch den in die unterschiedlichsten Bereiche hineinwirkenden
Neuregelungen bei der Partizipation, im Kinderschutz, der Prävention und
Niederschwelligkeit. Leitend dabei ist die Selbstbestimmung, die der Eltern,
aber auch die der Kinder und Jugendlichen.
In der Anlage 1 ist
eine Synopse der SGB VIII Reform, die das Deutsche Institut für Jugendhilfe und
Familienrecht[3]
veröffentlicht hat, beigefügt.