Beschluss: einstimmig

Beschluss:

 

Dem Kreis- und Strategieausschuss wird empfohlen, wie folgt zu beschließen:

 

Der Kreistag möge beschließen, dass im Verfahren der Konsultation zum Netzentwicklungsplan Strom 2030 (2. Entwurf) die nachstehenden Punkte zu vertreten und einzubringen sind:

 

a)    Die 10 nachfolgend aufgeführten unverrückbaren Positionen des Landkreises Coburg sind im Konsultationsverfahren im Rahmen einer Stellungnahme zum Netzentwicklungsplan (NEP) 2030 zu vertreten:

 

1.       Das gesamte Coburger Land hat durch zahlreiche Netz- und Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen bereits einen erheblichen Beitrag zur innerdeutschen Verknüpfung und Gestaltung der Energiewende geleistet! Eine weitere Überbündelung solcher Strukturen durch P44 bzw. P44mod ist unzumutbar und wird nicht akzeptiert!

2.       Die Planungen der Übertragungsnetzbetreiber zum Netzentwicklungsplan 2030 sind weder transparent noch berücksichtigen sie die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Kommunen in ausreichender Form!

3.       Der geplante, völlig überdimensionierte Netzausbau - dessen Notwendigkeit nach wie vor nicht nachgewiesen ist - bedroht nicht nur die Akzeptanz des weiteren Ausbaus Erneuerbarer Energien, sondern letztlich die Akzeptanz der Energiewende schlechthin!

4.       Der finanzpolitische Irrsinn der neuen Trassenplanungen, sei es P44 oder P44mod ist sofort zu verwerfen!

5.       Aufgrund zunehmender Gefahr von Terror und Gewalt gilt es einer Überbündelung von Infrastrukturmaßnahmen in jedem Falle entgegenzuwirken, um keine potenziellen Angriffspunkte zu bieten!

6.       Durch jede weitere Trasse wird die Planungshoheit und Entwicklungsfähigkeit aller Kommunen in unserer Region existentiell eingeschränkt, teilweise sogar außer Kraft gesetzt! Diese drohende Handlungsunfähigkeit unserer Kommunen lassen wir nicht zu!

7.       Dem im Strukturwandel befindlichen Wirtschaftsraum Coburg drohen durch weitere Trassen enorme Einschränkungen der dringend notwendigen Gestaltungsfreiheit seiner Gewerbeentwicklungen!

8.       Die aktuellen Planungen zum weiteren Netzausbau konterkarieren die Errungenschaften und Bestrebungen der letzten Jahrzehnte, das Coburger Land als Tourismusregion zu etablieren!

9.       Zum Schutz unserer heimischen Flora und Fauna verbietet sich eine weitere Trassierung durch das Coburger Land, da hiermit eine weitere Verschlechterung der naturschutzfachlichen Qualität unserer Region einhergeht, die letztlich auch die bundesweite Bedeutung des Naturschutzgroßprojekts „Grünes Band“ in Frage stellt!

10.    Gesundheitsbeeinträchtigungen und gravierende Eingriffe in das Eigentumsrecht unserer Landkreisbürger sind durch die aktuellen Trassenplanungen zu befürchten und werden von uns keinesfalls hingenommen!


 

 

b)    Der Landkreis Coburg macht sich, zusätzlich zu den durch eigene Erkenntnisse festgestellten Einwendungen, die von den Städten und Gemeinden im Landkreis erhobenen Einwendungen und Beeinträchtigungen zu eigen. Er bringt dies als Gesamtstellungnahme im Verfahren ein.

 

c)    Der Landrat wird beauftragt, ergänzende Vorhaben und Aktionen im Sinne der o.g. Vorgaben zu unterstützen oder selbst zu veranlassen.

 

 

 


Sachverhalt:

 

1. Konsultationsverfahren

Mit der Thematik „Stromtrassen durch das Coburger Land“ haben sich die Gremien des Landkreises bereits mehrfach beschäftigt. Auf einen entsprechenden Entschluss des Kreis- und Strategieausschusses vom 21.02.2017 hin wurde zuletzt eine Stellungnahme in das Konsultationsverfahren zum 1. Entwurf des NEP 2030 eingebracht.

