Beschluss:
Der Kreistag stimmt
der Tax Compliance Richtlinie des Landratsamtes Coburg und seiner
mitverwalteten Zweckverbände zu. Die Umsetzung und der dauerhafte Betrieb des
Tax Compliance Management Systems mit dem Ziel, die Einhaltung der steuerlichen
Pflichten angemessen und wirksam zu gewährleisten, werden befürwortet und
unterstützt.
Sachverhalt:
Die öffentliche
Hand ist wie jeder Steuerpflichtige gesetzlich verpflichtet, vollständige und
richtige Steuererklärungen abzugeben. Aufgrund der Komplexität im Steuerrecht
kann es trotz größter Sorgfalt bei der Abgabe von Steuererklärungen zu Fehlern
kommen. Insbesondere betrifft die Steuerpflicht folgende Steuerarten:
·
Lohnsteuer
z. B. Erfüllung der Arbeitgeberverpflichtungen; Besteuerung von
Arbeitseinkommen, Sachbezügen und geldwerter Vorteil
·
Umsatzsteuer
z. B. Besteuerung des umsatzsteuerlichen Unternehmensbereichs,
Besteuerung von Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland (Wechsel der
Steuerschuldnerschaft, innergemeinschaftlicher Erwerb)
·
Körperschaft-
und Gewerbesteuer
z. B. Besteuerung der Gewinne der Betriebe gewerblicher Art
·
Einkommensteuer
z. B. Steuerabzug nach §§ 48 bis 48 d bei Bauleistungen,
Kapitalertragsteuer bei Betrieben gewerblicher Art
Vor allem in
Hinblick auf die Erweiterung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand durch
Anwendung des § 2 b UStG, der spätestens ab dem 01.01.2023 greift, ist mit
einer zunehmenden Anzahl von umsatzsteuerlichen Fragestellungen zu rechnen. Mit
dem Anstieg von Sachverhalten, die der Besteuerung unterliegen, steigt das
Risiko einer nicht vollständigen Steuererklärung. Die Erfüllung der steuerlichen
Pflichten ist somit noch stärker als bisher in den Vordergrund zu stellen.
Eine verspätete,
fehlerhafte und unvollständige Abgabe von Steuererklärungen birgt für den
Landkreis erhebliche finanzielle und politische Risiken und kann darüber hinaus
strafrechtliche Konsequenzen für den gesetzlichen Vertreter, für die
Verwaltungsleitung sowie für verantwortliche Mitarbeiter/Innen nach sich
ziehen. Dennoch können objektiv unrichtige Steuererklärungen nicht
ausgeschlossen werden. Die vorrangigen Ursachen hierfür liegen in komplexen Sachverhalten,
dezentralen Verwaltungsaufbau und in unscharfen Abgrenzungsregelungen zwischen
den steuerpflichtigen und nicht steuerpflichtigen Betätigungsbereich der
öffentlichen Hand. Wird nach Abgabe der Steuerklärung erkannt, dass diese
unrichtig oder unvollständig ist und es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern
kommen kann bzw. bereits gekommen ist, ist unverzüglich eine Berichtigung nach
§ 153 AO vorzunehmen. Da es in den letzten Jahren deutliche Verschärfungen im Steuerstrafrecht
gab, ist es nicht auszuschließen, dass im Fall einer solchen Berichtigung vom
Finanzamt eine straf- bzw. bußgeldrechtliche Vorwerfbarkeit des Erklärenden
geprüft wird. Ein Fehler ist straf- bzw. bußgeldrechtlich nur dann vorwerfbar,
wenn er vorsätzlich bzw. leichtfertig begangen wurde. Für eine
Steuerhinterziehung reicht bereits bedingter Vorsatz aus. Ob im Einzelfall
Vorsatz oder Leichtfertigkeit anzunehmen ist, und welcher der verschiedenen
Vorsatzformen konkret vorliegt oder aber nicht, ist häufig juristisch nur
schwer abgrenzbar. Zur Abgrenzung führt das Bundesministerium für Finanzen
(BMF) im Anwendungserlass zu § 153 AO vom 23.05.2016 unter der Randnummer 2.6
aus: „Hat der Steuerpflichtige ein innerbetriebliches Kontrollsystem, das der Erfüllung
der steuerlichen Pflichten dient, kann dies ggf. ein Indiz darstellen, das –
vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung – gegen das Vorliegen eines Vorsatzes
oder der Leichtfertigkeit sprechen kann.“ Folglich kann ein erfolgreich
eingerichtetes Kontrollsystem bei steuerstrafrechtlichen Ermittlungen zugunsten
der juristischen Person des öffentlichen Rechts und ihrer handelnden Personen
gewertet werden.
