Beschluss:
Der Landkreis
Coburg erkennt für den Schienenlückenschluss über die ehemalige Werrabahn die
Reaktivierungskriterien des Freistaates Bayern vorbehaltlos an, diese lauten
wie folgt:
1.
Eine
Prognose, die vom Freistaat Bayern anerkannt wird, ergibt, dass eine Nachfrage
von mehr als 1.000 Reisende pro Werktag zu erwarten ist (1.000
Reisenden-Kilometer pro Kilometer betriebener Strecke).
2.
Die
Infrastruktur wird ohne Zuschuss des Freistaats in einen Zustand versetzt, der
einen attraktiven Zugverkehr ermöglicht.
3.
Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen
(EIU) ist bereit, die Strecke und die Stationen dauerhaft zu betreiben und
berechnet hierfür Infrastrukturkosten, die das Niveau vergleichbarer Infrastruktur
der Deutschen Bahn nicht übersteigen.
4.
Die ÖPNV-Aufgabenträger
müssen sich vertraglich verpflichten, ein mit dem Freistaat Bayern abgestimmtes
Buskonzept im Bereich der Reaktivierungsstrecke umzusetzen.
Insbesondere die
notwendige Anpassung des Nahverkehrskonzeptes wird im Falle einer Reaktivierung
verbindlich zugesichert.
Sachverhalt:
Aufgrund des sachlichen Zusammenhangs empfiehlt sich die Behandlung der Tagesordnungspunkte Ö 7 und Ö 8 unter
einem Tagesordnungspunkt. Die Beschlussfassung erfolgt getrennt unter dem
jeweiligen Punkt der Tagesordnung.
Das Thema „Schienenlückenschluss Region Coburg – Südthüringen ist eines
der großen Verkehrsthemen des gesamten Raumes seit der Grenzöffnung. Viele
Anläufe wurden unternommen, Ideen vorgebracht und wieder verworfen. Die Idee
des Schienenlückenschlusses trifft auf beiden Seiten der Landesgrenze auf
Befürworter wie auf Gegner. Eine einheitliche Linie ist schwer zu finden.
Auch der Kreistag des Landkreises Coburg hat sich mit dem
„Schienenlückenschluss“ mehrfach befasst. Am 26.07.2018 wurde folgender
Beschluss gefasst:
„Der Landkreis Coburg begrüßt die Initiative des Freistaats Thüringen,
Vorbereitungen zu einem Raumordnungsverfahren aufzunehmen.
Der Freistaat Bayern wird aufgefordert, die Initiative des Freistaats
Thüringens mitzutragen und eigene Mittel für die Planungen bereitzustellen.
Begleitend zu der standardmäßigen Öffentlichkeitsbeteiligung eines
Raumordnungsverfahrens soll eine Lenkungsgruppe mit den verschiedenen
Interessensgruppen (Kommunen, Fahrgastverbände, Bauernverband etc.)
eingerichtet werden, um eine vollständige Interessensabwägung frühzeitig zu
gewährleisten.“
Auf Grundlage des Beschlusses hat sich Landrat Michael Busch, gemeinsam
mit OB Norbert Tessmer, Präsident der IHK zu Coburg, Friedrich Herdan und Gerd
Weibelzahl Vorsitzender VCD Coburg, schriftlich an die zuständige
Staatsministerin Ilse Aigner gewandt und darum gebeten das
Raumordnungsverfahren mitzufinanzieren. Eine Antwort auf diese Bitte ist nicht
erfolgt.
Auf spätere telefonische Nachfrage ist ermittelt worden, dass das Land Thüringen
bereit ist, mit zu finanzieren, die Planungsinitiative jedoch vom Freistaat
Bayern ausgehen müsse. Der Freistaat Bayern verwies darauf, dass die Aufnahme
in den Bundesverkehrswegeplan abgelehnt wurde und kein Infrastrukturbetreiber
(z.B. DB-Netz AG) vorhanden ist. Insoweit besteht keine Bereitschaft, das
Raumordnungsverfahren einzuleiten.
Der Kreis- und Strategieausschuss hat sich am 28.05.2020 in öffentlicher
Sitzung mit einem Antrag von Kreisrat Thomas Kreisler – „Raumordnungsverfahren
Bahnlückenschluss Coburg-Südthürigen“ – befasst.
Der Beschlussvorschlag zur Einforderung einer Planung für den
Bahnlückenschluss bei der Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr, als
Grundlage für ein Raumordnungsverfahren, wurde mit 1 zu 12 Stimmen deutlich
abgelehnt.
Die Ablehnung erfolgte im Wesentlichen aufgrund des unveränderten
Sachverhalts zum Beschluss aus dem Jahr 2018. Zur Aktualisierung des
Sachverhaltes wurde am 08.07.2020 von Landrat Sebastian Straubel ein Schreiben
an die zuständige Ministerin gesandt, die Antwort erfolgte am 18.08.2020.
Damit bleibt weiterhin festzustellen, dass der Bund, der gemäß
grundgesetzlicher Regelung für die Finanzierung der Schieneninfrastruktur und
damit auch für einen möglichen Schienenlückenschluss zuständig wäre, eine
Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan 2030 mangels Wirtschaftlichkeit relativ
rasch abgelehnt hat. Eine Finanzierung eines Projektes aus Bundesmitteln ist
damit zumindest bis zum Jahr 2030 nicht möglich.
Der Freistaat Bayern steht einer sinnvollen Ergänzung des
Schienennetzes, die zur wünschenswerten Verlagerung von Verkehr von der Straße
auf die Schiene führt grundsätzlich sehr offen gegenüber.
