Sitzung: 01.09.2021 Ausschuss für Umwelt, Energie und Mobilität
Beschluss: mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 12, Nein: 1
Vorlage: 116/2021
Beschluss:
Die Erfassung von
Bioabfällen soll weiterhin an den Wertstoffhöfen des Landkreises Coburg im
Bringsystem erfolgen. Diese Regelung soll bis zu einer rechtlichen Änderung
Anwendung finden.
Sachverhalt:
1.
Entwicklung der
Bioabfallerfassung
In der Sitzung am 19.11.2015 wurde vom Ausschuss
für Umwelt, Energie und Mobilität folgender Beschluss gefasst:
„Die Erfassung von Bioabfällen wird an den
Wertstoffhöfen des Landkreises Coburg im Bringsystem zunächst über einen
Zeitraum von 2 Jahren der Bevölkerung angeboten, um dadurch weitere Erfahrungen
zu sammeln (Testphase).
Die Testphase wird bis heute praktiziert und
umgesetzt. Unter Punkt 6.2. wird näher darauf eingegangen.
Im Jahr 2021 erfolgte mit interessierten Bürgern
ein reger Austausch zum Thema Biotonne. Diese stellten der Verwaltung eine
Ausarbeitung vor, die für eine Einführung des Holsystems der Biotonne sprechen
würde.
Die Bioabfallsammlung über die Biotonne wurde in
vielen Kommunen von Beginn bis Mitte der 1990er Jahre eingeführt. Bis 1997 war
die Biotonne in Deutschland bereits in über 330 Verwaltungseinheiten (von 419)
eingeführt. Weitere Bestrebungen in den verbleibenden entsorgungspflichtigen
Körperschaften gab es allerdings in den letzten Jahren kaum noch, teilweise
wurde die Biotonne sogar wieder abgeschafft (z. B. Stadt Schweinfurt). Die
Beweggründe für die Einführung der Biotonne lagen neben der Abfallvermeidung
oftmals in der Bestrebung, die Restabfallmengen zu reduzieren, um so hohe
Entsorgungskosten bzw. knapp werdendes Deponievolumen einzusparen.
Parallel zur Einführung der Biotonne etablierte
sich die Kompostierung als Verwertungsschiene für Bioabfälle. In Zeiten der
Energiewende haben sich die Ansprüche an eine nachhaltige Bioabfallverwertung
weiter entwickelt. Heute laufen die Bestrebungen in Richtung der umfassenden
Nutzung der im Bioabfall enthaltenen Potenziale aus stofflicher und
energetischer Sicht. Daher wurde in den vergangenen 10 Jahren die kombinierte
energetische und stoffliche Nutzung von Bioabfällen, die sogenannte
Kaskadennutzung von Bioabfällen, entwickelt und vorangetrieben (z. B. Anlage
zur Vergärung von biologischen Abfällen in Rehau).
Quelle:
bifa/AU-Consult –Teilgutachten Lkrs. Coburg S. 8
2. Stand der Bioabfallerfassung in Bayern
In Bayern bieten 82 von 96 entsorgungspflichtigen
Körperschaften die Biotonne an. Nach Angaben der Abfallbilanz Bayern 2019 sind
ca. 85 % der Einwohner in den Städten und Landkreisen an die Biotonne
angeschlossen. Bayernweit wurden in 2019 ca. 56,5 kg/(Ew*a) Bioabfälle
über die Biotonne erfasst.
Durch Eigenkompostierung entsteht wertvoller
Kompost, der im Garten zur Bodenverbesserung beitragen und als Dünger verwendet
werden kann. Nicht nur, dass dadurch der Einsatz von mineralischen Düngern und
torfhaltigen Pflanzenerden verringert werden kann, die Eigenkompostierung ist
auch ein wichtiges Mittel zur Verminderung des Gesamtabfallaufkommens, an dem
Grüngut und Bioabfälle einen großen Anteil haben.
