Sitzung: 09.07.2015 Ausschuss für Umwelt, Energie und Mobilität
Beschluss: mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 9, Nein: 1
Vorlage: 060/2015
Beschluss:
1.
Der
Ausschuss für Umwelt, Energie und Mobilität sieht die Wirtschaftlichkeit einer
getrennten Biomüllerfassung aufgrund des nahezu nicht vorhandenen ökologischen
Vorteils im Hinblick auf die entstehenden Kosten als nicht gegeben an.
2.
Der Ausschuss
für Umwelt, Energie und Mobilität sieht daher, nach den vorliegenden Untersuchungsergebnissen
aus § 11 Abs. 1 KrWG keine Verpflichtung des Landkreises, die Bioabfälle in
seinem Gebiet mit einer zusätzlichen Biotonne getrennt zu sammeln.
3. Er beschließt weiter, dass im Landkreis
Coburg auf die Einführung weitergehender Biomüllerfassungssysteme verzichtet
wird und eine solche Maßnahme bei der laufenden Fortschreibung des
Abfallwirtschaftskonzepts nicht berücksichtigt wird.
Sachverhalt:
Entwicklung
der Bioabfallerfassung
Die
Bioabfallsammlung über die Biotonne wurde in vielen Kommunen von Beginn bis
Mitte der 1990er Jahre eingeführt. Bis 1997 war die Biotonne in Deutschland
bereits in über 330 Verwaltungseinheiten (von 419) eingeführt. Weitere
Bestrebungen in den verbleibenden entsorgungspflichtigen Körperschaften gab es
allerdings in den letzten Jahren kaum noch, teilweise wurde die Biotonne sogar
wieder abgeschafft (z. B. Stadt Schweinfurt). Die Beweggründe für die
Einführung der Biotonne lagen neben der Abfallvermeidung oftmals in der
Bestrebung, die Restabfallmengen zu reduzieren, um so hohe Entsorgungskosten
bzw. knapp werdendes Deponievolumen einzusparen.
Parallel zur
Einführung der Biotonne etablierte sich die Kompostierung als Verwertungsschiene
für Bioabfälle. In Zeiten der Energiewende haben sich die Ansprüche an eine
nachhaltige Bioabfallverwertung weiter entwickelt. Heute laufen die
Bestrebungen in Richtung der umfassenden Nutzung der im Bioabfall enthaltenen
Potenziale aus stofflicher und energetischer Sicht. Daher wurde in den
vergangenen 10 Jahren die kombinierte energetische und stoffliche Nutzung von
Bioabfällen, die sogenannte Kaskadennutzung von Bioabfällen, entwickelt und
vorangetrieben (z. B. Anlage zur Vergärung von biologischen Abfällen in Rehau).
Quelle: bifa/AU-Consult –Teilgutachten Lkrs.
Coburg S. 8
Stand
der Bioabfallerfassung in Bayern
In Bayern bieten 78
von 96 entsorgungspflichtigen Körperschaften die Biotonne an. Nach Angaben der
Abfallbilanz Bayern 2013 sind ca. 76 % der Einwohner in den Städten und
Landkreisen an die Biotonne angeschlossen. Bayernweit wurden in 2013 ca. 69,4
kg/(Ew*a) Bioabfälle über die Biotonne erfasst.
Ein Auszug aus der
Abfallbilanz Bayern 2013 zeigt die große Schwankungsbreite der erfassten Mengen
an Bioabfällen:
·
Amberg-Sulzbach
Landkreis 5,0 kg/(Ew*a)
·
Neumarkt
i. d. Opf. Landkreis 5,9 kg/(Ew*a)
·
Landsberg
a. Lech Landkreis 9,2 kg/(Ew*a)
·
Fürth Landkreis 114,6 kg/(Ew*a)
·
Augsburg Landkreis 115,4 kg/(Ew*a)
·
Main-Spessart Landkreis 117,1 kg/(Ew*a)
Neben den in der
Biotonne gesammelten Abfällen zählt auch das separat erfasste Grüngut zur
Fraktion der Bioabfälle. Für die Erfassung von Grüngut sind in Bayern
überwiegend Bringsysteme eingerichtet. 95 von 96 entsorgungspflichtigen
Körperschaften bieten entsprechende Sammelstellen an. 2013 wurden je Einwohner
90,2 kg Grüngut erfasst, davon sind ca. 75,3 kg/(Ew/a) aus Hausgärten und 14,9
kg/(Ew/a) aus der kommunalen Grünflächenpflege.