Der daraufhin überarbeitete Entwurf wurde anschließend an die Bundesnetzagentur weitergeleitet und von dieser geprüft. Seit dem 04.08.2017 liegen die vorläufigen Prüfungsergebnisse der Bundesnetzagentur vor und das zweite Konsultationsverfahren wurde eröffnet. Bis zum 16.10.2017 besteht nunmehr die Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen.

 

Nach wie vor ist der Landkreis Coburg durch die Netzausbauplanungen der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) und Bundesnetzagentur (BNetzA) im 2. Entwurf des NEP 2030 wie folgt betroffen:

 

Neue, weitere Leitung im 380 kV – Netz:

Zur Verstärkung des 380 kV–Netzes sind abermals die Varianten P44 (Netzverstärkung und –ausbau zwischen Altenfeld und Grafenrheinfeld) und P44mod (Netzausbau von Altenfeld über Würgau nach Ludersheim) enthalten. Daneben werden sowohl von den Übertragungsnetzbetreibern als auch von der Bundesnetzagentur erstmals auch weitere Varianten vorgeschlagen:

 

-      P44mod Variante 2 (ÜNB und BNetzA): Altenfeld-Remptendorf-Würgau-Ludersheim, Neubau in vorhandenem Trassenraum, Verstärkung Schaltanlagen, Machbarkeit zu prüfen

-      P44mod Variante 2+ (BNetzA): Remptendorf-Würgau-Ludersheim, Neubau in vorhandenem Trassenraum, Prüfung Ausbaubedarf Teilstück Altenfeld-Remptendorf, Machbarkeit zu prüfen

-      P44mod Variante 3 (ÜNB und BNetzA): Altenfeld-Remptendorf-Mechlenreuth, Neubau in vorhandenem Trassenraum, zwei neue Stromkreise und Verstärkung Schaltanlagen, Machbarkeit zu prüfen

 

 

     Karte 1: Alternativen der Projekte P43 und P44 (Quelle: Vorläufige  

     Prüfungsergebnisse NEP-Strom 2017-2030)

 

Während die Variante P 44 von den Übertragungsnetzbetreibern deutlich favorisiert wird, da diese sowohl kürzer ist als auch aus Gründen der netztechnischen Effizienz vorzugswürdig erscheint, ließen sich aus der Argumentation der Bundesnetzagentur – wenn auch nur sehr vage - Vorteile der anderen Planungsvarianten herauslesen. Darunter befinden sich auch Planungsvarianten, die den Coburger Raum weitestgehend umgehen könnten. Die Realisierbarkeit dieser Alternativen ist jedoch noch nicht abschließend geprüft. Unklar ist bislang auch, wie mit den zusätzlichen Vorschlägen im Rahmen des weiteren Planungsverfahrens umgegangen werden soll.


 

Der Landkreis beabsichtigt, auch im Rahmen des aktuellen Konsultationsverfahrens zum 2. Entwurf des NEP 2030 eine Stellungnahme bezüglich der geplanten 380 kV-Leitung P44/P44mod abzugeben. Hierbei gilt weiterhin der Grundsatz, jede denkbare Betroffenheit vom Landkreis Coburg abzuwenden, sei es die P44 durch den nordwestlichen oder die P44mod durch den östlichen Landkreis.

Da sich weder die Argumentation noch der Inhalt der vorausgegangenen Stellungnahme bezüglich der 380 kV-Leistung P44/P44mod wesentlich geändert haben, soll an dieser im Grundsatz festgehalten werden. Die 10 unverrückbaren Positionen des Landkreises Coburg, auf deren Grundlage die Gesamtstellungnahme zu erstellen ist, sind jedoch den aktuellen Änderungen entsprechend angepasst und thematisch neu gegliedert worden. Gleiches ist für die Gesamtstellungnahme zu gewährleisten.

