Beschluss:

 

Vorbehaltlich der Bereitstellung der Haushaltsmittel im Haushalt 2017 übernimmt der Landkreis Coburg ab dem Jahr 2017 die Betreuungskosten in alternativen Wohnformen für im Sinne des SGB XII bedürftige Senioren als freiwillige Leistung. Grundlage für die Leistungsgewährung ist die Richtlinie zur Individualleistung in alternativen Wohnformen. Der Richtlinie wird zugestimmt, sie ist Bestandteil dieses Beschlusses.

Im Haushalt 2017 werden dafür maximal 20.000 € eingestellt.

Die Verwaltung wird beauftragt, mit dem Bezirk bezüglich einer möglichen Kostenübernahme in Verhandlung zu treten. Weiterhin wird die Verwaltung beauftragt, nach einem Jahr zu berichten.

 


Sachverhalt:

 

Hintergrund

 

Die prognostizierten Zahlen zum erwarteten Hilfe- und Pflegebedarf der Bevölkerung, die mit der demografischen Entwicklung einhergehen, bestätigen, dass das Wohnungsangebot in Zukunft stärker als bisher auf die Bedarfslagen von hilfe- und pflegebedürftigen älteren Menschen ausgerichtet sein muss. Die vorhandenen Wohnmöglichkeiten für Senioren haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Bis vor einigen Jahren gab es nur zwei Möglichkeiten: entweder der Senior/ die Seniorin lebt mit oder ohne Unterstützung in der eigenen Wohnung oder, wenn es zu Hause nicht mehr geht, folgt der Umzug in ein Pflegeheim.

Die bevorzugte und häufigste Wohnform im Alter ist das eigene Zuhause. Laut einer Befragung wünschen sich mehr als 85 % nicht in ein Heim ziehen zu müssen (TNS Emnid, 2011). Zahlreiche Angebote haben sich in den letzten Jahren im Sinne des Grundsatzes „ambulant vor stationär“ entwickelt und die Landschaft der Wohnmöglichkeiten im Alter deutlich erweitert. Zwischen dem Wohnen zu Hause und dem Pflegeheim kommen weitere Wohn- und Versorgungsformen in Frage, die den älteren Menschen bedarfsgerecht unterstützen und den Erhalt der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung fördern.

Diese sog. alternativen Wohnformen umfassen im Landkreis Coburg derzeitig das Betreute Wohnen, ambulant betreute Wohngemeinschaften und das gewählte Zusammenleben von Familien und SeniorInnen im Projekt Zusammen Leben.

Neben den Kosten für das Wohnen und den Lebensunterhalt, sowie im Einzelfall erforderlichen hauswirtschaftlichen und pflegerischen Leistungen, fallen in allen diesen Wohnformen Kosten für Betreuungsleistungen an.

Die NutzerInnen der Angebote sind Selbstzahler.

Sind ältere Menschen über Rentenzahlungen und/oder Vermögen finanziell nicht leistungsfähig, besteht die Möglichkeit, Grundsicherung/Sozialhilfe zu beantragen.

 

Gesetzliche Regelung

 

Die gesetzlichen Regelungen dazu finden sich im 12. Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Für LandkreisbürgerInnen sind dafür zwei Stellen zuständig:

Für die Inanspruchnahme von Leistungen im stationären Bereich ist für der Bezirk Oberfranken Ansprechpartner, sowie sachbearbeitende und bewilligende Stelle. 

Die Sicherung des Lebensunterhaltes, die Übernahme von Kosten für Miete und Heizung, sowie ambulante Leistungen zur Weiterführung des Haushalts oder der Hilfe zur Pflege sind Aufgabe des Landkreises Coburg als örtlicher Sozialhilfeträger.

Weder explizit vorgesehen noch konkretisiert sind Leistungen für die Betreuung:


Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles

 

(1) Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt.

(2) Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann und wenn mit der Einrichtung Vereinbarungen nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches bestehen. Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre.
(§ 9 SGB XII)

 

 

Aktuelle Situation im Landkreis Coburg

 

Die Entwicklung und der Ausbau der alternativen Wohnformen sind gesetzlich gefordert

 

„Die Bedarfsermittlung ist Bestandteil eines integrativen, regionalen seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes, das nach dem Grundsatz ‚ambulant vor stationär‘ die Lebenswelt älterer Menschen mit den notwendigen Versorgungsstrukturen sowie neue Wohn- und Pflegeformen für ältere und pflegebedürftige Menschen im ambulanten Bereich umfasst.“
(Art. 69, Abs. 2 AGSG),

 

über das Seniorenpolitische Gesamtkonzept des Landkreises Coburg konkretisiert und vom Landkreis immateriell unterstützt: z.B. über die Beratung von Städten und Gemeinden oder ambulanten Pflegediensten, die häufig Initiatoren ambulant betreuter Wohngemeinschaften sind.

