Beschluss:
Der Antrag wird zurückgezogen.
Sachverhalt:
Mit in der Anlage beigefügtem Schreiben vom
19.07.2017 beantragte Kreisrat Rainer Mattern die generelle Herausgabe der
Rettungskarte bei einer Kfz-Zulassung durch die Zulassungsstelle.
Der sachlich und örtlich als
Zulassungsbehörde zuständige Zweckverband Zulassungsstelle Coburg hat Aufwand
und Kosten der Herausgabe einer Rettungskarte und alternativer Maßnahmen
geprüft.
Einleitende Informationen
Ein Rettungsdatenblatt bzw. eine
Rettungskarte (je nach Hersteller auch Einsatzblatt oder einfach Merkblatt
genannt) ist ein Hilfsmittel zur schnelleren Bergung von Menschen aus ihrem
Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall. Auf ihr sind für die Rettung relevante
Bauteile, wie z. B. Airbag, Gurtstraffer, Batterie, Kraftstofftank oder
Verstärkungen der Karosserie in einer Fahrzeugskizze dargestellt. Sie
unterstützt somit die Feuerwehr dabei, schnell und sicher die optimalen
Angriffspunkte für Rettungsgeräte wie Spreizer und Rettungsschere zu
identifizieren. Um Sprachproblemen vorzubeugen, sind viele Angaben mittels
Symbolen und Skizzen in diesem Leitfaden angegeben (https://de.wikipedia.org/wiki/Rettungsleitfaden).
Die Ausgabe einer Rettungskarte bei jedem
Zulassungsvorgang ist nicht gesetzlich zugewiesene Aufgabe der (staatlichen)
Zulassungsbehörde.
Nach den Regelungen der
Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) sind in Kraftfahrzeugen
beispielsweise Warndreieck und Warnweste verpflichtend mitzuführen. Eine
diesbezügliche Pflicht zum Mitführen einer Rettungskarte sieht der
Bundesgesetzgeber nicht vor.
Aus Sicht der Feuerwehreinsatzkräfte,
insbesondere beim Einsatz des Spreizers bzw. des Schneidgeräts (Rettungsschere)
sowie der Rettungszylinder, wäre es überaus nützlich, auf die entsprechenden
Daten der Rettungskarte zurückgreifen zu können. Dadurch könnten Unfälle beim
Einsatz der o. a. Rettungsmittel bei Einsatzkräften bzw. eingeklemmten Personen
vermieden werden. Derartige Unfälle sind bislang nicht aufgetreten
(Stellungnahme KBR Lorenz vom 22.11.2018).
Zu einer schnelleren Rettung und
Unterstützung der Rettungskräfte trägt ein Aufkleber „Rettungskarte im
Fahrzeug“ bei. Standardisiert und einheitlich in Europa wird dieser Aufkleber
am linken oberen oder unteren Rand der Windschutzscheibe angebracht. Die
dazugehörige Rettungskarte wird – international kommuniziert – hinter der
Fahrersonnenblende aufbewahrt.
Auf diversen Internetseiten der
Automobilclubs und anerkannten Prüforganisationen und (z. B. ADAC, Dekra, TÜV
Süd) sind Links zu den Seiten der einzelnen Automobilhersteller hinterlegt, auf
denen wiederum Auflistungen der einzelnen Modelle – sortiert nach Baujahren –
zu finden sind. Folgt man diesen Links, erreicht man einen Downloadlink und
kann die entsprechende Karte nach dem Download drucken.
Gegenwärtig scheint nur die Daimler AG
standardmäßig bei fabrikneuen Mercedes- und Smart-Fahrzeugen im Tankdeckel und
auf der gegenüberliegenden B-Säule einen QR-Code anzubringen, der die
Rettungskräfte mittels einer geeigneten App zum Lesen – und bei vorhandener
Internetverbindung – zu der jeweiligen Rettungskarte führt. Für Fahrzeuge der
Daimler AG ab Baujahr 1990 können die Aufkleber mit dem QR-Code in
Vertrags-Werkstätten von Mercedes und Smart angebracht werden. Andere
Automobilhersteller scheinen einen QR-Code nicht selbst anzubieten.