Vor diesem
Hintergrund führt das Landratsamt Coburg und seine mitverwalteten Zweckverbände
ein innerbetriebliches Kontrollsystem, ein sog. Tax Compliance Management
System (TCMS), ein.
In einem TCMS sind
die Grundsätze und Maßnahmen zur Einhaltung der steuerlichen Regeln und
Pflichten, unter Einbeziehung der Organisationsstrukturen, zusammengefasst und dokumentiert,
die ein rechtmäßiges Verhalten der Verwaltungsleitung sowie der
Mitarbeiter/Innen gewährleisten.
Ein angemessenes
TCMS basiert auf sieben – miteinander in Wechselwirkung stehenden -
Grundelementen:
1. Tax
Compliance – Kultur:
Festlegung von Grundeinstellungen und erwarteten Verhaltensweisen
bezogen auf die Einhaltung der steuerlichen Pflichten, Sanktionsmöglichkeiten
bei Verstößen, Führungskräfte haben Vorbildfunktion
2. Tax
Compliance – Ziele
Sicherstellung der vollumfänglichen Erfüllung der steuerlichen
Pflichten, Einführung von vorbeugenden Maßnahmen und aufdeckenden Kontrollen,
um dieses Ziel zu erreichen
3. Tax
Compliance – Organisation
Festlegung von klaren Rollen und Verantwortlichkeiten und einer
lückenlosen und überschneidungsfreien Ablauforganisation mit entsprechender
Dokumentation
4. Tax
Compliance – Risiken
Systematische Risikoerkennung und Risikobewertung differenziert nach
Steuerarten
5. Tax
Compliance – Programm
Einführung von präventiven und detektivischen Maßnahmen um Verstöße zu
vermeiden, Erlass von Richtlinien und Checklisten, Schulungen von
Führungskräften und Mitarbeiter/Innen, Festlegung von Vertretungs- und
Unterschriftsbefugnisse, anlassbezogene und stichprobenartige Kontrollen,
Dokumentation
6. Tax
Compliance – Kommunikation
Sensibilisierung und Information der Führungskräfte und
Mitarbeiter/Innen über das Programm, die festgelegten Rollen und
Verantwortlichkeiten sowie über die Risiken
7. Tax
Compliance – Überwachung und Verbesserung
Überprüfung der organisatorischen Vorkehrungen und Maßnahmen, Umsetzung
von festgestellten Verbesserungsmöglichkeiten, Dokumentation
Für das Landratsamt
Coburg und seiner mitverwalteten Zweckverbände wurde eine auf die Verwaltung
zugeschnittene Tax Compliance Richtlinie erarbeitet. Diese orientiert sich am
Muster des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes, der die Praxishinweise zur
Ausgestaltung und Prüfung eines TCMS des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW
PS 980) als Grundlage herangezogen hat.
Mit der Einführung
des TCMS soll die vollständige und fristgerechte Erfüllung der steuerlichen
Pflichten sichergestellt werden, um dadurch finanziellen Konsequenzen und
persönliche Haftungsrisiken zu minimieren bzw. zu vermeiden. Ein weiteres Ziel
ist die Sensibilisierung der Führungskräfte und Mitarbeiter/Innen auf die
steuerrechtlichen Sachverhalte.