Dabei steht die Staatsregierung der Reaktivierung stillgelegter
Eisenbahnstrecken für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) grundsätzlich
aufgeschlossen gegenüber, sofern die Reaktivierung sinnvoll und möglich ist.
Der Begriff „Reaktivierung“ ist in der Region zwangsläufig mit der sog.
„Werrabahn“ durch das Lautertal verbunden. Nachdem auch diese Strecke faktisch
nicht mehr existiert, ist auch hier von einem Neubau zu sprechen. Ein Neubau
dieser Größenordnung kann zwangsläufig nur im Rahmen eines
Raumordnungsverfahrens realisiert werden. In diesem Zuge können dann die
alternativen Trassenverläufe, z. B. über Meeder und Bad Rodach geprüft werden.
Somit kann am Ende der „Reaktivierung“ tatsächlich der Neubau auf einer völlig
neuen Strecke stehen, dies kann jedoch nicht der Anstoß sein.
Erste Voraussetzung für den Beginn des Reaktivierungsprozesses ist das
Vorliegen positiver, schriftlicher Gremienbeschlüsse zugunsten einer
Reaktivierung der Strecke durch die Aufgabenträger des öffentlichen
Personennahverkehrs. Dabei ist darzulegen, dass die Anpassung des ÖPNV-
Konzeptes an den Betrieb eines Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) einen
verkehrlichen Gesamtnutzen für die Region zu erzielen vermag. Die
Staatsregierung besteht auf die Herstellung eines regionalen Konsenses, belegt
durch die Beschlüsse der ÖPNV- Aufgabenträger, die die Reaktivierungskriterien
vorbehaltlos anerkennen und die notwendige Anpassung des Nahverkehrskonzeptes
im Falle einer Reaktivierung verbindlich zusichern.
Laut Frau Marita Nehring von der ARGE ÖPNV Stadt und Landkreis Coburg
ist dieser Punkt für den Landkreis als Träger des ÖPNV relativ unkritisch. Eine
Anpassung an den Schienenverkehr ist im ÖPNV als Zubringer zur Schiene ohne
große Veränderungen möglich. Der Eingriff in den ÖPNV wäre für die Stadt Coburg
und die Verkehrsbetriebe erheblich größer. Über diese Entwicklung muss sich
jedoch die Stadt Coburg im Klaren sein.
Bisher liegen die entsprechenden Beschlüsse nicht vor. Die Stadt
beabsichtigt, diese ebenfalls in der Februar Sitzung des Stadtrates zu
behandeln.
Erst nach Vorliegen aller Beschlüsse mit vorbehaltloser Anerkennung der
vier Reaktivierungskriterien kann der Freistaat den Reaktivierungsprozess
starten. Erst im Anschluss
an die Beschlüsse kann eine Potentialabschätzung durch die Bayerische
Eisenbahngesellschaft (BEG) eingeleitet werden, diese wäre die Grundlage für
alle weiteren Schritte.
Die vier Reaktivierungskriterien des Freistaates Bayern lauten wie
folgt:
1.
Eine
Prognose, die vom Freistaat Bayern anerkannt wird, ergibt, dass eine Nachfrage
von mehr als 1.000 Reisende pro Werktag zu erwarten ist (1.000
Reisenden-Kilometer pro Kilometer betriebener Strecke).
2.
Die
Infrastruktur wird ohne Zuschuss des Freistaats in einen Zustand versetzt, der
einen attraktiven Zugverkehr ermöglicht.
3.
Ein
Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) ist bereit, die Strecke und die
Stationen dauerhaft zu betreiben und berechnet hierfür Infrastrukturkosten, die
das Niveau vergleichbarer Infrastruktur der Deutschen Bahn nicht übersteigen.
4.
Die
ÖPNV-Aufgabenträger müssen sich vertraglich verpflichten, ein mit dem Freistaat
Bayern abgestimmtes Buskonzept im Bereich der Reaktivierungsstrecke umzusetzen.
Um diesen ganzen Prozess proaktiv zu gestalten und mit zu begleiten,
beabsichtigt die Industrie- und Handelskammer zu Coburg die Bildung einer
Interessensgemeinschaft zur Realisierung des „Schienenlückenschlusses Coburg-
Südthüringen“ die Absichtserklärung zur Bildung der Interessensgemeinschaft ist
dem Tagesordnungspunkt Ö 9
beigefügt. Ziel der Interessensgemeinschaft ist es das Verfahren voranzubringen
und die Möglichkeiten der Einflussnahme wahrzunehmen.
In einem ersten Schritt soll ggf. auch eine eigene Potentialabschätzung
durch die IHK beauftragt werden, die von den Planungsbehörden der Länder
anerkannt wird. Die Kosten dafür werden mit rd. 25.000 EUR beziffert. Eine
Kostenbeteiligung aller Unterzeichner der Absichtserklärung wäre wünschenswert,
ist aber nicht zwingend erforderlich.
Weitere Kosten aus der Interessensgemeinschaft sollen nach aktueller
Darstellung für die Beteiligten nicht entstehen.
Ein Beitritt zur Interessensgemeinschaft bzw. eine Unterzeichnung der
Absichtserklärung macht nur Sinn, wenn der Landkreis auch die
Reaktivierungskriterien des Freistaates Bayern anerkennt. Sollte dies nicht
geschehen, kann die Interessengemeinschaft ihre Ziele keinesfalls
verwirklichen.
Deshalb ist dieser Beschluss zuerst zu fassen. Im Falle einer Ablehnung
ist ein Beitritt sinnlos.
Andererseits könnten die Reaktivierungskriterien gefasst werden, ohne
der Interessensgemeinschaft beizutreten bzw. die Absicht zu erklären. Man würde
sich jedoch die Möglichkeiten der Mitsprache und ggf. der Einflussnahme
entziehen.