Auch hier zeigt ein
Auszug aus der Abfallbilanz Bayern 2013 die große Spannweite der erfassten
Mengen an Grünabfällen:
·
Main-Spessart Landkreis 6,7 kg/(Ew*a)
·
Ansbach
Landkreis 8,9 kg/(Ew*a)
·
München
Stadt 9,1 kg/(Ew*a)
·
AZV Hof
Zweckverband 204,8 kg/(Ew*a)
·
Kulmbach
Landkreis 210,2 kg/(Ew*a)
·
Coburg Landkreis 220,2 kg/(Ew*a)
·
Rhön-Grabfeld
Landkreis 309,2 kg/(Ew*a)
Übersicht über Sammelsysteme für Bioabfälle
in Bayern
Quelle: Abfallbilanz Bayern 2013
Die
Rahmenbedingungen
Nach § 11 Abs. 1
KrWG sind Bioabfälle spätestens ab 01.01.2015 getrennt zu erfassen. Dabei sind
diejenigen Bioabfälle, die gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 KrWG einer
Überlassungspflicht gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger
unterliegen, unter dem Vorbehalt der technischen Möglichkeit und der
wirtschaftlichen Zumutbarkeit getrennt zu erfassen und zu recyceln. Der Vorrang
der stofflichen Verwertungspflicht entfällt dann, wenn die energetische
Verwertung dem besseren Schutz von Mensch und Umwelt dient. Dies gilt es jedoch
mittels Lebenszyklusanalyse der Erfassungs- und Verwertungswege nachzuweisen.
Die technische
Möglichkeit ist auf Grund geeigneter technischer Behandlungsverfahren als auch
vorhandener Behandlungskapazitäten in entsprechenden Anlagen gegeben. Die
wirtschaftliche Zumutbarkeit wird momentan sehr kontrovers diskutiert.
Letztlich ist es eine Entscheidung des Landkreises Coburg auf Basis der im
Gutachten erarbeiteten Entscheidungsgrundlagen für die Einzelsituation des
Landkreises. Weitere Konkretisierungen von Seiten des Bundes oder des Landes in
Form von Verordnungen sind nicht zu erwarten. Von der ursprünglich angedachten
Festlegung von Kriterien wie Erfassungsmengen, Organikanteil im Restabfall oder
Anschlussgrade auf Basis des Forschungsvorhabens „Verpflichtende Umsetzung der
Getrenntsammlung von Bioabfällen“ im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit wird Abstand genommen, da die
Einflussfaktoren vielfältig sind und bei den Gebietskörperschaften im
Bundesgebiet sehr unterschiedlich zusammengesetzt sind und wirken. Daher wird
es von Seiten des Bundes nur Handlungsempfehlungen geben. Die Entscheidung über
die Art der getrennten Erfassung verbleibt beim öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger.
·
In
Deutschland gibt es 96 öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger (von insgesamt
405), die keine Biotonne anbieten.
·
Dies
betrifft rund 14,3 Millionen Menschen. 67,5 Millionen Bürger leben in Regionen,
in denen die Biotonne eingeführt wurde.
·
Der
tatsächliche Anschlussgrad liegt in diesen Regionen jedoch nur bei rund 56 %,
sodass weiteren ca. 30 Millionen Bürgern keine Biotonne zur Verfügung steht.
