Sitzung: 21.05.2019 Ausschuss für Jugend und Familie
Vorlage: 053/2019
Sachverhalt:
Zum aktuellen Stand in der
Kinderbetreuung im Landkreis Coburg
Im Februar diesen Jahres zeichnete sich ab,
dass zum Beginn des neuen Kindergartenjahres im September keine
bedarfsdeckenden Betreuungsplätze im Landkreis Coburg zur Verfügung stehen.
Die punktgenaue Bezifferung des Bedarfs
scheitert daran, dass es weder eine zentrale Erfassung gibt, noch ein Abgleich
der Anmeldedaten datenschutzrechtlich zulässig ist. Insofern
muss die Kalkulation auf der Grundlage von Erfahrungswerten erfolgen. Zur Zeit
wird von fehlenden Plätzen ausgegangen.
Betroffen sind hiervon Plätze in allen
Altersstufen, wobei der Anteil an benötigten Betreuungsangeboten im
Krippenalter deutlich höher ist.
Am 26.03.2019
hatte der Landrat deshalb die Bürgermeister der Städte und Gemeinden zu einem
Gespräch eingeladen, um zu klären, wie eine gemeinsame Vorgehensweise aussehen
kann.
Ursachen
Bislang haben die Städte und Gemeinden in
den vergangenen Jahren stets ausgebaut, angebaut, weiter entwickelt und
erzielten bundes- und bayernweit Spitzenwerte in der Verfügbarkeit von
Betreuungsplätzen. Warum also tritt plötzlich ein Engpass auf? Die Ursachen
haben völlig unterschiedliche Bedingungsfaktoren:
Krippenkinder
·
Inanspruchnahme
von Betreuungsplätzen
Bei Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz im August 2013 ist
planerisch von einer Inanspruchnahme durch ca. 1/3 aller 1 bis 3jährigen Kinder
ausgegangen worden.
Dem Bildungsmonitoring konnte entnommen werden, dass 2018 bereits ca. 56% aller
1-3jährigen im Landkreis mit einem Krippenplatz versorgt sind, lag da also
bereits deutlich über den ursprünglichen Prognosen – und dabei ist es nicht
geblieben.
Diese Quote hat sich laut Rückmeldung der Städte und Gemeinden weiter nach oben
verschoben.
·
Planungszeiträume
bei der Schaffung von Plätzen
Der Rechtsanspruch gilt uneingeschränkt ab dem vollendeten 1. Lebensjahr eines
Kindes bzw. bei unter 1jährigen Kindern bei vorliegender Erwerbstätigkeit der
Eltern nach Ablauf der Mutterschutzfrist.
Verlässliche Planungsdaten, z.B. über die Geburtenzahlen, liegen den Städten
und Gemeinden aber erst nach der Geburt vor. Bei einem Anstieg der Geburten von
einem Jahr auf das nächste ist es planungstechnisch ausgeschlossen, neue
Gruppen zu schaffen. Ein realistischer Planungszeitraum für Neu- oder
Erweiterungsbauten beträgt ca. 3 Jahre.
Das Wissen um den tatsächlichen (nicht den
möglichen!) Bedarf und die Realisierung von entsprechenden Platzangeboten
klaffen damit auseinander.
Krippen- und Kindergartenkinder
·
Mehr
Kinder
Die Zahl der im Betreuungsbereich zu versorgenden Kinder ist wg. höherer
Geburtenzahlen, Zuzug von Familien und Flüchtlingsfamilien in den vergangenen
Jahren kontinuierlich gestiegen. In den vergangenen 5 Jahren stieg lt.
Bildungsmonitoring in Stadt und Landkreis Coburg die Anzahl der unter 3jährigen
um 16,7% (absolut 463), der Anteil der 3 bis unter 6jährigen um 13% (= 739
Kinder) an. Daraus folgt, dass selbst bei gleichbleibendem
Inanspruchnahmeverhalten von Eltern ein Ausbaubedarf besteht. Und dieser ist
durchaus erheblich, wenn man berücksichtigt, dass in einer Krippengruppe 12, in
einer Kindergartengruppe 25 Kinder betreut werden.
Kindergartenkinder
·
Flexibilisierung
der Einschulung
Eltern können ab diesem Schuljahr darüber entscheiden, ob ihre zwischen dem
30.06. und 30.09. sechs Jahre alt werdenden Kinder vom Schulbesuch
zurückgestellt wird und ein weiteres Jahr den Kindergarten besuchen. Plätze die
planerisch mit Neuaufnahmen belegt werden sollten, stehen damit z.T. nicht zur
Verfügung.
Rahmenbedingungen
·
Neue
Einrichtungen bedeuten für jeden Träger eine Investition 7stelligen Bereich.