Obwohl eine getrennte Sammlung von Bioabfällen seit
dem 1. Januar 2015 auf Grundlage von § 11 KrWG verpflichtend ist, nahm die
Anzahl der Körperschaften mit Holsystem für Bioabfälle seit 2017 nicht mehr zu.
Neben den in der Biotonne gesammelten Abfällen
zählt auch das separat erfasste Grüngut zur Fraktion der Bioabfälle. Für die
Erfassung von Grüngut sind in Bayern überwiegend Bringsysteme eingerichtet. 95
von 95 entsorgungspflichtigen Körperschaften bieten entsprechende Sammelstellen
an. 2019 wurden je Einwohner 92,1 kg Grüngut erfasst, davon sind ca. 77,1
kg/(Ew/a) aus Hausgärten und 15,0 kg/(Ew/a) aus der kommunalen
Grünflächenpflege.
Übersicht
über Sammelsysteme für Bioabfälle in Bayern
Quelle:
Abfallbilanz Bayern 2019
3. Die Rahmenbedingungen
Nach § 11 Abs. 1 KrWG sind Bioabfälle spätestens ab
01.01.2015 getrennt zu erfassen. Dabei sind diejenigen Bioabfälle, die gemäß §
17 Abs. 1 S. 1 KrWG einer Überlassungspflicht gegenüber dem
öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger unterliegen, unter dem Vorbehalt der
technischen Möglichkeit und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit getrennt zu
erfassen und zu recyceln. Der Vorrang der stofflichen Verwertungspflicht
entfällt dann, wenn die energetische Verwertung dem besseren Schutz von Mensch
und Umwelt dient. Dies gilt es jedoch mittels Lebenszyklusanalyse der
Erfassungs- und Verwertungswege nachzuweisen.
Die technische Möglichkeit ist auf Grund geeigneter
technischer Behandlungsverfahren als auch vorhandener Behandlungskapazitäten in
entsprechenden Anlagen gegeben. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit wird momentan
sehr kontrovers diskutiert. Letztlich ist es eine Entscheidung des Landkreises
Coburg auf Basis der im Gutachten erarbeiteten Entscheidungsgrundlagen für die
Einzelsituation des Landkreises. Weitere Konkretisierungen von Seiten des
Bundes oder des Landes in Form von Verordnungen sind nicht zu erwarten. Von der
ursprünglich angedachten Festlegung von Kriterien wie Erfassungsmengen,
Organikanteil im Restabfall oder Anschlussgrade auf Basis des
Forschungsvorhabens „Verpflichtende Umsetzung der Getrenntsammlung von
Bioabfällen“ im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit wird Abstand genommen, da die Einflussfaktoren vielfältig
sind und bei den Gebietskörperschaften im Bundesgebiet sehr unterschiedlich
zusammengesetzt sind und wirken. Daher wird es von Seiten des Bundes nur
Handlungsempfehlungen geben. Die Entscheidung über die Art der getrennten
Erfassung verbleibt beim öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger.
4. Option flächendeckende Biotonne
Es gibt zwei Möglichkeiten: Holsystem oder
Bringsystem
Die Bewertung der ökologischen Sinnhaftigkeit einer
Erfassung von Bioabfällen über Hol- bzw. Bringsysteme sind im Gutachten
dargestellt. Mit umfangreichen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass mit
einer zusätzlichen Biotonne nur ein sehr geringer weiterer ökologischer Vorteil
erreicht werden könnte und dass dafür unverhältnismäßig hohe Kosten anfallen
würden. (bifa/AU-Consult Teilgutachten S. 54 und 55 wurde eine ökologische
Verbesserung der IST-Situation (2 bis 4%) erreicht; eine Biotonne mit
ganzjähriger 14-tägiger Abfuhr wäre mit zusätzlichen Kosten von ca. (25,3 bis
47,0%) der derzeitigen Müllgebühr verbunden).