 

Gleichzeitig können z.Zt. nur SeniorInnen, die bei Einzug über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, die bestehenden und entstehenden alternativen Wohnformen nutzen. 

Immer wieder treten Monate oder Jahre nach Einzug in eine solche Wohnform Probleme auf, nämlich dann, wenn Ersparnisse aufgebraucht sind oder der Partner verstirbt.

 

Momentan zieht der Antrag bei der Sozialhilfe von Mietern alternativer Wohnformen einen monatelangen Aushandlungsprozess nach sich, der sowohl die Betroffenen und ihre Angehörigen oder z.B. auch die MitbewohnerInnen in der Wohngemeinschaft in Unsicherheit lässt und z.T. verunmöglicht.

 

Die bestehende Regelungslücke soll über die von der Verwaltung erarbeitete „Richtlinie zur Gewährung von Betreuungsleistungen für Senioren in alternativen Wohnformen“ (Anlage 1) geschlossen werden. Geregelt werden darin u.a.

  • dass die Leistung nur für ältere BürgerInnen des Landkreises gilt
  • die Leistung freiwillig ist und kein Rechtsanspruch darauf besteht
  • für die Leistungen Maximalgrenzen –differenziert nach alternativer Wohnform- gelten, die sich am Regelbedarf orientieren und
  • die Einkommens-, Vermögens- und Nachrangigkeitsregelungen des SGB XII Anwendung finden.

 


Finanzfolgen für den Landkreis

 

Die Anzahl an Plätzen in alternativen Wohnformen (incl. der derzeitig entstehenden) ist bekannt, die Betreuungspauschalen in den jeweiligen Wohnformen ermittelt.

Derzeitig liegt der Anteil der älteren Menschen, die ambulante Unterstützung erfahren und/oder Grundsicherung im Alter erhalten, bei 3 % aller Anspruchsberechtigten.

Dieser Prozentsatz wurde bei der Ermittlung der Kosten für den Landkreis zugrunde gelegt.

 

Der daraus folgende finanzielle Mehraufwand für die Übernahme von Betreuungsleistungen in alternativen Wohnform beläuft sich in dieser Berechnungssystematik auf jährlich

20.000 €.

 

Fazit

 

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass

  • der Landkreis mit der Übernahme dieser freiwilligen Leistungen zur Minimierung von Folgekosten in den angrenzenden Systemen der Pflegeversicherung und der stationären Pflege (Bezirk) beiträgt. Diese beteiligen sich aber nicht an diesen Kosten, da sie qua Definition als ambulante Leistung dem örtlichen Sozialhilfeträger zugeordnet wird;
  • der Gesetzgeber zwar alternative Wohnformen fordert, gleichzeitig aber keine klaren gesetzlichen Regelungen zur Einzelfallfinanzierung bestehen;
  • die vorgenommene Kostenkalkulation auf der derzeitigen Inanspruchnahme von Sozialleistungen Älterer aufsetzt. Steigt die Altersarmut, wird sich auch die prozentuale Inanspruchnahme nach oben verändern. Gleiches gilt für einen weiteren Ausbau dieser Angebote.

 

Aber:
Alternative Wohnformen ermöglichen, eine selbständigen Lebensführung mit der Sicherheit einer Betreuung und Versorgung im Bedarfsfalle zu verbinden. Damit wird der Umzug in eine stationäre Pflege hinauszögern oder sogar vermieden.

Der Landkreis Coburg hat sich das Ziel gesetzt, Versorgungslücken zwischen der bisherigen Wohnung und dem Pflegeheim zu schließen. Alternative Wohnformen sind als Elemente einer altersgerechten Infrastruktur unverzichtbar und sollten für alle BürgerInnen zugänglich sein.

 

Der Fachbeirat Senioren hat in seiner Sitzung vom 24.10.2016 befürwortet, diese freiwillige Leistung im Landkreis Coburg einzuführen.

 


aus der Beratung:

 

Der Vorsitzende verliest den geänderten Beschluss. Dieser wurde nach der Sitzung des Ausschuss Soziales, Gesundheit und Senioren abgeändert.

Aus den Reihen der Mitglieder werden verschiedene Vorschläge unterbreitet die Entscheidung zu vertagen. Auch alternative Finanzierungsformen werden angesprochen. Es wird diskutiert, ob es nicht sinnvoller sei, den Beschluss erst nach Festlegung des Haushalts 2017 zu fassen.