Sitzung: 11.02.2021 Kreis- und Strategieausschuss
Beschluss: mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 7, Nein: 6
Vorlage: 229/2020
Beschluss:
Der Landkreis
Coburg erkennt für den Schienenlückenschluss über die ehemalige Werrabahn die
Reaktivierungskriterien des Freistaates Bayern vorbehaltlos an, diese lauten
wie folgt:
1.
Eine
Prognose, die vom Freistaat Bayern anerkannt wird, ergibt, dass eine Nachfrage
von mehr als 1.000 Reisende pro Werktag zu erwarten ist (1.000
Reisenden-Kilometer pro Kilometer betriebener Strecke).
2.
Die
Infrastruktur wird ohne Zuschuss des Freistaats in einen Zustand versetzt, der
einen attraktiven Zugverkehr ermöglicht.
3.
Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen
(EIU) ist bereit, die Strecke und die Stationen dauerhaft zu betreiben und
berechnet hierfür Infrastrukturkosten, die das Niveau vergleichbarer Infrastruktur
der Deutschen Bahn nicht übersteigen.
4.
Die ÖPNV-Aufgabenträger
müssen sich vertraglich verpflichten, ein mit dem Freistaat Bayern abgestimmtes
Buskonzept im Bereich der Reaktivierungsstrecke umzusetzen.
Insbesondere die
notwendige Anpassung des Nahverkehrskonzeptes wird im Falle einer Reaktivierung
verbindlich zugesichert.
Sachverhalt:
Aufgrund des
sachlichen Zusammenhangs empfiehlt sich die Behandlung der Tagesordnungspunkte Ö 7 und Ö 8 unter
einem Tagesordnungspunkt. Die Beschlussfassung erfolgt getrennt unter dem
jeweiligen Punkt der Tagesordnung.
Das Thema
„Schienenlückenschluss Region Coburg – Südthüringen ist eines der großen
Verkehrsthemen des gesamten Raumes seit der Grenzöffnung. Viele Anläufe wurden
unternommen, Ideen vorgebracht und wieder verworfen. Die Idee des
Schienenlückenschlusses trifft auf beiden Seiten der Landesgrenze auf
Befürworter wie auf Gegner. Eine einheitliche Linie ist schwer zu finden.
Auch der Kreistag
des Landkreises Coburg hat sich mit dem „Schienenlückenschluss“ mehrfach
befasst. Am 26.07.2018 wurde folgender Beschluss gefasst:
„Der Landkreis
Coburg begrüßt die Initiative des Freistaats Thüringen, Vorbereitungen zu einem
Raumordnungsverfahren aufzunehmen.
Der Freistaat
Bayern wird aufgefordert, die Initiative des Freistaats Thüringens mitzutragen
und eigene Mittel für die Planungen bereitzustellen.
Begleitend zu der
standardmäßigen Öffentlichkeitsbeteiligung eines Raumordnungsverfahrens soll
eine Lenkungsgruppe mit den verschiedenen Interessensgruppen (Kommunen,
Fahrgastverbände, Bauernverband etc.) eingerichtet werden, um eine vollständige
Interessensabwägung frühzeitig zu gewährleisten.“
Auf Grundlage des
Beschlusses hat sich Landrat Michael Busch, gemeinsam mit OB Norbert Tessmer,
Präsident der IHK zu Coburg, Friedrich Herdan und Gerd Weibelzahl Vorsitzender
VCD Coburg, schriftlich an die zuständige Staatsministerin Ilse Aigner gewandt
und darum gebeten das Raumordnungsverfahren mitzufinanzieren. Eine Antwort auf
diese Bitte ist nicht erfolgt.
Auf spätere
telefonische Nachfrage ist ermittelt worden, dass das Land Thüringen bereit
ist, mit zu finanzieren, die Planungsinitiative jedoch vom Freistaat Bayern
ausgehen müsse. Der Freistaat Bayern verwies darauf, dass die Aufnahme in den
Bundesverkehrswegeplan abgelehnt wurde und kein Infrastrukturbetreiber (z.B.