Unter diesen Umständen ist eine zusätzliche
Biotonne wirtschaftlich nicht zumutbar.
5. Organik aus der separaten Grünguterfassung zzgl.
Auswirkung Biotonne (BT)
Quelle: Gutachten
S. 10
6. Handlungsoptionen für den Landkreis Coburg
6.1. Biotonne im Holsystem
Im Holsystem entstehen nach dem Gutachten für den
Landkreis Coburg Kosten von insgesamt ca. 500.000 € – 760.000 €. ( Quelle: Gutachten
S. 5). Im Verhältnis zum gesamten Haushaltsvolumen der Abfallwirtschaft, das
bis Ende 2021 bei ca. 4 Mio. €/a liegt, bedeutet dies einen Anteil von rund 15
% (Quelle: Gutachten S. 5). Bezogen auf die aktuellen Entsorgungsgebühren
würden Erhöhungen in einer Größenordnung von rund 25% bei wöchentlicher Abfuhr
erforderlich oder ca. 7 € / Kopf und Jahr. Dies erscheint im Verhältnis zu den
bisherigen Gebühren zu hoch.
Die Studie des bifa – Umweltinstitutes und der Fa.
AU –Consult ergab für die IST-Situation, dass eine Biotonne, unabhängig von der
gewählten Umsetzungsvariante, nur einen geringen ökologischen Vorteil von 2 bis
4% bringt.
(Quelle: Gutachten
S. 54)
Ein zusätzliches Holsystem wäre deshalb unter
Umweltaspekten nicht eindeutig die beste Entsorgungsoption und würde zu keiner
wesentlich hochwertigeren Verwertung der Bioabfälle als die heutige Situation
führen. Die Ökobilanz orientiert sich an den dafür gültigen Normen und den
Empfehlungen des Umweltbundesamtes.
6.2. Bioabfallerfassung im Bringsystem
Seit 2015 besteht die Möglichkeit im Landkreis
Coburg, Bioabfälle im Bringsystem an allen 14 Wertstoffhöfen anzuliefern. Die
Biotonnen sind dort etabliert. Es wird eine Jahresmenge von 20 bis 25 Tonnen
pro Kalenderjahr gesammelt.
Damit ist eine gewisse Flächendeckung vorhanden.
Die Bevölkerung kann organische Abfälle gemeinsam mit anderen Wertstoffen
anliefern.
Aufgrund des Sammelsystems und der Größe der
Sammelbehälter ist eine Entsorgung von Gartenabfällen ausgeschlossen. Vorteil
ist also, dass bereits vorhandene Entsorgungswege, wie Eigenkompostierung und
die Anlieferung von Grüngut an den Kompostplätzen, durch ein Bringsystem für
Bioabfälle nicht beeinflusst werden.
Die Möglichkeit auf vorhandene Dienstleister
zuzugreifen ist ohne großen Vergabeaufwand in dieser Größenordnung möglich.
Fachfirmen bieten geeignete Behältersysteme (240 Liter oder 1,1m³) an.
Das Bringsystem der Bevölkerung anzubieten, erfüllt
derzeit die rechtlichen Vorgaben.
Die Bioabfallerfassung im Bringsystem beinhaltet
derzeit:
·
Zusammenarbeit
mit einer Fachfirma ·
Behältergestellung,
Transport, Reinigung und Verwertung ·
Bioabfallerfassung
an allen 14 Wertstoffhöfen ·
Abfuhrrhythmus
1 x wöchentlich ·
Menge:
20 - 25 Tonnen pro Jahr
Die Kosten durch die Nutzung der Biotonne im
Bringsystem, auf den 14 Wertstoffhöfen im Landkreis Coburg, teilen sich wie
folgt auf:
·
Ausstattung mit mindestens einer 240 Liter Biotonne
bei wöchentlicher Entleerung.
·
Kosten von ca. 5.000 €/Jahr bei einer Erfassung von
20 bis 25 Tonnen/Jahr.
