Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 12, Nein: 1

Beschluss:

 

Die Erfassung von Bioabfällen soll weiterhin an den Wertstoffhöfen des Landkreises Coburg im Bringsystem erfolgen. Diese Regelung soll bis zu einer rechtlichen Änderung Anwendung finden.

 

 


Sachverhalt:

 

1.    Entwicklung der Bioabfallerfassung

 

In der Sitzung am 19.11.2015 wurde vom Ausschuss für Umwelt, Energie und Mobilität folgender Beschluss gefasst:

„Die Erfassung von Bioabfällen wird an den Wertstoffhöfen des Landkreises Coburg im Bringsystem zunächst über einen Zeitraum von 2 Jahren der Bevölkerung angeboten, um dadurch weitere Erfahrungen zu sammeln (Testphase).

 

Die Testphase wird bis heute praktiziert und umgesetzt. Unter Punkt 6.2. wird näher darauf eingegangen.

Im Jahr 2021 erfolgte mit interessierten Bürgern ein reger Austausch zum Thema Biotonne. Diese stellten der Verwaltung eine Ausarbeitung vor, die für eine Einführung des Holsystems der Biotonne sprechen würde.

 

Die Bioabfallsammlung über die Biotonne wurde in vielen Kommunen von Beginn bis Mitte der 1990er Jahre eingeführt. Bis 1997 war die Biotonne in Deutschland bereits in über 330 Verwaltungseinheiten (von 419) eingeführt. Weitere Bestrebungen in den verbleibenden entsorgungspflichtigen Körperschaften gab es allerdings in den letzten Jahren kaum noch, teilweise wurde die Biotonne sogar wieder abgeschafft (z. B. Stadt Schweinfurt). Die Beweggründe für die Einführung der Biotonne lagen neben der Abfallvermeidung oftmals in der Bestrebung, die Restabfallmengen zu reduzieren, um so hohe Entsorgungskosten bzw. knapp werdendes Deponievolumen einzusparen.

 

Parallel zur Einführung der Biotonne etablierte sich die Kompostierung als Verwertungsschiene für Bioabfälle. In Zeiten der Energiewende haben sich die Ansprüche an eine nachhaltige Bioabfallverwertung weiter entwickelt. Heute laufen die Bestrebungen in Richtung der umfassenden Nutzung der im Bioabfall enthaltenen Potenziale aus stofflicher und energetischer Sicht. Daher wurde in den vergangenen 10 Jahren die kombinierte energetische und stoffliche Nutzung von Bioabfällen, die sogenannte Kaskadennutzung von Bioabfällen, entwickelt und vorangetrieben (z. B. Anlage zur Vergärung von biologischen Abfällen in Rehau).

 

 

Quelle: bifa/AU-Consult –Teilgutachten Lkrs. Coburg S. 8

 

 

2.    Stand der Bioabfallerfassung in Bayern

 

In Bayern bieten 82 von 96 entsorgungspflichtigen Körperschaften die Biotonne an. Nach Angaben der Abfallbilanz Bayern 2019 sind ca. 85 % der Einwohner in den Städten und Landkreisen an die Biotonne angeschlossen. Bayernweit wurden in 2019 ca. 56,5 kg/(Ew*a) Bioabfälle über die Biotonne erfasst.

 

Durch Eigenkompostierung entsteht wertvoller Kompost, der im Garten zur Bodenverbesserung beitragen und als Dünger verwendet werden kann. Nicht nur, dass dadurch der Einsatz von mineralischen Düngern und torfhaltigen Pflanzenerden verringert werden kann, die Eigenkompostierung ist auch ein wichtiges Mittel zur Verminderung des Gesamtabfallaufkommens, an dem Grüngut und Bioabfälle einen großen Anteil haben.

 

Obwohl eine getrennte Sammlung von Bioabfällen seit dem 1. Januar 2015 auf Grundlage von § 11 KrWG verpflichtend ist, nahm die Anzahl der Körperschaften mit Holsystem für Bioabfälle seit 2017 nicht mehr zu.

 

Neben den in der Biotonne gesammelten Abfällen zählt auch das separat erfasste Grüngut zur Fraktion der Bioabfälle. Für die Erfassung von Grüngut sind in Bayern überwiegend Bringsysteme eingerichtet. 95 von 95 entsorgungspflichtigen Körperschaften bieten entsprechende Sammelstellen an. 2019 wurden je Einwohner 92,1 kg Grüngut erfasst, davon sind ca. 77,1 kg/(Ew/a) aus Hausgärten und 15,0 kg/(Ew/a) aus der kommunalen Grünflächenpflege.

 

 

Übersicht über Sammelsysteme für Bioabfälle in Bayern

Quelle: Abfallbilanz Bayern 2019

 

3.    Die Rahmenbedingungen

 

Nach § 11 Abs. 1 KrWG sind Bioabfälle spätestens ab 01.01.2015 getrennt zu erfassen. Dabei sind diejenigen Bioabfälle, die gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG einer Überlassungspflicht gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger unterliegen, unter dem Vorbehalt der technischen Möglichkeit und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit getrennt zu erfassen und zu recyceln. Der Vorrang der stofflichen Verwertungspflicht entfällt dann, wenn die energetische Verwertung dem besseren Schutz von Mensch und Umwelt dient. Dies gilt es jedoch mittels Lebenszyklusanalyse der Erfassungs- und Verwertungswege nachzuweisen.