Quelle: Umweltbundesamt
März 2012
Option
flächendeckende Biotonne
Es gibt zwei
Möglichkeiten: Holsystem oder Bringsystem
Die Bewertung der ökologischen
Sinnhaftigkeit einer Erfassung von Bioabfällen über Hol- bzw. Bringsysteme sind
im Gutachten dargestellt. Mit umfangreichen Untersuchungen wurde nachgewiesen,
dass mit einer zusätzlichen Biotonne nur ein sehr geringer weiterer
ökologischer Vorteil erreicht werden könnte und dass dafür unverhältnismäßig
hohe Kosten anfallen würden. (bifa/AU-Consult Teilgutachten S. 54 und 55 wurde
eine ökologische Verbesserung der IST-Situation (2 bis 4%) erreicht; eine
Biotonne mit ganzjähriger 14-tägiger Abfuhr wäre mit zusätzlichen Kosten von
ca. (25,3 bis 47,0%) der derzeitigen Müllgebühr verbunden).
Unter diesen
Umständen ist eine zusätzliche Biotonne wirtschaftlich nicht zumutbar.
Organik
aus der separaten Grünguterfassung zzgl. Auswirkung Biotonne (BT)
Quelle: Gutachten S. 10
Handlungsoptionen
für den Landkreis Coburg
6.1. Biotonne im
Holsystem
Im Holsystem entstehen nach dem Gutachten für den Landkreis Coburg
Kosten von insgesamt ca. 500.000 € – 760.000 €. ( Quelle: Gutachten S. 5). Im
Verhältnis zum gesamten Haushaltsvolumen der Abfallwirtschaft, das derzeit bei
ca. 4 Mio. €/a liegt, bedeutet dies einen Anteil von rund 15 % (Quelle:
Gutachten S. 5). Bezogen auf die aktuellen Entsorgungsgebühren würden
Erhöhungen in einer Größenordnung von rund 25% bei wöchentlicher Abfuhr
erforderlich oder ca. 7 € / Kopf und Jahr. Dies erscheint im Verhältnis zu den
bisherigen Gebühren zu hoch.
Die Studie des bifa – Umweltinstitutes und der Fa. AU –Consult ergab für
die IST-Situation, dass eine Biotonne, unabhängig von der gewählten
Umsetzungsvariante, nur einen geringen ökologischen Vorteil von 2 bis 4%
bringt.
(Quelle: Gutachten S. 54)
Ein zusätzliches Holsystem wäre deshalb unter Umweltaspekten nicht
eindeutig die beste Entsorgungsoption und würde zu keiner wesentlich
hochwertigeren Verwertung der Bioabfälle als die heutige Situation führen. Die
Ökobilanz orientiert sich an den dafür gültigen Normen und den Empfehlungen des
Umweltbundesamtes.
6.2.
Bioabfallerfassung im Bringsystem
Eine Möglichkeit,
Bioabfälle im Landkreis Coburg zu erfassen, ist die Einrichtung eines
Bringsystems. Konkret bedeutet dies, dass an allen 14 Wertstoffhöfen
entsprechende Sammelbehälter aufgestellt werden. Damit ist eine gewisse
Flächendeckung vorhanden. Die Bevölkerung kann organische Abfälle gemeinsam mit
anderen Wertstoffen anliefern.
Aufgrund des
Sammelsystems und der Größe der Sammelbehälter ist eine Entsorgung von
Gartenabfällen ausgeschlossen. Vorteil ist also, dass bereits vorhandene
Entsorgungswege, wie Eigenkompostierung und die Anlieferung von Grüngut an den
Kompostplätzen, durch ein Bringsystem
für Bioabfälle nicht beeinflusst werden.
Sollte eine
Bioabfallerfassung im Bringsystem im Landkreis Coburg umgesetzt werden, bietet
sich die Möglichkeit an, auf vorhandene Dienstleister zuzugreifen. Fachfirmen
bieten geeignete Behältersysteme (240 Liter oder 1,1m³) an.
Es ist auch
denkbar, die Erfassung von Bioabfällen an Wertstoffhöfen im Landkreis Coburg
(im Bringsystem) über eine bestimmte Zeit (z. B. 2 Jahre) der Bevölkerung
anzubieten, um dadurch weitere Erfahrungen zu sammeln.
