Beschluss: Kenntnis genommen

Sachverhalt:

1.            Zahlen

 

Bis zum 30.09.2015 sind im Landkreis Coburg 123 unbegleitete minderjährige Flüchtlingen (uM) aufgenommen worden. Alle Jugendlichen sind als Minderjährige zugewiesen oder aus Einrichtungen für erwachsene Asylbewerber im Landkreis in Obhut genommen worden.

Von den insgesamt 13 jungen Menschen, die am 30.09. volljährig waren, sind 6 während ihres Aufenthalts im Landkreis volljährig geworden, bei 7 weiteren Personen hat die (vertiefte) Altersfeststellung durch Mitarbeiter des Jugendamtes zu einer Neufestsetzung des Alters geführt.

 

Im Folgenden ist die Altersverteilung aller im Landkreis aufgenommenen uM zum Stichtag 30.09.2015 dargestellt:

 

 

Während zu Beginn der Zuweisungen ausschließlich 16- und 17-jährige kamen, verschiebt sich das Altersspektrum immer weiter nach unten. Die ersten 12- und 13-jährigen Kinder wurden im September aufgenommen.

 

Die jungen Menschen kommen zu 80 % aus Syrien und Afghanistan. Die Herkunftsländer der noch verbleibenden uM sind das Kosovo, Irak, Eritrea, Gambia, Somalia und Pakistan, wobei die Pakistani mit 10 % die größte Gruppe sind.

 

Nicht alle dem Landkreis zugewiesenen uM sind noch heute hier.

9 Jugendliche sind abgängig, d.h. sie haben den Landkreis mit unbekannter Zielrichtung verlassen. Das entspricht –bezogen auf die Anzahl der bis zum 30.09. zugewiesenen jungen Menschen- einer Quote von 7 %.

8 junge Männer wurden aufgrund eingetretener oder nachträglich festgestellter Volljährigkeit Erstaufnahmeeinrichtungen (für Erwachsene) überstellt.

In 4 Fällen konnte eine Familienzusammenführung realisiert werden bzw. steht diese in nächster Zeit an.

 

Alle anderen Kinder und Jugendliche leben in unterschiedlichsten Unterbringungsformen im Landkreis.

In der folgenden Übersicht sind die tatsächlichen und geplanten Maßnahmen quantitativ dargestellt. Dabei ist auch berücksichtigt worden, dass dem Landkreis ab dem 12.10. nochmals 10 uM zugewiesen werden.

 

 

 

 

2.            Rechtliche Einordnung

 

Die uM fallen nach wie vor in den Zuständigkeitsbereich der Kinder- und Jugendhilfe. Auch die zum 01.01.2016 geplanten Gesetzesanpassungen sehen dazu keine Änderung vor. Stattdessen betont das „Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher“ (Anlage 1) die Verantwortung der Jugendhilfe durch gesetzliche Anpassungen im Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetz.

Der wesentliche Punkt ist aber die bundesweite Verteilung minderjähriger Flüchtlinge, die bislang nicht möglich war, so dass alle in Bayern eingereisten Jugendlichen auch in Bayern versorgt werden mussten. Einschränkend muss dazu gesagt werden, dass der Gesetzesentwurf Ausnahmen und Interpretationsspielräume zulässt. Die Regelung, dass Minderjährige nicht verteilt werden dürfen, wenn dies dem Kindeswohl widerspricht oder ihr Gesundheitszustand eine Verteilung innerhalb von 14 Tagen nicht erlaubt, ist dabei noch nachvollziehbar. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass ein Bundesland seine Aufnahmequote nicht erfüllen kann. In dem Fall „verschiebt“ sich seine Aufnahmeverpflichtung zeitlich nach hinten.

Es bleibt also abzuwarten, ob tatsächlich ab Januar eine Entspannung der Situation in Bayern und auch im Landkreis Coburg zu erwarten ist.