 

Die technische Möglichkeit ist auf Grund geeigneter technischer Behandlungsverfahren als auch vorhandener Behandlungskapazitäten in entsprechenden Anlagen gegeben. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit wird momentan sehr kontrovers diskutiert. Letztlich ist es eine Entscheidung des Landkreises Coburg auf Basis der im Gutachten erarbeiteten Entscheidungsgrundlagen für die Einzelsituation des Landkreises. Weitere Konkretisierungen von Seiten des Bundes oder des Landes in Form von Verordnungen sind nicht zu erwarten. Von der ursprünglich angedachten Festlegung von Kriterien wie Erfassungsmengen, Organikanteil im Restabfall oder Anschlussgrade auf Basis des Forschungsvorhabens „Verpflichtende Umsetzung der Getrenntsammlung von Bioabfällen“ im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit wird Abstand genommen, da die Einflussfaktoren vielfältig sind und bei den Gebietskörperschaften im Bundesgebiet sehr unterschiedlich zusammengesetzt sind und wirken. Daher wird es von Seiten des Bundes nur Handlungsempfehlungen geben. Die Entscheidung über die Art der getrennten Erfassung verbleibt beim öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger.

 

 

 

4.    Option flächendeckende Biotonne

 

Es gibt zwei Möglichkeiten: Holsystem oder Bringsystem

 

Die Bewertung der ökologischen Sinnhaftigkeit einer Erfassung von Bioabfällen über Hol- bzw. Bringsysteme sind im Gutachten dargestellt. Mit umfangreichen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass mit einer zusätzlichen Biotonne nur ein sehr geringer weiterer ökologischer Vorteil erreicht werden könnte und dass dafür unverhältnismäßig hohe Kosten anfallen würden. (bifa/AU-Consult Teilgutachten S. 54 und 55 wurde eine ökologische Verbesserung der IST-Situation (2 bis 4%) erreicht; eine Biotonne mit ganzjähriger 14-tägiger Abfuhr wäre mit zusätzlichen Kosten von ca. (25,3 bis 47,0%) der derzeitigen Müllgebühr verbunden).

 

Unter diesen Umständen ist eine zusätzliche Biotonne wirtschaftlich nicht zumutbar.

 

 

5.    Organik aus der separaten Grünguterfassung zzgl. Auswirkung Biotonne (BT)

 

 

Quelle: Gutachten S. 10

 

6.    Handlungsoptionen für den Landkreis Coburg

 

6.1. Biotonne im Holsystem

 

Im Holsystem entstehen nach dem Gutachten für den Landkreis Coburg Kosten von insgesamt ca. 500.000 € – 760.000 €. ( Quelle: Gutachten S. 5). Im Verhältnis zum gesamten Haushaltsvolumen der Abfallwirtschaft, das bis Ende 2021 bei ca. 4 Mio. €/a liegt, bedeutet dies einen Anteil von rund 15 % (Quelle: Gutachten S. 5). Bezogen auf die aktuellen Entsorgungsgebühren würden Erhöhungen in einer Größenordnung von rund 25% bei wöchentlicher Abfuhr erforderlich oder ca. 7 € / Kopf und Jahr. Dies erscheint im Verhältnis zu den bisherigen Gebühren zu hoch.

 

Die Studie des bifa – Umweltinstitutes und der Fa. AU –Consult ergab für die IST-Situation, dass eine Biotonne, unabhängig von der gewählten Umsetzungsvariante, nur einen geringen ökologischen Vorteil von 2 bis 4% bringt.

(Quelle: Gutachten S. 54)

 

Ein zusätzliches Holsystem wäre deshalb unter Umweltaspekten nicht eindeutig die beste Entsorgungsoption und würde zu keiner wesentlich hochwertigeren Verwertung der Bioabfälle als die heutige Situation führen. Die Ökobilanz orientiert sich an den dafür gültigen Normen und den Empfehlungen des Umweltbundesamtes.

 

6.2. Bioabfallerfassung im Bringsystem

 

Seit 2015 besteht die Möglichkeit im Landkreis Coburg, Bioabfälle im Bringsystem an allen 14 Wertstoffhöfen anzuliefern. Die Biotonnen sind dort etabliert. Es wird eine Jahresmenge von 20 bis 25 Tonnen pro Kalenderjahr gesammelt.

Damit ist eine gewisse Flächendeckung vorhanden. Die Bevölkerung kann organische Abfälle gemeinsam mit anderen Wertstoffen anliefern.

Aufgrund des Sammelsystems und der Größe der Sammelbehälter ist eine Entsorgung von Gartenabfällen ausgeschlossen. Vorteil ist also, dass bereits vorhandene Entsorgungswege, wie Eigenkompostierung und die Anlieferung von Grüngut an den Kompostplätzen, durch ein Bringsystem für Bioabfälle nicht beeinflusst werden.