 

2. Öffentlichkeitsarbeit und Protestaktionen

In der Sitzung des Kreistages vom 09.03.2017 beschloss dieser auf Vorschlag des Landrates hin, ein Budget von 10.000 € für Protestaktionen und Öffentlichkeitsarbeit gegen neue Stromtrassen durch das Coburger Land in den Haushalt 2017 einzustellen. Zur strategischen Planung der Protest- und Einwendungsaktionen wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, bestehend aus Mitarbeitern der kommunalen Verwaltung aus Stadt und Landkreis Coburg sowie einigen Bürgermeistern aus dem Coburger Landkreis. Das ca. zehnköpfige Team plante und veranlasste daraufhin verschiedenste Maßnahmen, die die Ablehnung neuer Trassen durch unsere Region insbesondere gegenüber den Verantwortlichen in der Politik zum Ausdruck bringen sollen.

 

Als langfristig angelegte Maßnahme ist die Ausgabe von Protestflyern zu nennen, mit denen sich jeder Bürger demonstrativ gegen weitere Stromtrassen aussprechen kann. Die ausgefüllten Postkarten werden anschließend in der Stadt und im Landratsamt gesammelt und sollen durch eine medial unterstützte Aktion noch vor der Bundestagswahl an das Bundesministerium übergeben werden. Aktuell ist mit über 8.600 Stück die Zielvorgabe des Landrates von mindestens 10.000 Flyern in greifbarer Nähe. Begleitet wird die Flyeraktion von zahlreichen großen Plakaten, die in den Kommunen an Ortsein- und Ausgängen aufgestellt wurden.

 

Zur Aufklärung der Bürger und deren Motivation zur Einreichung von Stellungnahmen im 2. Konsultationsverfahrens des NEP 2030 wurde ein Informationsvortrag zum Thema „Sind weniger Trassen mehr?“ organisiert. Am 26.07.2017 informierte Christian Sölch, Doktorand der Universität Erlangen-Nürnberg, darüber, unter welchen Rahmenbedingungen und Anpassungen des Deutschen Strommarktes auf mehrere Stromtrassen und somit unnötige Naturzerstörung und unnötige Kosten des Netzausbaus verzichtet werden könnte.

 

Als Höhepunkt der Protestaktionen fand am 06.08.2017 eine als Sternmarsch angelegte Großdemonstration gegen weitere Stromtrassen durch das Coburger Land statt, zu der eine große Koalition aus allen Landkreis-Bürgermeistern, dem Landrat und den Vertretern  der Stadt Coburg aufgerufen hatte. Rund 2.000 Demonstranten protestierten friedlich, aber lautstark gegen die geplanten Trassen. Die Demonstration wurde durch verschiedenste Medien begleitet und wurde noch am Abend der Veranstaltung in den ARD Tagesthemen aufgegriffen.


 

Des Weiteren wurden durch die Arbeitsgruppe für das derzeitige Konsultationsverfahren die o.g. zehn unverrückbaren Positionen des Coburger Landes ausgearbeitet.

Basierend darauf wurden sog. Mustereinwendungen“ verfasst, die den Bürgerinnen und Bürgern zur Orientierung und Unterstützung beim Erstellen Ihrer Einwendungen dienen sollen. Diese werden an die einzelnen Kommunen weitergeleitet und sollen über diese den Bürgern des Coburger Landes zugänglich gemacht werden.

 

Während des aktuellen Konsultationszeitraumes finden Informationsveranstaltungen der Bundesnetzagentur zu den Prüfungsergebnissen und dem Umweltbericht statt. Eine Teilnahme an der Information in Fulda ist durch eine Delegation aus Coburg am 05.09.2017 vorgesehen.

 

Um auch den Bundestag-Wahlkampf zu nutzen, sind aktuell Anfragen an die lokalen Direktkandidaten versendet worden. Mit drei Fragen zu den aktuellen Netzausbauplänen sowie des dazugehörigen Verfahrens haben sich auch die (künftig) Verantwortlichen klar zu dieser Thematik zu positionieren.

 

Es gilt auch weiterhin das Ziel zu verfolgen, durch sämtliche Maßnahmen und Aktionen die Bürger des Coburger Landes über die aktuellen Entwicklungen im Bereich Netzausbau zu informieren, zu sensibilisieren und zu motivieren, den Widerstand gegen neue Trassen durch unsere Region zu unterstützen.

 

 


Aus der Beratung:

 

Kreisrat Christoph Raabs beantragt Punkt 5 des Beschlusses zu streichen. Der Antrag wird mit 13 zu 36 Stimmen abgelehnt.