Im Internet ist ein Dienstleister zu finden
(www.res-qr.de), der QR-Codes für
Fahrzeuge sämtlicher Hersteller anbietet. Für 9,50 Euro (plus Versandkosten)
pro Fahrzeug bzw. für 6,50 Euro pro Fahrzeug ab 100 Bestellungen können drei
QR-Code Etiketten und eine Hinweis-Plakette bestellt werden, die dann auf dem
Postweg zugehen. Die Bezahlung erfolgt über PayPal. Da der Abruf der
Rettungskarte mittels QR-Code im Notfall Internetempfang voraussetzt und dieser
in abgelegenen Gebieten u. U. nicht vorhanden ist, empfiehlt es sich dennoch,
ein gedrucktes Exemplar hinter der Sonnenblende auf der Fahrerseite
aufzubewahren.
Bei einer telefonischen Abfrage 33
regionaler Autohändler im November 2019 wurde festgestellt, dass nur ein
Händler und ein weiterer Händler bei Großkunden von sich eine Rettungskarte
herausgeben. Sechs Händler geben eine Rettungskarte (teilweise nur bei
Neufahrzeugen) auf ausdrückliches Verlangen heraus, wobei nur in zwei Fällen
aktiv auf diese Möglichkeit hingewiesen wird. Bei den meisten Autohändlern
erfolgt keine Ausgabe, nicht einmal auf besonderen Wunsch.
Im Februar 2019 erfolgte eine Umfrage bei
den oberfränkischen Zulassungsbehörden. Die Zulassungsstellen der Landratsämter
Bamberg, Forchheim, Hof, Kronach, Lichtenfels und Wunsiedel sowie die der
kreisfreien Städte Bamberg, Bayreuth und Hof waren noch nicht mit dem Thema
„Rettungskarte“ befasst. Die Landratsämter Bayreuth und Kulmbach haben sich bereits
aufgrund entsprechender politischer Anträge mit der Frage befasst, ob
Rettungskarten bei Kfz-Zulassungsvorgängen ausgehändigt werden. Das Landratsamt
Bayreuth hat sich aufgrund des großen Aufwands gegen die Ausgabe entschieden.
Das Landratsamt Kulmbach hat sich ebenfalls aufgrund des Aufwands und wegen
haftungsrechtlicher Fragen dagegen entschieden.
Herausgabe der Rettungskarte
Aufgrund der Kosten für die Bestellung von
QR-Codes, der vermutlich nicht zu bewerkstelligen Zahlung mittels PayPal und
dem Zeitversatz zwischen Bestellung und Postversand, wird auf die Möglichkeit
der Ausgabe von QR-Codes im Folgenden nicht weiter eingegangen.
Der Aufwand, eine Rettungskarte bei jeder
Zulassung (Neuzulassung und Umschreibung) auszuhändigen, stellt sich wie folgt
dar:
Eine direkte Integration in das eingesetzte
Fachverfahren und damit ein reibungsloser Ablauf des Zulassungsprozesses ist
nicht möglich.
Ausgehend vom jeweiligen Fahrzeug, das
zugelassen werden soll, müsste der Sachbearbeiter der Zulassungsstelle eine der
o. g. Internetseiten aufrufen, die Marke, das Modell und das Baujahr auswählen,
die Rettungskarte herunterladen und diese ausdrucken. Verbunden mit dem Hinweis
an den Kunden, wo dieser Ausdruck aufbewahrt werden sollte, dauert der Vorgang
mindestens zwei Minuten.
Bei mehr als 22.500 Zulassungsvorgängen für
Landkreis und Stadt pro Jahr ergeben sich bei Zugrundelegung von zwei Minuten
je Vorgang rechnerisch 45.000 Minuten an Zeitaufwand, was 750 Stunden
entspräche und unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 30,52 Euro je
Stunde einen Personalaufwand von 22.890,00 Euro ergäbe. Zu berücksichtigen ist
auch, dass bereits die Verlängerung eines Zulassungsvorgangs um zwei Minuten
erhebliche Verzögerungen der Abläufe im kundenintensiven Verkehr der Zulassungsstelle
nach sich zieht.
Zu berücksichtigen ist ferner der mit dem
Druck der Rettungskarten verbundene Sachaufwand (Drucker, Tonereinheiten,
Papier). Der Zweckverband Zulassungsstelle Coburg ist zudem derzeit technisch
nicht in der Lage, die sinnvollen Hinweisaufkleber zur Anbringung an der
Frontscheibe zu erstellen. Dies erfordert ggf. ein Update der vorhandenen
Drucker oder die Neuanschaffung eines Gerätes. Alternativ kommt die Bestellung
bei einem Anbieter in Betracht. Für die Erzeugung oder Anschaffung der
Aufkleber entstehen weitere Kosten, die noch nicht ermittelt wurden.