 

Die Möglichkeit auf vorhandene Dienstleister zuzugreifen ist ohne großen Vergabeaufwand in dieser Größenordnung möglich. Fachfirmen bieten geeignete Behältersysteme (240 Liter oder 1,1m³) an.

 

Das Bringsystem der Bevölkerung anzubieten, erfüllt derzeit die rechtlichen Vorgaben.

 

Die Bioabfallerfassung im Bringsystem beinhaltet derzeit:

 

·         Zusammenarbeit mit einer Fachfirma

·         Behältergestellung, Transport, Reinigung und Verwertung

·         Bioabfallerfassung an allen 14 Wertstoffhöfen

·         Abfuhrrhythmus 1 x wöchentlich

·         Menge: 20 - 25 Tonnen pro Jahr

 

 
 


 

Die Kosten durch die Nutzung der Biotonne im Bringsystem, auf den 14 Wertstoffhöfen im Landkreis Coburg, teilen sich wie folgt auf:

 

·                                                                                                                                                                                                                                                     Ausstattung mit mindestens einer 240 Liter Biotonne bei wöchentlicher Entleerung.

 

·                                                                                                                                                                                                                                                     Kosten von ca. 5.000 €/Jahr bei einer Erfassung von 20 bis 25 Tonnen/Jahr.

 

 

6.3. Neben der Biotonne gibt es die dezentrale Bioabfallentsorgung für Gartenabfälle

 

Im Jahr 2020 hat die Firma Panzer im Auftrag des Landkreises Coburg 20.300 Tonnen Bioabfall verarbeitet. Neun Abladestellen und sechs Container-Standorte stehen den Bürgern zur Verfügung.

Abzüglich der kommunalen und gewerblichen Anliefermengen sind das pro Landkreisbürger ca. 200 kg/Jahr, etwas mehr als das Haus- und Sperrmüllaufkommen pro Kopf und Jahr. Bayernweit bedeutet das den Spitzenplatz, auch ohne Biotonne im Holsystem.

Zerkleinert und gesiebt entsteht ein Gemisch aus Erde und Holzstücken mit einem Endgewicht von ca. 7.500 Tonnen. Hergestellt werden Komposterden verschiedener Qualitäten und Brennmaterial zur energetischen Nutzung in zugelassenen Biomassekraftwerken. Der Kompost wird zum Großteil an landwirtschaftliche Betriebe in der Region abgegeben. Auch Endverbraucher können Kompost käuflich erwerben. Störstoffe, wie Mikroplastik sind in diesem Produkt praktisch nicht nachweisbar. Der feine Kompost ist qualitätsgesichert nach den Güte- und Prüfanforderungen der „Bundesgütegemeinschaft Kompost“ und trägt das Gütezeichen RAL-GZ 251. Hauptnährstoffe sind Stickstoff (N), Phosphor (P)und Kalium (K).

 

Die Kosten für Sammlung und Verarbeitung sind in den Müllgebühren enthalten.

 

7.    Rechtliche Beurteilung

 

Nach den vorliegenden Ergebnissen bringt die zusätzliche Sammlung der Bioabfälle, unabhängig von der gewählten Umsetzungsvarianten, nur einen geringen weiteren ökologischen Vorteil. Sie wäre damit nicht die eindeutig beste Entsorgungsoption im Sinne von § 8 Abs. 1 und §11  Abs. 1 KrWG und würde auch zu keiner wesentlich hochwertigeren Verwertung der Bioabfälle als die heutige Situation führen. Den geringen ökologischen Vorteilen einer Biomüllerfassung im Holsystem würden Mehrkosten (gem. Punkt 4 und 6.1.) und höhere Gebühren für die Nutzer gegenüber stehen. Mit dem von den Aufsichtsbehörden vorgeschlagenem Bringsystem würde man die Mindestanforderung der rechtlichen Vorgaben erfüllen.

 

Der Umweltausschuss muss auf der Grundlage der vorliegenden Untersuchungen, insbesondere der Ökobilanz und der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung eine Entscheidung darüber treffen, ob unter Berücksichtigung des aktuellen Entsorgungskonzepts des Landkreises Coburg Bioabfälle weiterhin im Bringsystem an den Wertstoffhöfen gesammelt werden oder ein Holsystem eingeführt werden soll.

 

8.    Empfehlung und weiteres Vorgehen

 

Das Bayerische Staatministerium für Umwelt und Verbraucherschutz und das Bayerische Landesamt für Umwelt vertreten die Meinung, dass die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gesetzlich verpflichtet sind, die Bioabfälle getrennt zu sammeln, zumindest mit einem Bringsystem.

 

Im Landkreis Coburg wird mit den Grünabfällen bereits ein großer Teil der Bioabfälle getrennt gesammelt und hochwertig verwertet. Die durchgeführten Untersuchungen haben ergeben, dass die zusätzliche Sammlung von Bioabfällen, unabhängig von der gewählten Umsetzungsvariante, zu keiner wesentlich hochwertigeren Verwertung der Bioabfälle gegenüber der derzeitigen Situation führen würde.