Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 9, Nein: 1

Beschluss:

 

1.    Der Ausschuss für Umwelt, Energie und Mobilität sieht die Wirtschaftlichkeit einer getrennten Biomüllerfassung aufgrund des nahezu nicht vorhandenen ökologischen Vorteils im Hinblick auf die entstehenden Kosten als nicht gegeben an.

 

2.    Der Ausschuss für Umwelt, Energie und Mobilität sieht daher, nach den vorliegenden Untersuchungsergebnissen aus § 11 Abs. 1 KrWG keine Verpflichtung des Landkreises, die Bioabfälle in seinem Gebiet mit einer zusätzlichen Biotonne getrennt zu sammeln.

 

3.    Er beschließt weiter, dass im Landkreis Coburg auf die Einführung weitergehender Biomüllerfassungssysteme verzichtet wird und eine solche Maßnahme bei der laufenden Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzepts nicht berücksichtigt wird.

 


Sachverhalt:

 

Entwicklung der Bioabfallerfassung

 

Die Bioabfallsammlung über die Biotonne wurde in vielen Kommunen von Beginn bis Mitte der 1990er Jahre eingeführt. Bis 1997 war die Biotonne in Deutschland bereits in über 330 Verwaltungseinheiten (von 419) eingeführt. Weitere Bestrebungen in den verbleibenden entsorgungspflichtigen Körperschaften gab es allerdings in den letzten Jahren kaum noch, teilweise wurde die Biotonne sogar wieder abgeschafft (z. B. Stadt Schweinfurt). Die Beweggründe für die Einführung der Biotonne lagen neben der Abfallvermeidung oftmals in der Bestrebung, die Restabfallmengen zu reduzieren, um so hohe Entsorgungskosten bzw. knapp werdendes Deponievolumen einzusparen.

 

Parallel zur Einführung der Biotonne etablierte sich die Kompostierung als Verwertungsschiene für Bioabfälle. In Zeiten der Energiewende haben sich die Ansprüche an eine nachhaltige Bioabfallverwertung weiter entwickelt. Heute laufen die Bestrebungen in Richtung der umfassenden Nutzung der im Bioabfall enthaltenen Potenziale aus stofflicher und energetischer Sicht. Daher wurde in den vergangenen 10 Jahren die kombinierte energetische und stoffliche Nutzung von Bioabfällen, die sogenannte Kaskadennutzung von Bioabfällen, entwickelt und vorangetrieben (z. B. Anlage zur Vergärung von biologischen Abfällen in Rehau).

 

 

Quelle: bifa/AU-Consult –Teilgutachten Lkrs. Coburg S. 8

 

 

Stand der Bioabfallerfassung in Bayern

 

In Bayern bieten 78 von 96 entsorgungspflichtigen Körperschaften die Biotonne an. Nach Angaben der Abfallbilanz Bayern 2013 sind ca. 76 % der Einwohner in den Städten und Landkreisen an die Biotonne angeschlossen. Bayernweit wurden in 2013 ca. 69,4 kg/(Ew*a) Bioabfälle über die Biotonne erfasst.

 

Ein Auszug aus der Abfallbilanz Bayern 2013 zeigt die große Schwankungsbreite der erfassten Mengen an Bioabfällen:

 

·                Amberg-Sulzbach               Landkreis          5,0 kg/(Ew*a)

·                Neumarkt i. d. Opf.            Landkreis          5,9 kg/(Ew*a)

·                Landsberg a. Lech              Landkreis          9,2 kg/(Ew*a)


 

 

·                Fürth                               Landkreis          114,6 kg/(Ew*a)

·                Augsburg                         Landkreis          115,4 kg/(Ew*a)

·                Main-Spessart                   Landkreis          117,1 kg/(Ew*a)

 

Neben den in der Biotonne gesammelten Abfällen zählt auch das separat erfasste Grüngut zur Fraktion der Bioabfälle. Für die Erfassung von Grüngut sind in Bayern überwiegend Bringsysteme eingerichtet. 95 von 96 entsorgungspflichtigen Körperschaften bieten entsprechende Sammelstellen an. 2013 wurden je Einwohner 90,2 kg Grüngut erfasst, davon sind ca. 75,3 kg/(Ew/a) aus Hausgärten und 14,9 kg/(Ew/a) aus der kommunalen Grünflächenpflege.

