Beschluss: Kenntnis genommen

Sachverhalt:

 

Warum kümmert sich der Landkreis um den Fachkräftemangel in der Pflege?

Der sowohl von Wohlfahrtsverbänden als auch durch die Bundesagentur für Arbeit konstatierte Mangel an Pflegekräften wird sich in den kommenden Jahren eklatant verschärfen. Die Experten sind sich einig, dass dieses Fachkräftedefizit weder akut noch mittel- bis langfristig durch einheimische Arbeitnehmer*innen oder durch Arbeitskräfte aus EU-Mitgliedsstaaten gedeckt werden kann. Vielmehr wird es für Deutschland unumgänglich, Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, um die Versorgung der pflegebedürftigen Bevölkerung zu gewährleisten.

Bereits heute können im Landkreis Coburg in Pflegeheimen Betten nicht mehr belegt werden, weil die vorhandene Personaldecke zu dünn ist und es nicht mehr gelingt Stellen nachzubesetzen, wenn jemand ausscheidet. Im Coburger Land sind - wie auch in anderen ländlichen Räumen - im Pflegebereich viele freie Träger und kleinere Unternehmen aktiv, die mit dem Fachkräftemangel kämpfen. Der Fachkräftemangel in der Pflege stellt somit sowohl aktuell als auch perspektivisch eine große Herausforderung für die Region dar. Der Landkreis und seine Städte und Gemeinden haben im Rahmen der Daseinsvorsorge ein klares Interesse daran, dass eine gute Pflegeinfrastruktur vorhanden ist und die ansässigen Einrichtungen zu unterstützen.

Mit dem Beschluss des Kreis- und Strategieausschusses vom 06.12.2017 wurde die Landkreisentwicklung damit beauftragt, die bisherigen konzeptionellen Schritte zur Fachkräftegewinnung aus dem Ausland weiter voranzubringen. Um den Beschluss praktisch umzusetzen, konnten vom Planungsstab Landkreisentwicklung zwei Fördermöglichkeiten im Rahmen des Modellvorhabens der Raumordnung „Lebendige Regionen“ sowie im Projekt der Robert Bosch Stiftung „Land.Zuhause.Zukunft“ realisiert werden. Seit dem offiziellen Startschuss der beiden Förderprojekte am 01.09.2018 wird hierfür projektübergreifend an einem Konzept zur praktischen Umsetzung gearbeitet.

Welche Rolle spielen die Träger der Altenhilfe des Landkreises Coburg?

Eine besondere und vor allem aktive Rolle im Planungsprozess nehmen die Träger der Altenhilfe des Landkreises Coburg ein. Regelmäßig tauschen sich die Akteure bei trägerübergreifenden Zusammenkünften über aktuelle Problemlagen, bisherige Erfahrungen bei der Personalakquise und das zukünftige gemeinsame Vorgehen aus. Die Mehrzahl der vertretenen Wohlfahrtsverbände konnte bereits selbst Erfahrungen mit ausländischem Personal bzw. sogar der aktiven Anwerbung aus dem Ausland über verschiedene Agenturen und Programme sammeln. Ein Großteil dieser Versuche blieb jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. Gründe hierfür sind unter anderem:

a)    Bestehenden Programmen fehlt häufig der Integrationsgedanke, welcher vorsieht, dass die neuen Mitbürger in ihrer ersten Zeit in Deutschland begleitet und in ihrem neuen Lebens- und Arbeitsumfeld aktiv willkommen geheißen werden.

b)    Vielen Einrichtungen und dem dort vorhandenen Personal mangelt es an Erfahrung bzw. Wissen im Umgang mit nicht-deutschsprachigen und kulturfremden Kollegen, was zu Konflikten oder Missverständnissen am Arbeitsplatz führen kann.

c)    Viele ausländische Fachkräfte bevorzugen das Leben in einer Großstadt und ziehen urbane Räume dem ländlichen Raum als Lebensort vor – bspw. da dort bereits eine Community aus dem jeweiligen Herkunftsland vorhanden ist.

In diesem Zusammenhang wurde aus den Reihen der Träger großes Interesse an einer gemeinsamen Anwerbung signalisiert. Aufgrund der dünnen vorhandenen Personaldecke in den Einrichtungen mangelt es durchweg an zeitlichen und personellen Ressourcen – sowohl für die Koordination der Personalgewinnung aus dem Ausland, als auch für die Begleitung, Integration und Unterstützung der neuen ausländischen Kollegen nach deren Ankunft. Im Hinblick auf beide Aspekte wünschen sich die Träger mehr Unterstützung und Zusammenarbeit.