6.3. Neben der
Biotonne gibt es die dezentrale Bioabfallentsorgung für Gartenabfälle
Im Jahr 2020 hat
die Firma Panzer im Auftrag des Landkreises Coburg 20.300 Tonnen Bioabfall
verarbeitet. Neun Abladestellen und sechs Container-Standorte stehen den
Bürgern zur Verfügung.
Abzüglich der
kommunalen und gewerblichen Anliefermengen sind das pro Landkreisbürger ca. 200
kg/Jahr, etwas mehr als das Haus- und Sperrmüllaufkommen pro Kopf und Jahr.
Bayernweit bedeutet das den Spitzenplatz, auch ohne Biotonne im Holsystem.
Zerkleinert und
gesiebt entsteht ein Gemisch aus Erde und Holzstücken mit einem Endgewicht von
ca. 7.500 Tonnen. Hergestellt werden Komposterden verschiedener Qualitäten und
Brennmaterial zur energetischen Nutzung in zugelassenen Biomassekraftwerken.
Der Kompost wird zum Großteil an landwirtschaftliche Betriebe in der Region
abgegeben. Auch Endverbraucher können Kompost käuflich erwerben. Störstoffe,
wie Mikroplastik sind in diesem Produkt praktisch nicht nachweisbar. Der feine
Kompost ist qualitätsgesichert nach den Güte- und Prüfanforderungen der
„Bundesgütegemeinschaft Kompost“ und trägt das Gütezeichen RAL-GZ 251.
Hauptnährstoffe sind Stickstoff (N), Phosphor (P)und Kalium (K).
Die Kosten für Sammlung und Verarbeitung sind in
den Müllgebühren enthalten.
7. Rechtliche Beurteilung
Nach den vorliegenden Ergebnissen bringt die zusätzliche
Sammlung der Bioabfälle, unabhängig von der gewählten Umsetzungsvarianten, nur
einen geringen weiteren ökologischen Vorteil. Sie wäre damit nicht die
eindeutig beste Entsorgungsoption im Sinne von § 8 Abs. 1 und §11 Abs. 1 KrWG und würde auch zu keiner
wesentlich hochwertigeren Verwertung der Bioabfälle als die heutige Situation
führen. Den geringen ökologischen Vorteilen einer Biomüllerfassung im Holsystem
würden Mehrkosten (gem. Punkt 4 und 6.1.) und höhere Gebühren für die Nutzer
gegenüber stehen. Mit dem von den Aufsichtsbehörden vorgeschlagenem Bringsystem
würde man die Mindestanforderung der rechtlichen Vorgaben erfüllen.
Der Umweltausschuss muss auf der Grundlage der
vorliegenden Untersuchungen, insbesondere der Ökobilanz und der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung
eine Entscheidung darüber treffen, ob unter Berücksichtigung des aktuellen
Entsorgungskonzepts des Landkreises Coburg Bioabfälle weiterhin im Bringsystem
an den Wertstoffhöfen gesammelt werden oder ein Holsystem eingeführt werden
soll.
8. Empfehlung und weiteres Vorgehen
Das Bayerische
Staatministerium für Umwelt und Verbraucherschutz und das Bayerische Landesamt
für Umwelt vertreten die Meinung, dass die öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger gesetzlich verpflichtet sind, die Bioabfälle getrennt zu
sammeln, zumindest mit einem Bringsystem.
Im Landkreis
Coburg wird mit den Grünabfällen bereits ein großer Teil der Bioabfälle
getrennt gesammelt und hochwertig verwertet. Die durchgeführten Untersuchungen
haben ergeben, dass die zusätzliche Sammlung von Bioabfällen, unabhängig von
der gewählten Umsetzungsvariante, zu keiner wesentlich hochwertigeren
Verwertung der Bioabfälle gegenüber der derzeitigen Situation führen würde.