 

Auch hier zeigt ein Auszug aus der Abfallbilanz Bayern 2013 die große Spannweite der erfassten Mengen an Grünabfällen:

·                                                                                                               Main-Spessart    Landkreis      6,7 kg/(Ew*a)

·                                                                                                               Ansbach            Landkreis      8,9 kg/(Ew*a)

·                                                                                                               München           Stadt  9,1 kg/(Ew*a)

 

 

·                                                                                                               AZV Hof            Zweckverband         204,8 kg/(Ew*a)

·                                                                                                               Kulmbach          Landkreis      210,2 kg/(Ew*a)

·                                                                                                               Coburg             Landkreis      220,2 kg/(Ew*a)

·                                                                                                               Rhön-Grabfeld   Landkreis      309,2 kg/(Ew*a)

 

 

Übersicht über Sammelsysteme für Bioabfälle in Bayern

Quelle: Abfallbilanz Bayern 2013


 

Die Rahmenbedingungen

 

Nach § 11 Abs. 1 KrWG sind Bioabfälle spätestens ab 01.01.2015 getrennt zu erfassen. Dabei sind diejenigen Bioabfälle, die gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG einer Überlassungspflicht gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger unterliegen, unter dem Vorbehalt der technischen Möglichkeit und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit getrennt zu erfassen und zu recyceln. Der Vorrang der stofflichen Verwertungspflicht entfällt dann, wenn die energetische Verwertung dem besseren Schutz von Mensch und Umwelt dient. Dies gilt es jedoch mittels Lebenszyklusanalyse der Erfassungs- und Verwertungswege nachzuweisen.

 

Die technische Möglichkeit ist auf Grund geeigneter technischer Behandlungsverfahren als auch vorhandener Behandlungskapazitäten in entsprechenden Anlagen gegeben. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit wird momentan sehr kontrovers diskutiert. Letztlich ist es eine Entscheidung des Landkreises Coburg auf Basis der im Gutachten erarbeiteten Entscheidungsgrundlagen für die Einzelsituation des Landkreises. Weitere Konkretisierungen von Seiten des Bundes oder des Landes in Form von Verordnungen sind nicht zu erwarten. Von der ursprünglich angedachten Festlegung von Kriterien wie Erfassungsmengen, Organikanteil im Restabfall oder Anschlussgrade auf Basis des Forschungsvorhabens „Verpflichtende Umsetzung der Getrenntsammlung von Bioabfällen“ im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit wird Abstand genommen, da die Einflussfaktoren vielfältig sind und bei den Gebietskörperschaften im Bundesgebiet sehr unterschiedlich zusammengesetzt sind und wirken. Daher wird es von Seiten des Bundes nur Handlungsempfehlungen geben. Die Entscheidung über die Art der getrennten Erfassung verbleibt beim öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger.

 

 


 

 

·         In Deutschland gibt es 96 öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger (von insgesamt 405), die keine Biotonne anbieten.

·         Dies betrifft rund 14,3 Millionen Menschen. 67,5 Millionen Bürger leben in Regionen, in denen die Biotonne eingeführt wurde.

·         Der tatsächliche Anschlussgrad liegt in diesen Regionen jedoch nur bei rund 56 %, sodass weiteren ca. 30 Millionen Bürgern keine Biotonne zur Verfügung steht.

 

Quelle: Umweltbundesamt März 2012

 

 

Option flächendeckende Biotonne

 

Es gibt zwei Möglichkeiten: Holsystem oder Bringsystem

 

Die Bewertung der ökologischen Sinnhaftigkeit einer Erfassung von Bioabfällen über Hol- bzw. Bringsysteme sind im Gutachten dargestellt. Mit umfangreichen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass mit einer zusätzlichen Biotonne nur ein sehr geringer weiterer ökologischer Vorteil erreicht werden könnte und dass dafür unverhältnismäßig hohe Kosten anfallen würden. (bifa/AU-Consult Teilgutachten S. 54 und 55 wurde eine ökologische Verbesserung der IST-Situation (2 bis 4%) erreicht; eine Biotonne mit ganzjähriger 14-tägiger Abfuhr wäre mit zusätzlichen Kosten von ca. (25,3 bis 47,0%) der derzeitigen Müllgebühr verbunden).