Eine Umlage der entstehenden Kosten über
eine Erhöhung der Verwaltungsgebühren scheidet aus, da es sich bei den Gebühren
nach der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr
(GebOSt) um Festgebühren handelt.
Bei versehentlicher Ausgabe einer falschen
Rettungskarte bestehen hohe haftungsrechtliche Risiken.
Bereitstellung eines Terminals zum
Ausdrucken der Rettungskarte
Eine Alternative zur Herausgabe der
Rettungskarte ist eines Infoterminals. Ein solches hat das Landratsamt
Schwandorf für seine beiden Zulassungsstellen im Juni 2017 angeschafft.
Am Terminal besteht für den Bürger die
Möglichkeit, sich über Kfz-Hersteller, Modell und Baujahr die gewünschte
Rettungskarte anzusehen und anschließend selbstständig auszudrucken.
Die Kosten für Gehäuse und Touchscreen des
Infoterminals belaufen sich auf ca. 2.500,- Euro. Hinzu kommen noch ein
Standard-Windows-PC und ein Farblaserdrucker für insgesamt ca. 1.000,- Euro.
Die Kosten der Software zur Ausgabe der Rettungskarten betragen ca. 700,- Euro
jährlich. Zudem ist die Anschaffung einer speziellen Software notwendig, um die
restlichen Funktionen des PCs zu verstecken und eine anderweitige Nutzung
auszuschließen (einmalige Kosten ca. 250,- Euro, laufende Kosten ca. 50,- Euro
im Jahr). Weitere Kosten entstehen – abhängig von der Nutzung – für Papier und
Tonereinheiten.
Der Zweckverband Zulassungsstelle Coburg ist
zudem – wie bereits oben angeführt - derzeit technisch nicht in der Lage, die
sinnvollen Hinweisaufkleber zur Anbringung an der Frontscheibe zu erstellen.
Dies erfordert ggf. ein Update der vorhandenen Drucker oder die Neuanschaffung
eines Gerätes. Alternativ kommt die Bestellung bei einem Anbieter in Betracht.
Für die Erzeugung oder Anschaffung der Aufkleber entstehen weitere Kosten, die
noch nicht ermittelt wurden.
Nach den Erfahrungen des Landratsamtes
Schwandorf beschränkt sich der Aufwand für die Mitarbeiter der Zulassungsstelle
auf das tägliche Ein- und Ausschalten und auf das Nachfüllen von Papier und
Toner. In den letzten eineinhalb Jahren wurden in Schwandorf ca. 700 Ausdrücke
erstellt.
Information über den Nutzen der
Rettungskarte
Eine weitere Alternative besteht in einer
umfassenden Information der Bürgerinnen und Bürger über den Nutzen der
Rettungskarte.
So könnte der Zweckverband Zulassungsstelle
Coburg zum Thema „Rettungskarte“ mit Hinweisen auf der Internetseite, einer
Pressemitteilung, einem Aushang im Wartebereich oder einem Flyer zum Auslegen
informieren.
Rechtliche Prüfung des Antrags
Der Antrag ist zwar zulässig, aber bei
positivem Beschluss materiell-rechtlich nicht umsetzbar. Der Zweckverband
Zulassungsstelle Coburg ist eine vom Landkreis Coburg verschiedene eigene
juristische Person des öffentlichen Rechts, bestehend aus den
Verbandsmitgliedern Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt Coburg,
und Stadt Coburg. Der Landrat des Landkreises Coburg nimmt als vom Freistaat
Bayern entsandter Verbandsrat an der Verbandsversammlung teil. Der Kreistag des
Landkreises Coburg kann keine für den Zweckverband Zulassungsstelle Coburg
verpflichtenden Beschlüsse fassen, allenfalls eine bestimmte Vorgehensweise des
Zweckverbandes Zulassungsstelle Coburg begrüßen. Denkbar ist ein Antrag, der in
die Verbandsversammlung des Zweckverbandes Zulassungsstelle Coburg eingebracht
wird.
Aus der Beratung:
Kreisrat Rainer Mattern zieht den Antrag zurück.
Der Vorsitzende versichert die Problematik in der Verbandsversammlung des Zweckverbandes nochmals anzusprechen. Eventuell könnten die Fahrzeughalter bei Neuanmeldungen zumindest auf die Rettungskarte hingewiesen werden.
Außerdem möchte er versuchen, über Staatsminister Florian Herrmann das Thema auch an die Landes- und Bundespolitik heranzutragen.