DB-Netz AG) vorhanden ist. Insoweit besteht keine Bereitschaft, das
Raumordnungsverfahren einzuleiten.
Der Kreis- und
Strategieausschuss hat sich am 28.05.2020 in öffentlicher Sitzung mit einem
Antrag von Kreisrat Thomas Kreisler – „Raumordnungsverfahren Bahnlückenschluss
Coburg-Südthürigen“ – befasst.
Der
Beschlussvorschlag zur Einforderung einer Planung für den Bahnlückenschluss bei
der Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr, als Grundlage für ein
Raumordnungsverfahren, wurde mit 1 zu 12 Stimmen deutlich abgelehnt.
Die Ablehnung
erfolgte im Wesentlichen aufgrund des unveränderten Sachverhalts zum Beschluss
aus dem Jahr 2018. Zur Aktualisierung des Sachverhaltes wurde am 08.07.2020 von
Landrat Sebastian Straubel ein Schreiben an die zuständige Ministerin gesandt,
die Antwort erfolgte am 18.08.2020.
Damit bleibt
weiterhin festzustellen, dass der Bund, der gemäß grundgesetzlicher Regelung
für die Finanzierung der Schieneninfrastruktur und damit auch für einen
möglichen Schienenlückenschluss zuständig wäre, eine Aufnahme in den
Bundesverkehrswegeplan 2030 mangels Wirtschaftlichkeit relativ rasch abgelehnt
hat. Eine Finanzierung eines Projektes aus Bundesmitteln ist damit zumindest
bis zum Jahr 2030 nicht möglich.
Der Freistaat
Bayern steht einer sinnvollen Ergänzung des Schienennetzes, die zur
wünschenswerten Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die Schiene führt
grundsätzlich sehr offen gegenüber.
Dabei steht die Staatsregierung der Reaktivierung stillgelegter
Eisenbahnstrecken für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) grundsätzlich
aufgeschlossen gegenüber, sofern die Reaktivierung sinnvoll und möglich ist.
Der Begriff
„Reaktivierung“ ist in der Region zwangsläufig mit der sog. „Werrabahn“ durch
das Lautertal verbunden. Nachdem auch diese Strecke faktisch nicht mehr
existiert, ist auch hier von einem Neubau zu sprechen. Ein Neubau dieser
Größenordnung kann zwangsläufig nur im Rahmen eines Raumordnungsverfahrens
realisiert werden. In diesem Zuge können dann die alternativen Trassenverläufe,
z. B. über Meeder und Bad Rodach geprüft werden. Somit kann am Ende der
„Reaktivierung“ tatsächlich der Neubau auf einer völlig neuen Strecke stehen,
dies kann jedoch nicht der Anstoß sein.
Erste Voraussetzung
für den Beginn des Reaktivierungsprozesses ist das Vorliegen positiver,
schriftlicher Gremienbeschlüsse zugunsten einer Reaktivierung der Strecke durch
die Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs. Dabei ist darzulegen,
dass die Anpassung des ÖPNV- Konzeptes an den Betrieb eines Schienenpersonennahverkehrs
(SPNV) einen verkehrlichen Gesamtnutzen für die Region zu erzielen vermag. Die
Staatsregierung besteht auf die Herstellung eines regionalen Konsenses, belegt
durch die Beschlüsse der ÖPNV- Aufgabenträger, die die Reaktivierungskriterien
vorbehaltlos anerkennen und die notwendige Anpassung des Nahverkehrskonzeptes
im Falle einer Reaktivierung verbindlich zusichern.
