Abstimmung: Ja: 28, Nein: 29

Beschluss:

 

Der Landkreis Coburg erkennt für den Schienenlückenschluss über die ehemalige Werrabahn die Reaktivierungskriterien des Freistaates Bayern vorbehaltlos an, diese lauten wie folgt:

 

1.    Eine Prognose, die vom Freistaat Bayern anerkannt wird, ergibt, dass eine Nachfrage von mehr als 1.000 Reisende pro Werktag zu erwarten ist (1.000 Reisenden-Kilometer pro Kilometer betriebener Strecke).

 

2.    Die Infrastruktur wird ohne Zuschuss des Freistaats in einen Zustand versetzt, der einen attraktiven Zugverkehr ermöglicht.

 

3.    Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) ist bereit, die Strecke und die Stationen dauerhaft zu betreiben und berechnet hierfür Infrastrukturkosten, die das Niveau vergleichbarer Infrastruktur der Deutschen Bahn nicht übersteigen.

 

4.    Die ÖPNV-Aufgabenträger müssen sich vertraglich verpflichten, ein mit dem Freistaat Bayern abgestimmtes Buskonzept im Bereich der Reaktivierungsstrecke umzusetzen.

 

Insbesondere die notwendige Anpassung des Nahverkehrskonzeptes wird im Falle einer Reaktivierung verbindlich zugesichert.

 

 


Sachverhalt:

 

Aufgrund des sachlichen Zusammenhangs empfiehlt sich die Behandlung der Tagesordnungspunkte Ö 7 und Ö 8 unter einem Tagesordnungspunkt. Die Beschlussfassung erfolgt getrennt unter dem jeweiligen Punkt der Tagesordnung.

 

Das Thema „Schienenlückenschluss Region Coburg – Südthüringen ist eines der großen Verkehrsthemen des gesamten Raumes seit der Grenzöffnung. Viele Anläufe wurden unternommen, Ideen vorgebracht und wieder verworfen. Die Idee des Schienenlückenschlusses trifft auf beiden Seiten der Landesgrenze auf Befürworter wie auf Gegner. Eine einheitliche Linie ist schwer zu finden.

 

Auch der Kreistag des Landkreises Coburg hat sich mit dem „Schienenlückenschluss“ mehrfach befasst. Am 26.07.2018 wurde folgender Beschluss gefasst:

 

„Der Landkreis Coburg begrüßt die Initiative des Freistaats Thüringen, Vorbereitungen zu einem Raumordnungsverfahren aufzunehmen.

 

Der Freistaat Bayern wird aufgefordert, die Initiative des Freistaats Thüringens mitzutragen und eigene Mittel für die Planungen bereitzustellen.

 

Begleitend zu der standardmäßigen Öffentlichkeitsbeteiligung eines Raumordnungsverfahrens soll eine Lenkungsgruppe mit den verschiedenen Interessensgruppen (Kommunen, Fahrgastverbände, Bauernverband etc.) eingerichtet werden, um eine vollständige Interessensabwägung frühzeitig zu gewährleisten.“

 

Auf Grundlage des Beschlusses hat sich Landrat Michael Busch, gemeinsam mit OB Norbert Tessmer, Präsident der IHK zu Coburg, Friedrich Herdan und Gerd Weibelzahl Vorsitzender VCD Coburg, schriftlich an die zuständige Staatsministerin Ilse Aigner gewandt und darum gebeten das Raumordnungsverfahren mitzufinanzieren. Eine Antwort auf diese Bitte ist nicht erfolgt.

 

Auf spätere telefonische Nachfrage ist ermittelt worden, dass das Land Thüringen bereit ist, mit zu finanzieren, die Planungsinitiative jedoch vom Freistaat Bayern ausgehen müsse. Der Freistaat Bayern verwies darauf, dass die Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan abgelehnt wurde und kein Infrastrukturbetreiber (z.B. DB-Netz AG) vorhanden ist. Insoweit besteht keine Bereitschaft, das Raumordnungsverfahren einzuleiten.

 

Der Kreis- und Strategieausschuss hat sich am 28.05.2020 in öffentlicher Sitzung mit einem Antrag von Kreisrat Thomas Kreisler – „Raumordnungsverfahren Bahnlückenschluss Coburg-Südthürigen“ – befasst.

 

Der Beschlussvorschlag zur Einforderung einer Planung für den Bahnlückenschluss bei der Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr, als Grundlage für ein Raumordnungsverfahren, wurde mit 1 zu 12 Stimmen deutlich abgelehnt.

 

Die Ablehnung erfolgte im Wesentlichen aufgrund des unveränderten Sachverhalts zum Beschluss aus dem Jahr 2018. Zur Aktualisierung des Sachverhaltes wurde am 08.07.2020 von Landrat Sebastian Straubel ein Schreiben an die zuständige Ministerin gesandt, die Antwort erfolgte am 18.08.2020.

 

Damit bleibt weiterhin festzustellen, dass der Bund, der gemäß grundgesetzlicher Regelung für die Finanzierung der Schieneninfrastruktur und damit auch für einen möglichen Schienenlückenschluss zuständig wäre, eine Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan 2030 mangels Wirtschaftlichkeit relativ rasch abgelehnt hat. Eine Finanzierung eines Projektes aus Bundesmitteln ist damit zumindest bis zum Jahr 2030 nicht möglich.

 

Der Freistaat Bayern steht einer sinnvollen Ergänzung des Schienennetzes, die zur wünschenswerten Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die Schiene führt grundsätzlich sehr offen gegenüber.
Dabei steht die Staatsregierung der Reaktivierung stillgelegter Eisenbahnstrecken für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber, sofern die Reaktivierung sinnvoll und möglich ist.