 

3.            Aufgaben der Jugendhilfe

 

Die Aufgabenwahrnehmung der Jugendhilfe gliedert sich zum einen in den strukturellen und den einzelfallbezogenen Teil auf. Zum anderen muss differenziert werden zwischen den Verwaltungsaufgaben und den Aufgaben in Aufsicht, Bildung, Betreuung und Erziehung.

 

Strukturell stehen die Schaffung von Regelplätzen in den verschiedensten Wohnformen und die Entwicklung oder Erschließung von Zugängen zu einer umfassenden Infrastruktur von der medizinischen Versorgung über Bildungs- und Freizeitangebote bis hin zur beruflichen Qualifikation im Vordergrund.

 

Die sozialpädagogische Einzelfallhilfe muss die Struktur nutzen können und sich an ihrer Weiterentwicklung beteiligen, um mit und für den jeweiligen jungen Menschen eine bedarfsgerechte Hilfeplanung zu realisieren. Sie muss darüber hinaus Verwandte suchen (und finden), gerichtsfest prüfen und dokumentieren, ob die Altersangabe (in der Regel ohne Dokumente) bei Einreise zutrifft, Neuzugänge „clearen“ (wer bist du, woher kommst du, welche Sprache sprichst Du, Bist Du verletzt, krank ….) und Ersthilfen organisieren – diese Aufgaben werden in der Verwaltung, durch den Allgemeinen Sozialen Dienst, wahrgenommen.

Die Einzelfallhilfe muss aber auch den Alltag der Jugendlichen organisieren, ein gewaltfreies Miteinander in der Gruppe einüben, Kochen, Waschen, Einkaufen, Putzen beibringen, Beistand geben, wenn die nächste Meldung über die Bombardierung der Heimatstadt in Syrien die Tagesplanung auf den Kopf stellt. Das ist Wohngruppenarbeit, die in der Regel durch freie Träger sichergestellt wird, im Landkreis Coburg inzwischen aber auch vom Jugendamt selbst wahrgenommen werden muss.

Einzelfallarbeit ist aber auch das, was die finanzrelevanten Themen betrifft: Hat der Jugendliche einen Anspruch auf eine MRT-Untersuchung ? Wer ist der erstattungspflichtige überörtliche Träger und erkennt dieser die Rechnung für den Sprachkurs an ? Liegt die MID-Nummer[1] des uM vor ? Die Aufgaben reichen von der Zuständigkeitsprüfung und Bewilligung über Erstattungsverfahren und Einnahmen- und Ausgabenabwicklung bis hin zur Einleitung von Klageverfahren.

 

4.       Personalbedarf

 

4.1     Verwaltung

 

Für die Berechnung des Personalbedarfs in der Verwaltung für die Wahrnehmung der uM-Aufgaben liegen inzwischen sowohl die Erfassungsmöglichkeiten aus dem gesamtbayerischen Projekt PeB (Personalbemessung im Jugendamt) vor, als auch Fallzahlen des Kommunalen Prüfungsverbands (BKPV).

Das Instrument PeB wird bereits laufend im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) angewandt. So gut dieses Instrument ist, so zeitaufwendig ist seine Implementation – und daran mangelt es derzeitig. Deshalb wird für den Personalbedarf ersatzweise auf die Fallzahlenmethode zurückgegriffen.

Diese sieht für den uM-ASD 1 Vollzeitstelle für 34 Fälle vor, was einem Personalbedarf von 3,14 Stellen entsprechen würde. Aktuell tätig sind in diesem Bereich 2 Sozialpädagoginnen mit einem Stellenumfang von 1,5 VZÄ.

Für die uM-Aufgaben der Wirtschaftlichen Jugendhilfe geht der BKPV von einer Vollzeitstelle bei 81 Fälle im ersten und 118 Fälle im zweiten Jahr aus. Das entspricht einem Personalbedarf von 1,3 VZÄ entsprechen, der ab Sommer 2016 sukzessive auf 0,9 VZÄ abgesenkt werden müsste. Realisiert ist hier eine Aufstockung um 0,2 VZÄ, wobei diese im Mai 2016 endet. Zum 01.01.2016 wird eine Verwaltungsfachkraft in Vollzeit hinzukommen.