Deshalb erfolgt hier auch eine staatliche Förderung. Die reguläre Förderung
beläuft sich auf ca. 50%, die über ein befristetes Sonderprogramm aufgestockt
werden kann, wenn ausreichend Mittel verfügbar sind. Grundlage für jede
Förderung ist ein sogenanntes Summenraumprogramm, in dem Räume und ihre Flächen
aufgelistet sind.
Dieses Summenraumprogramm wurde im Oktober 2018 modifiziert und –vor allem-
erweitert. Planungen, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen
vorlagen, mussten damit neu beginnen, z.T. diese auch nicht mehr realisieren,
weil die verfügbare Fläche für die neuen Vorgaben zu klein war.
Das hat die kontinuierliche Schaffung neuer Plätzen verzögert.
Handlungsoptionen
Nutzung der max. Gruppengröße in bestehenden
Einrichtungen
Für jede Einrichtung der Kinderbetreuung
bedarf es einer Betriebserlaubnis, die auch die Platzzahl mit festschreibt. Je
nach räumlicher Ausstattung, Gruppenzusammensetzung und Personalausstattung
kann für einen begrenzten Zeitraum auf Antrag des Trägers die Gruppengröße
geringfügig ausgeweitet werden, womit zusätzliche Plätze verfügbar sind.
Darüber finden derzeitig Gespräche mit allen
Trägern statt.
Einrichtung von Zusatzgruppen
Um einen vorübergehenden Mehrbedarf
abzudecken, können neue Gruppen durch Nutzung von Mehrzweckräumen innerhalb der
Einrichtung oder außerhalb von Einrichtung entstehen.
Auch diese Lösung ist nur befristet machbar,
ist aber bereits in der Vergangenheit z.B. für die Dauer von Baumaßnahmen
bereits realisiert worden.
Einige Städte und Gemeinden planen in diesem
Rahmen weitere Gruppen.
Anmietung von Containern
Ebenfalls vorübergehend ist es möglich,
vollausgestattete Kindergartencontainer anzumieten. Die Mietkosten sind
begrenzt staatlich zuschussfähig.
Auch hier sind Gemeinden aktiv.
Installation von Großtagespflegen
Tagespflege ist die Betreuung von max. 5
Kindern bei einer geeigneten und durch das Jugendamt geprüften Person, in der
Regel in ihrem eigenen Haushalt. Vor der Aufnahme müssen alle
Tagespflegepersonen eine 160 Std. umfassende Qualifizierung absolvieren.
Die Übernahme der Betreuungskosten erfolgt
durch das Jugendamt, das von den Eltern im Rahmen ihrer finanziellen
Leistungsfähigkeit einen Kostenbeitrag fordert. Die Kindertagespflege
unterliegt dem BayKiBiG.
Bislang spielte die Tagespflege im Landkreis
eine untergeordnete Rolle und wurde fast ausschließlich bis zur Bereitstellung
eines Krippenplatzes oder zur Randzeitenbetreuung bei Kindergarten- oder
Schulkindern in Anspruch genommen.
·
Schließen
sich 2 oder max. 3 Tagespflegen zusammen,
·
hat
eine der beiden/drei eine pädagogische Ausbildung und
·
findet
die Betreuung außerhalb der Wohnung in angemieteten oder ausschließlich dafür
zur Verfügung stehenden mind. 2 Räumen statt,
spricht man von einer Großtagespflege.
In dieser Betreuungsform dürfen bis
zu zehn gleichzeitig anwesende und insgesamt max. 16 Kinder betreut werden,
wenn die qualifizierte Fachkraft mind. die Qualifikation Erzieher*in
vorweist. Ist sie „nur“ Kinderpfleger*in reduziert sich die max. Zahl der
gleichzeitig anwesenden Kinder auf 8.
Für die genutzten Räume gibt es keine
weitergehenden baulichen Vorschriften.
Träger für die Großtagespflege können
entweder selbständig tätige Personen sein oder bei die Kommune selbst.
Im Landkreis Coburg ist derzeitig eine Großtagespflege
(Bad Rodach) aktiv.
Derzeitig werden bereits Räumlichkeiten im
Hinblick auf ihre Nutzung als Großtagespflege in verschiedenen Städten und
Gemeinden geprüft.
Durch das Jobcenter, die Agentur für Arbeit und auch durch Mundpropaganda haben
sich bereits vereinzelt sowohl Fachkräfte als auch bislang noch nicht weiter
pädagogisch qualifizierte Personen gemeldet.
Bei der Bezahlung der Tagespflege findet die
Satzung des Landkreises Coburg auf der Grundlage der Empfehlungen des Städte-
und Landkreistages Anwendung.
Soweit Kommunen Träger der Tagespflege werden, ist zwingend der Tarifvertrag
für den Sozial- und Erziehungsdienst (TVSuE) anzuwenden, was eine
Satzungsanpassung für dieses neue „Modell“ der Kinderbetreuung erforderlich
macht, was für die nächste Sitzung vorgesehen ist.