 

Der Begriff „Reaktivierung“ ist in der Region zwangsläufig mit der sog. „Werrabahn“ durch das Lautertal verbunden. Nachdem auch diese Strecke faktisch nicht mehr existiert, ist auch hier von einem Neubau zu sprechen. Ein Neubau dieser Größenordnung kann zwangsläufig nur im Rahmen eines Raumordnungsverfahrens realisiert werden. In diesem Zuge können dann die alternativen Trassenverläufe, z. B. über Meeder und Bad Rodach geprüft werden. Somit kann am Ende der „Reaktivierung“ tatsächlich der Neubau auf einer völlig neuen Strecke stehen, dies kann jedoch nicht der Anstoß sein.

 

Erste Voraussetzung für den Beginn des Reaktivierungsprozesses ist das Vorliegen positiver, schriftlicher Gremienbeschlüsse zugunsten einer Reaktivierung der Strecke durch die Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs. Dabei ist darzulegen, dass die Anpassung des ÖPNV- Konzeptes an den Betrieb eines Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) einen verkehrlichen Gesamtnutzen für die Region zu erzielen vermag. Die Staatsregierung besteht auf die Herstellung eines regionalen Konsenses, belegt durch die Beschlüsse der ÖPNV- Aufgabenträger, die die Reaktivierungskriterien vorbehaltlos anerkennen und die notwendige Anpassung des Nahverkehrskonzeptes im Falle einer Reaktivierung verbindlich zusichern.

 

Laut Frau Marita Nehring von der ARGE ÖPNV Stadt und Landkreis Coburg ist dieser Punkt für den Landkreis als Träger des ÖPNV relativ unkritisch. Eine Anpassung an den Schienenverkehr ist im ÖPNV als Zubringer zur Schiene ohne große Veränderungen möglich. Der Eingriff in den ÖPNV wäre für die Stadt Coburg und die Verkehrsbetriebe erheblich größer. Über diese Entwicklung muss sich jedoch die Stadt Coburg im Klaren sein.

 

Bisher liegen die entsprechenden Beschlüsse nicht vor. Die Stadt beabsichtigt, diese ebenfalls in der Februar Sitzung des Stadtrates zu behandeln.

 

Erst nach Vorliegen aller Beschlüsse mit vorbehaltloser Anerkennung der vier Reaktivierungskriterien kann der Freistaat den Reaktivierungsprozess starten. Erst im Anschluss

an die Beschlüsse kann eine Potentialabschätzung durch die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) eingeleitet werden, diese wäre die Grundlage für alle weiteren Schritte.

 

Die vier Reaktivierungskriterien des Freistaates Bayern lauten wie folgt:

 

1.    Eine Prognose, die vom Freistaat Bayern anerkannt wird, ergibt, dass eine Nachfrage von mehr als 1.000 Reisende pro Werktag zu erwarten ist (1.000 Reisenden-Kilometer pro Kilometer betriebener Strecke).

 

2.    Die Infrastruktur wird ohne Zuschuss des Freistaats in einen Zustand versetzt, der einen attraktiven Zugverkehr ermöglicht.

 

3.    Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) ist bereit, die Strecke und die Stationen dauerhaft zu betreiben und berechnet hierfür Infrastrukturkosten, die das Niveau vergleichbarer Infrastruktur der Deutschen Bahn nicht übersteigen.

 

4.    Die ÖPNV-Aufgabenträger müssen sich vertraglich verpflichten, ein mit dem Freistaat Bayern abgestimmtes Buskonzept im Bereich der Reaktivierungsstrecke umzusetzen.

 

Um diesen ganzen Prozess proaktiv zu gestalten und mit zu begleiten, beabsichtigt die Industrie- und Handelskammer zu Coburg die Bildung einer Interessensgemeinschaft zur Realisierung des „Schienenlückenschlusses Coburg- Südthüringen“ die Absichtserklärung zur Bildung der Interessensgemeinschaft ist dem Tagesordnungspunkt Ö 9 beigefügt. Ziel der Interessensgemeinschaft ist es das Verfahren voranzubringen und die Möglichkeiten der Einflussnahme wahrzunehmen.

 

In einem ersten Schritt soll ggf. auch eine eigene Potentialabschätzung durch die IHK beauftragt werden, die von den Planungsbehörden der Länder anerkannt wird. Die Kosten dafür werden mit rd. 25.000 EUR beziffert. Eine Kostenbeteiligung aller Unterzeichner der Absichtserklärung wäre wünschenswert, ist aber nicht zwingend erforderlich.

 

Weitere Kosten aus der Interessensgemeinschaft sollen nach aktueller Darstellung für die Beteiligten nicht entstehen.

 

Ein Beitritt zur Interessensgemeinschaft bzw. eine Unterzeichnung der Absichtserklärung macht nur Sinn, wenn der Landkreis auch die Reaktivierungskriterien des Freistaates Bayern anerkennt. Sollte dies nicht geschehen, kann die Interessengemeinschaft ihre Ziele keinesfalls verwirklichen.

Deshalb ist dieser Beschluss zuerst zu fassen. Im Falle einer Ablehnung ist ein Beitritt sinnlos.

 

Andererseits könnten die Reaktivierungskriterien gefasst werden, ohne der Interessensgemeinschaft beizutreten bzw. die Absicht zu erklären. Man würde sich jedoch die Möglichkeiten der Mitsprache und ggf. der Einflussnahme entziehen.