 

Unter diesen Umständen ist eine zusätzliche Biotonne wirtschaftlich nicht zumutbar.

 

 

Organik aus der separaten Grünguterfassung zzgl. Auswirkung Biotonne (BT)

 

 

Quelle: Gutachten S. 10


 

 

Handlungsoptionen für den Landkreis Coburg

 

6.1. Biotonne im Holsystem

 

Im Holsystem entstehen nach dem Gutachten für den Landkreis Coburg Kosten von insgesamt ca. 500.000 € – 760.000 €. ( Quelle: Gutachten S. 5). Im Verhältnis zum gesamten Haushaltsvolumen der Abfallwirtschaft, das derzeit bei ca. 4 Mio. €/a liegt, bedeutet dies einen Anteil von rund 15 % (Quelle: Gutachten S. 5). Bezogen auf die aktuellen Entsorgungsgebühren würden Erhöhungen in einer Größenordnung von rund 25% bei wöchentlicher Abfuhr erforderlich oder ca. 7 € / Kopf und Jahr. Dies erscheint im Verhältnis zu den bisherigen Gebühren zu hoch.

 

Die Studie des bifa – Umweltinstitutes und der Fa. AU –Consult ergab für die IST-Situation, dass eine Biotonne, unabhängig von der gewählten Umsetzungsvariante, nur einen geringen ökologischen Vorteil von 2 bis 4% bringt.

 

(Quelle: Gutachten S. 54)

 

Ein zusätzliches Holsystem wäre deshalb unter Umweltaspekten nicht eindeutig die beste Entsorgungsoption und würde zu keiner wesentlich hochwertigeren Verwertung der Bioabfälle als die heutige Situation führen. Die Ökobilanz orientiert sich an den dafür gültigen Normen und den Empfehlungen des Umweltbundesamtes.

 

6.2. Bioabfallerfassung im Bringsystem

 

Eine Möglichkeit, Bioabfälle im Landkreis Coburg zu erfassen, ist die Einrichtung eines Bringsystems. Konkret bedeutet dies, dass an allen 14 Wertstoffhöfen entsprechende Sammelbehälter aufgestellt werden. Damit ist eine gewisse Flächendeckung vorhanden. Die Bevölkerung kann organische Abfälle gemeinsam mit anderen Wertstoffen anliefern.

Aufgrund des Sammelsystems und der Größe der Sammelbehälter ist eine Entsorgung von Gartenabfällen ausgeschlossen. Vorteil ist also, dass bereits vorhandene Entsorgungswege, wie Eigenkompostierung und die Anlieferung von Grüngut an den Kompostplätzen, durch ein  Bringsystem für Bioabfälle nicht beeinflusst werden.

 

Sollte eine Bioabfallerfassung im Bringsystem im Landkreis Coburg umgesetzt werden, bietet sich die Möglichkeit an, auf vorhandene Dienstleister zuzugreifen. Fachfirmen bieten geeignete Behältersysteme (240 Liter oder 1,1m³) an.

 

Es ist auch denkbar, die Erfassung von Bioabfällen an Wertstoffhöfen im Landkreis Coburg (im Bringsystem) über eine bestimmte Zeit (z. B. 2 Jahre) der Bevölkerung anzubieten, um dadurch weitere Erfahrungen zu sammeln.

 

Sollte eine Bioabfallerfassung im Bringsystem im Landkreis Coburg umgesetzt werden, sind folgende Punkte zu berücksichtigen:

 

·         Zusammenarbeit mit einer Fachfirma

·         Behältergestellung, Transport, Reinigung und Verwertung

·         Bioabfallerfassung an allen 14 Wertstoffhöfen

·         Abfuhrrhythmus 1 x wöchentlich

·         Menge: 50 – 150 Tonnen pro Jahr

 

 
 


 

Kostenvoranfrage des Landkreises Coburg vom 15.06.2015:

14 Wertstoffhöfe mit je 240 Liter Biotonne bei wöchentlicher Entleerung      à 

 

Gesamtkosten: ca. 15.000 €/Jahr

 

6.3. Bioabfallerfassung wird nicht eingeführt

 

Biomüll ?

