Gemäß Definition
des Bundesgerichtshof ist eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des §1666 BGB:
(vgl. BGH 2007)
eine gegenwärtige
bzw. unmittelbar bevorstehende Gefahr für die Kindesentwicklung,
die bei ihrer Fortdauer eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen
oder seelischen Wohls eines Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.
Bundesweite
Entwicklung
„Knapp 45.800 Kindeswohlgefährdungen im
Jahr 2016! Jedes dritte 8a-Verfahren durch Jugendämter bestätigt
Gefährdungsverdacht.“
Das Statistische Bundesamt veröffentlichte
am 04.10.2017 zum nunmehr fünften Mal die Ergebnisse der
Gefährdungseinschätzungen der Jugendämter:
Die gesamte Zahl der pro Jahr von den Jugendämtern
durchgeführten Gefährdungseinschätzungen hat sich 2016 gegenüber den Vorjahren
erhöht. Die aktuell vorliegenden Daten zum Erhebungsjahr 2016 zeigen zudem,
dass die seitens der Jugendämter durchgeführten Verfahren mit Blick auf Alters-
und Geschlechterverteilung stabil und nur leichte Verschiebungen bei den Meldergruppen
über die letzten Jahre zu beobachten sind.
Der Anstieg der Verfahren nach § 8a Abs. 1 SGB VIII um
6% im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr auf nunmehr 136.900 Fälle bedeutet einen
erneuten Höchststand seit Einführung der Statistik im Jahr 2012. Der Trend
ansteigender Fallzahlen setzt sich demnach fort.
Für diesen Anstieg kommen mehrere Erklärungen in
Betracht, höhere Sensibilität bei den Meldenden, veränderte Verfahrensweisen
bei den Jugendämtern oder auch bessere Kooperationsstrukturen.
Die aktuelle Verteilung in Bezug auf das Alter der
Kinder und Jugendlichen zeigt, dass die Jugendämter mehr
Gefährdungseinschätzungen bei jüngeren Kindern vornehmen, als bei älteren
Kindern bzw. Jugendlichen. Bei den Kindern sind von den
Gefährdungseinschätzungen etwas mehr Jungen betroffen, im Jugendalter mehr
Mädchen.
Im Bundesgebiet werden 22 % der Meldungen von der
Polizei, den Gerichten und Staatsanwälten abgegeben, Tendenz steigend.
Gegenteilig verhält sich die Entwicklung bei den Privatpersonen, die meist aus
dem privaten oder sozialen Umfeld der Familie kommen. Sie haben einen 27 %igen
Anteil an den Meldungen. Die größte Meldergruppe sind die Institutionen aus dem
Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen. Der Anteil bleibt stabil bei 42 %. Der
Rest von 9 % der Meldungen, kommt direkt von den Betroffenen.
2016 wurde von den Jugendämtern in 21.500 Fällen eine
akute und in 24.200 Fällen eine latente Kindeswohlgefährdung festgestellt. In
46.600 Fällen wurde zwar keine Kindeswohlgefährdung festgestellt, aber ein
Hilfebedarf gesehen und dokumentiert. Das bedeutet, dass rund ein Drittel der
Meldungen mit einer Einschätzung einer latenten Kindeswohlgefährdung enden, in
einem weiteren Drittel ein Hilfebedarf festgestellt wird und das letzte Drittel
ohne jugendhilferechtliche Maßnahmen abgeschlossen werden kann. Insbesondere
Säuglinge wurden häufig als besonders gefährdet beurteilt. Das erklärt sich aus
dem besonderen Risiken von Klein- und Kleinstkindern bei Vernachlässigung und
Misshandlung. Mit zunehmenden Alter gehen die Meldungen über Akut-Gefährdungen
zurück.
In den ersten Lebensjahren ist mit 74 % die
Vernachlässigung die häufigste Form Gefährdung. Nur bei 22 % der Fälle werden
Anzeichen einer psychischen oder körperlichen Misshandlung festgestellt. Das
ändert sich bei älteren Kindern nur geringfügig auf ein ca. ein Drittel. Die
Vernachlässigung ist mit Abstand die häufigste Form der Kindeswohlgefährdung.
Die Reaktionen auf festgestellte Kindeswohlgefährdungen
unterteilt sich auch hier in akut festgestellte und latente Gefährdungslagen.
Bei den akuten Gefährdungen wird in jedem 3. Fall eine Inobhutnahme veranlasst
und bei 28 % das Familiengericht eingeschaltet. In jedem 8. Fall wird eine
dauerhafte familienersetzende Jugendhilfemaßnahme eingeleitet. Ambulante Formen
von Hilfen werden ca. in jedem 5. Fall veranlasst. Bei den latenten
Gefährdungen kommt es nur bei 12 % zu einer Anrufung des Familiengerichts, aber
bei 33 % zu einer ambulanten oder teilstationären Hilfe in der Familie. In 20 %
der Fälle läuft bereits eine Hilfe, die dann mit veränderter Zielsetzung
weitergeführt wird.
Zur Entwicklung im Landkreis Coburg
Die bundesweit benannten Steigerungen sind auch im
Landkreis Coburg zu beobachten. Seit 2013 werden die Daten in einem gesonderten
Programm statistisch erfasst:
*bislang
eingegangene Meldungen, sowie hochgerechneter Wert
Bis Mitte November wurden bereits 101 Meldungen zu
Kindeswohlgefährdungen gezählt.
Die Sozialraummitarbeiter/-innen des ASD sind gehalten,
jeder Meldung nachzugehen. Das standardisierte Verfahren sieht folgende
Handlungsschritte verbindlich vor:
Eingang der
Meldung und unverzügliche Weitergabe der Informationen an den zuständigen Mitarbeiter im ASD
à Prüfung der Meldung durch den ASD mit
Gefährdungsabschätzung
à Einbeziehung der vorgesetzten Ebene und
weiterer Fachkräfte
à „Inaugenscheinnahme“ durch 2 Fachkräfte,
ggf. Inobhutnahme
à Rückmeldung an Vorgesetzten
à Abschluss und ggf. Überleitung in die
Jugendhilfe
Dieser Prozess kann sich auch ggf. wiederholen bzw.
wird er beendet, wenn sich eine Gefährdung nicht bestätigt.
Grafisch sieht das Procedere wie folgt aus:
In ca. 80% der gemeldeten Gefährdungsfälle besteht nach der Prüfung ein
weiterer Handlungsbedarf und es werden Hilfen eingeleitet.