Laut Frau Marita
Nehring von der ARGE ÖPNV Stadt und Landkreis Coburg ist dieser Punkt für den
Landkreis als Träger des ÖPNV relativ unkritisch. Eine Anpassung an den
Schienenverkehr ist im ÖPNV als Zubringer zur Schiene ohne große Veränderungen
möglich. Der Eingriff in den ÖPNV wäre für die Stadt Coburg und die
Verkehrsbetriebe erheblich größer. Über diese Entwicklung muss sich jedoch die
Stadt Coburg im Klaren sein.
Bisher liegen die
entsprechenden Beschlüsse nicht vor. Die Stadt beabsichtigt, diese ebenfalls in
der Februar Sitzung des Stadtrates zu behandeln.
Erst nach Vorliegen
aller Beschlüsse mit vorbehaltloser Anerkennung der vier
Reaktivierungskriterien kann der Freistaat den Reaktivierungsprozess starten.
Erst im Anschluss
an die Beschlüsse
kann eine Potentialabschätzung durch die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG)
eingeleitet werden, diese wäre die Grundlage für alle weiteren Schritte.
Die vier
Reaktivierungskriterien des Freistaates Bayern lauten wie folgt:
1.
Eine
Prognose, die vom Freistaat Bayern anerkannt wird, ergibt, dass eine Nachfrage
von mehr als 1.000 Reisende pro Werktag zu erwarten ist (1.000
Reisenden-Kilometer pro Kilometer betriebener Strecke).
2.
Die
Infrastruktur wird ohne Zuschuss des Freistaats in einen Zustand versetzt, der
einen attraktiven Zugverkehr ermöglicht.
3.
Ein
Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) ist bereit, die Strecke und die
Stationen dauerhaft zu betreiben und berechnet hierfür Infrastrukturkosten, die
das Niveau vergleichbarer Infrastruktur der Deutschen Bahn nicht übersteigen.
4.
Die
ÖPNV-Aufgabenträger müssen sich vertraglich verpflichten, ein mit dem Freistaat
Bayern abgestimmtes Buskonzept im Bereich der Reaktivierungsstrecke umzusetzen.
Um diesen ganzen
Prozess proaktiv zu gestalten und mit zu begleiten, beabsichtigt die Industrie-
und Handelskammer zu Coburg die Bildung einer Interessensgemeinschaft zur
Realisierung des „Schienenlückenschlusses Coburg- Südthüringen“ die
Absichtserklärung zur Bildung der Interessensgemeinschaft ist dem Tagesordnungspunkt Ö 9 beigefügt.
Ziel der Interessensgemeinschaft ist es das Verfahren voranzubringen und die
Möglichkeiten der Einflussnahme wahrzunehmen.
In einem ersten
Schritt soll ggf. auch eine eigene Potentialabschätzung durch die IHK
beauftragt werden, die von den Planungsbehörden der Länder anerkannt wird. Die
Kosten dafür werden mit rd. 25.000 EUR beziffert. Eine Kostenbeteiligung aller
Unterzeichner der Absichtserklärung wäre wünschenswert, ist aber nicht zwingend
erforderlich.
Weitere Kosten aus
der Interessensgemeinschaft sollen nach aktueller Darstellung für die
Beteiligten nicht entstehen.
Ein Beitritt zur
Interessensgemeinschaft bzw. eine Unterzeichnung der Absichtserklärung macht
nur Sinn, wenn der Landkreis auch die Reaktivierungskriterien des Freistaates
Bayern anerkennt. Sollte dies nicht geschehen, kann die Interessengemeinschaft
ihre Ziele keinesfalls verwirklichen.
Deshalb ist dieser
Beschluss zuerst zu fassen. Im Falle einer Ablehnung ist ein Beitritt sinnlos.
Andererseits
könnten die Reaktivierungskriterien gefasst werden, ohne der
Interessensgemeinschaft beizutreten bzw. die Absicht zu erklären. Man würde
sich jedoch die Möglichkeiten der Mitsprache und ggf. der Einflussnahme
entziehen.