 

Nein Danke!

 

 

§ 11 Abs. 1 insbes. in Verbindung mit § 7 Abs. 2 und 4 KrWG gibt vor, dass Bioabfälle getrennt zu sammeln sind, soweit dies zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichten (Vorrang der Verwertung) erforderlich und  technisch möglich sowie wirtschaftlich zumutbar ist.

 

Der Erforderlichkeitsvorbehalt der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit wird kontrovers diskutiert und das Gutachten zeigt, dass die Einführung einer Biotonne mit erheblichen Kosten verbunden ist. Eine Auslegung inwiefern eine Einführung der Getrennterfassung wirtschaftlich unzumutbar ist und ob dies im Zusammenhang mit den ökologischen Unterschieden zur IST-Situation zu sehen ist, kann selbst im aktuellen Gutachten nicht abschließend geklärt werden.

 

Die komplette Nichterfassung der Küchenabfälle wird allerdings seitens der Aufsichtsbehörden (bis jetzt) nicht akzeptiert, wenngleich auch verschiedene Varianten denkbar sind. Derzeit ist eine Aufrechnung der Grüngutmengen nicht möglich, da per gesetzlicher Definition aus dem KrWG alle Bioabfälle getrennt gesammelt werden müssen.

 

Rechtliche Beurteilung

 

Nach den vorliegenden Ergebnissen würde die zusätzliche Sammlung der Bioabfälle unabhängig von der gewählten Umsetzungsvariante, nur einen geringen weiteren ökologischen Vorteil bringen. Sie wäre damit nicht die eindeutig beste Entsorgungsoption im Sinne von § 8 Abs. 1 und §11 Abs. 1 KrWG und würde auch zu keiner wesentlich hochwertigeren Verwertung der Bioabfälle als die heutige Situation führen. Den geringen ökologischen Vorteilen einer Biomüllerfassung würden Mehrkosten und höhere Gebühren für die Nutzer gegenüber stehen. Mit dem von den Aufsichtsbehörden vorgeschlagenem Bringsystem würde man nur als weißer Punkt von der Landkarte verschwinden (siehe auch Karte unter Punkt 2.).

 

Der Umweltausschuss muss auf der Grundlage der vorliegenden Untersuchungen, insbesondere der Ökobilanz und der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung eine Entscheidung darüber treffen, ob unter Berücksichtigung des aktuellen Entsorgungskonzepts des Landkreises Coburg eine Pflicht zur weitergehenden getrennten Erfassung von Bioabfällen besteht oder nicht.

 

Empfehlung und weiteres Vorgehen

 

Das Bayerische Staatministerium für Umwelt und Verbraucherschutz und das Bayerische Landesamt für Umwelt vertreten die Meinung, dass die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gesetzlich verpflichtet sind, die Bioabfälle ab dem Jahr 2015 getrennt zu sammeln sind, zumindest mit einem Bringsystem.

 

Im Landkreis Coburg wird mit den Grünabfällen bereits ein großer Teil der Bioabfälle getrennt gesammelt und hochwertig verwertet. Die durchgeführten Untersuchungen haben ergeben, dass die zusätzliche Sammlung von Bioabfällen, unabhängig von der gewählten Umsetzungsvariante, zu keiner wesentlich hochwertigeren Verwertung der Bioabfälle als die heutige Situation führen würde. Die Mehrkosten und die höheren Gebühren für die Nutzer stünden außer Verhältnis zum geringen Nutzen für die Umwelt und wären deshalb wirtschaftlich nicht zumutbar.

 

Die Regierung von Oberfranken (RvO) wird über  den Beschluss des Umweltausschusses zur künftigen Bioabfallentsorgung informiert werden. Die RvO hat bereits alle öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in ihrem Bereich bis Ende Mai 2015 um einen Zwischenbericht zum Stand der Bioabfallentsorgung gebeten.

 

Die Rechtsaufsichtsbehörde könnte einen solchen Beschluss des Umweltausschusses nur erfolgreich beanstanden, wenn er gegen Gesetze verstoßen würde. Dies ist nach dem vorliegenden Gutachten nicht zu erwarten.

 

Eine rechtliche Auseinandersetzung ist aber nicht auszuschließen.