Wie setzen wir das Vorhaben gemeinsam in die Tat um?

Der erste praktische Durchlauf einer Anwerbung wird derzeit planmäßig innerhalb der Projektlaufzeit des MORO von der Landkreisentwicklung begleitet und koordiniert. Es war jedoch von Anfang an klar, dass das Problem des Fachkräftemangels nicht durch einen einzigen Anwerbedurchlauf gelöst werden kann. Um die gute Zusammenarbeit auch in Zukunft zu stärken und über die Projektlaufzeit hinaus zu erhalten, wird das Themenfeld seitens der Kreisentwicklung unter mehreren Aspekten intensiv bearbeitet:

a)    Vorarbeiten zur Gründung eines Kooperationsverbundes der Träger der Altenhilfe in einer adäquaten Rechtsform, um das Themenfeld gemeinsam und langfristig weiter bearbeiten zu können

b)    Klärung der Frage, wie der Zuwanderungsprozess von Zuwanderern aus Drittstaaten als Fachkräfte für die Pflege gestaltet werden muss, damit die Integration im ländlichen Raum gelingen kann

c)    Offenlegung von Hemmnissen, die es aktuell gibt und die die Integration von Fachkräften aus Drittstaaten im ländlichen Raum erschweren sowie die Beantwortung der Frage, wie diese Hemmnisse strukturell beseitigt werden können

d)    Definition eines Maßnahmenpaketes, das zusammenführend fasst, welche (Integrations-) Leistungen von wem wann zu erbringen sind, damit sowohl die Zuständigkeiten festgelegt sind als auch die einzelnen Maßnahme-Bausteine ineinander greifen.

Der trägerübergreifende Zusammenschluss, manifestiert in der Rechtsform einer (Sozial-) Genossenschaft, befindet sich derzeit in der Gründungsphase. Perspektivisch soll diese Genossenschaft das Netzwerk- und Strukturmanagement für die zukünftige Personalgewinnung aus dem Ausland bereitstellen und die Träger der Altenhilfe hinsichtlich interkultureller Öffnung der Einrichtungen und Integration vor Ort unterstützen. Eine Beteiligung des Landkreises an diesem Vorhaben ist bedeutsam und von allen Trägern gewünscht.

Die Personalplanung der Genossenschaft umfasst mittelfristig eine Teilzeitstelle (50%) in der Entgeltgruppe 9, welche die Projektbegleitung des Gesamtverfahrens übernimmt. Die Personalkosten sollen mittelfristig komplett über die Trägerbeiträge gedeckt werden, die im Zuge der Kosovokooperation erhoben werden. Um die Genossenschaft wirtschaftlich tragfähig zu machen ist zum einen eine gewisse Anzahl an Anwerbungen notwendig, zum anderen müssen Prozessabläufe und Verfahren standardisiert werden. Da der erste Anwerbedurchlauf über den Zeitrahmen des MORO hinausgeht, wurde in der Sitzung des Kreistages am 26.11.2019 beschlossen, die beiden Mitarbeiterinnen des MORO nach Ablauf der Projektlaufzeit zum 31.07.2020 für ein Jahr befristet weiter zu beschäftigen. Ziel der einjährigen Projektverlängerung ist es, das Gesamtvorhaben auf nachhaltig gesunde Füße zu stellen, die Akquise von weiteren Projektpartnern voranzutreiben und den ersten Projektdurchlauf zu evaluieren.

Ausbildungsbeginn 2020: Erste Erfahrungen und Auswirkungen der Coronakrise

Im Jahr 2020 werden die ersten 13 Kosovar*innen ihre Ausbildung zum Pflegefachmann bzw. zur Pflegefachfrau in der Stadt und im Landkreis Coburg aufnehmen. Die diesjährigen Auszubildenden verteilen sich wie folgt:

-       Diakonie (Coburg/Bad Rodach): 2

-       Caritas (Coburg): 1

-       ASB Kreisverband (Neustadt und Sonnefeld): 2

-       ASB Regionalverband (ambulant): 2

-       Diakoniestation Weitramsdorf-Seßlach (ambulant): 1

-       AWO (Rödental): 3

-       BRK (ambulant): 2

Unsere kosovarische Partnerorganisation APPK (Nichtregierungsorganisation, gemeinnützige Arbeits- und Beschäftigungsagentur im Kosovo) übernahm hierbei im Vorfeld die Bewerbung des Programms im Kosovo. Insgesamt 50 junge Menschen hatten sich bei der APPK gezielt für die Region Coburg beworben. Im Sommer 2019 reiste eine Delegation bestehend aus zwei Träger- und zwei Landkreisvertreterinnen in den Kosovo um die zukünftigen Auszubildenden für die Region auszuwählen. Alle Kandidat*innen verfügen über den mittleren Schulabschluss einer medizinischen Mittelschule und durchlaufen bis zum Ausbildungsbeginn in Deutschland Sprachkurse bis zum Niveau B2. Die Prüfung und Zertifizierung der sprachlichen Qualifikation erfolgt bis zur Niveaustufe B1 durch das Goethe-Institut im Kosovo. Die B2-Prüfung wird nach der Ankunft in Deutschland abgelegt, spätestens bis zum Abschluss der Ausbildung müssen alle Kandidat*innen diese Niveaustufe erfolgreich abschließen, um die Berufsbezeichnung Pflegefachmann bzw. Pflegefachfrau führen zu dürfen.

Einen weiteren Bestandteil der Kooperation mit der APPK stellt eine 10-tägige Hospitation der Auszubildenden in deren jeweiligen Einrichtungen vor Ausbildungsantritt dar. In dieser Zeit sollen sie die Region, ihre Ausbildungsplätze und künftigen Kolleg*innen kennenlernen. Am Ende der Hospitation stehen die Unterschrift der Ausbildungsverträge sowie die Klärung verschiedener organisatorischer Belange wie Wohnraum, Banken und Versicherungen.

Die diesjährige Hospitation war vom 14.-23. Juni 2020 geplant. Aufgrund der aktuellen Situation rund um die Corona-Pandemie war jedoch keine Aus- bzw. Einreise möglich, weshalb das persönliche Kennenlernen vorab ausfallen muss. Nicht nur die Kandidat*innen, sondern auch die zukünftigen Arbeitgeber und Kolleg*innen schmerzt das Wegfallen der diesjährigen Hospitation sehr. Viele geplante Maßnahmen und Events, welche den Kandidat*innen ein herzliches Ankommen in der Region beschert hätten, entfallen nun. Um diesen bedeutenden Integrationsfaktor jedoch nicht völlig außer Acht zu lassen, nehmen die Einrichtungen derzeit via modernen Medien den ersten Kontakt zu ihren Auszubildenden auf. Auch alle weiteren mit der Hospitation verbundenen organisatorischen Schritte müssen in diesem Jahr auf anderem Wege gelöst werden.

Nicht nur für die Landkreisentwicklung stellt dies einen erheblichen Mehraufwand in Sachen Koordination der Vertragsunterzeichnungen, Einleitung des Visumverfahrens und Anerkennung der Schulabschlüsse dar. Auch erschwert das Geschehen rund um die Corona-Pandemie die Zusammenarbeit mit den Trägern der Altenhilfe, die derzeit kaum Kapazitäten für das gemeinsame Projekt freistellen können, wodurch sich Absprachen und Abläufe deutlich verlangsamen. Das geplante Vorhaben, das Einzugsgebiet des Projektes bereits für den kommenden Ausbildungsjahrgang 2021 auf Nachbarlandkreise auszuweiten, fällt der aktuellen Situation dadurch ebenfalls zum Opfer.

Aufgrund der Lage im Kosovo war die APPK gezwungen die Deutschkurse Mitte März kurzzeitig zu unterbrechen. Dies hatte jedoch keine größeren Auswirkungen auf die sprachliche Ausbildung der Kandidat*innen, da das Unterrichtsgeschehen in innerhalb weniger Tage komplett online via Microsoft Teams weitergeführt werden konnte. Erforderliche Bücher und weitere Lehrmaterialien wurden postalisch an die Kandidat*innen versendet. Der Verlauf der Sprachkurse folgt derzeit dem vorgesehenen Zeitplan, lediglich der Prüfungstermin für das Sprachniveau B1 am 15. Mai 2020 konnte nicht wahrgenommen werden. Ein neuer Prüfungstermin steht derzeit noch nicht fest, soll jedoch spätestens vor der geplanten Ausreise nach Deutschland realisiert werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Zusammenarbeit zwischen APPK und Landkreisentwicklung sowie zahlreichen anderen beteiligten Instanzen (Deutsche Botschaft, Bundesagentur für Arbeit, etc.) trotz der schwierigen Lage gut funktioniert. Der stetige Austausch via E-Mail und (Video-)Telefonie mit der Partneragentur und Lehrkräften im Kosovo sowie die uns zugetragene große Motivation der Kandidatinnen und Kandidaten lassen uns positiv auf einen erfolgreichen Ausbildungsbeginn im September 2020 blicken.