 

4.2     Wohngruppen

 

In den Wohngruppen gibt die Heimaufsicht die Personalausstattung mit Fachkräften vor. Diese liegt in heilpädagogischen Wohngruppen bei 5,0, in sozialpädagogischen Gruppen bei 4,0 sozialpädagogischen Fachkräften je 10 Jugendlicher.

Legt man dieses zugrunde, liegt der Personalbedarf bei 50 uM bei 20 VZÄ.

Davon wird im Alltagsbetrieb in den beiden Übergangseinrichtungen, die der Landkreis selbst betreibt, abgewichen.

Zwischen 8 und 22 Uhr sind in jeder Einrichtung 2 Fachkräfte im Dienst, im Nachtdienst ist ein pädagogisch erfahrener Mann eingesetzt. Die Anwesenheits- und Einsatzzeiten werden reduziert, wenn die Anzahl der Jugendlichen, die in der Wohngruppe anwesend sind, dies zulässt (z.B. bei Umverlegung, Sprachkurszeiten).

Zur Zeit sind 11,4 VZÄ-Stellen mit pädagogischem Personal und 2,9 VZÄ mit Nachtdienst besetzt.

 

5.            Kostenersatz

 

Die Aufwendungen, die der Landkreis in der Betreuung mit den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen hat, sind Ausgaben

-        für die Pflegekinder analog der Aufwendungen für alle Pflegefamilien im Landkreis

-        aufgrund der Rechnungen, die die freien Träger der uM-Wohngruppen an den Landkreis als zuständiges Jugendamt richten

-        für die Leistungen der Krankenhilfe

und spezifisch in den Einrichtungen, die der Landkreis selbst betreibt

-        für die Ausstattung, die Miete und Nebenkosten, die Bekleidung und den Lebensunterhalt, den Schulbedarf, etc., sowie

-        für das Personal (siehe Pkt. 4.2)

 

Diese Kosten sind von einem in jedem Einzelfall festgelegten überörtlichen Träger zu erstatten.

Im Landkreis Coburg sind seit September 2014 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht. Die Kostenerstattung ist bislang erst in 3 Fällen erfolgt.

 

Für den Verwaltungsaufwand hat der Freistaat Haushaltsmittel eingestellt, über deren Höhe und konkrete Verteilung noch keine abschließende Einigkeit herrscht. Der aktuelle Stand ist folgende Rückmeldung des Bayerischen Landkreistags vom 01.10.2015:

 

„Es findet momentan eine Abfrage der Zuständigkeiten bei den Jugendämtern zum Stichtag 30.09.2015 statt. Sobald die Zahlen dem StMAS gemeldet wurden, wird dort der Verteilmodus für die Personalkostenerstattung festgelegt und an die Regierungen kommuniziert. Fest steht bis jetzt, dass insgesamt 8,5 Mio. Euro zu verteilen sind. Für die Landeshauptstadt München werden vorab 2 Mio. Euro abgezogen, ebenso wie 5.000 Euro pro Platz in einer zentralen Erstaufnahmeeinrichtung. Das verbleibende Geld wird dann anhand der Zuständigkeiten verteilt. Unklar ist noch, wie die Zuständigkeiten in Amtshilfe berücksichtigt werden. Dies wird auch anhand der Rückmeldungen entschieden.“

 

Der Landkreis Coburg hatte zum o.a. Stichtag 66 umF in eigener Zuständigkeit und 40 Amtshilfefälle.

 

Die Mitglieder des Ausschusses für Jugend und Familie nehmen den Sachvortrag zur Kenntnis.



[1] = Identifikationsnummer, die jedem Flüchtling nach Ersterfassung zugeteilt wird