Sollte eine
Bioabfallerfassung im Bringsystem im Landkreis Coburg umgesetzt werden, sind
folgende Punkte zu berücksichtigen:
·
Zusammenarbeit
mit einer Fachfirma ·
Behältergestellung,
Transport, Reinigung und Verwertung ·
Bioabfallerfassung
an allen 14 Wertstoffhöfen ·
Abfuhrrhythmus
1 x wöchentlich ·
Menge:
50 – 150 Tonnen pro Jahr
Kostenvoranfrage
des Landkreises Coburg vom 15.06.2015:
14
Wertstoffhöfe mit je 240 Liter Biotonne bei wöchentlicher Entleerung à
Gesamtkosten:
ca. 15.000 €/Jahr
6.3.
Bioabfallerfassung wird nicht eingeführt
Biomüll ? Nein Danke!
§ 11 Abs. 1 insbes.
in Verbindung mit § 7 Abs. 2 und 4 KrWG gibt vor, dass Bioabfälle getrennt zu
sammeln sind, soweit dies zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichten (Vorrang der
Verwertung) erforderlich und technisch möglich
sowie wirtschaftlich zumutbar ist.
Der
Erforderlichkeitsvorbehalt der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit wird kontrovers
diskutiert und das Gutachten zeigt, dass die Einführung einer Biotonne mit
erheblichen Kosten verbunden ist. Eine Auslegung inwiefern eine Einführung der
Getrennterfassung wirtschaftlich unzumutbar ist und ob dies im Zusammenhang mit
den ökologischen Unterschieden zur IST-Situation zu sehen ist, kann selbst im
aktuellen Gutachten nicht abschließend geklärt werden.
Die komplette Nichterfassung
der Küchenabfälle wird allerdings seitens der Aufsichtsbehörden (bis jetzt)
nicht akzeptiert, wenngleich auch verschiedene Varianten denkbar sind. Derzeit
ist eine Aufrechnung der Grüngutmengen nicht möglich, da per gesetzlicher
Definition aus dem KrWG alle Bioabfälle getrennt gesammelt werden müssen.
Rechtliche
Beurteilung
Nach den
vorliegenden Ergebnissen würde die zusätzliche Sammlung der Bioabfälle
unabhängig von der gewählten Umsetzungsvariante, nur einen geringen weiteren
ökologischen Vorteil bringen. Sie wäre damit nicht die eindeutig beste
Entsorgungsoption im Sinne von § 8 Abs. 1 und §11 Abs. 1 KrWG und würde auch zu
keiner wesentlich hochwertigeren Verwertung der Bioabfälle als die heutige
Situation führen. Den geringen ökologischen Vorteilen einer Biomüllerfassung
würden Mehrkosten und höhere Gebühren für die Nutzer gegenüber stehen. Mit dem
von den Aufsichtsbehörden vorgeschlagenem Bringsystem würde man nur als weißer
Punkt von der Landkarte verschwinden (siehe auch Karte unter Punkt 2.).
Der Umweltausschuss
muss auf der Grundlage der vorliegenden Untersuchungen, insbesondere der
Ökobilanz und der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung eine Entscheidung darüber
treffen, ob unter Berücksichtigung des aktuellen Entsorgungskonzepts des Landkreises
Coburg eine Pflicht zur weitergehenden getrennten Erfassung von Bioabfällen
besteht oder nicht.
Empfehlung
und weiteres Vorgehen
Das Bayerische
Staatministerium für Umwelt und Verbraucherschutz und das Bayerische Landesamt
für Umwelt vertreten die Meinung, dass die öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger gesetzlich verpflichtet sind, die Bioabfälle ab dem Jahr 2015
getrennt zu sammeln sind, zumindest mit einem Bringsystem.
Im Landkreis Coburg
wird mit den Grünabfällen bereits ein großer Teil der Bioabfälle getrennt
gesammelt und hochwertig verwertet. Die durchgeführten Untersuchungen haben
ergeben, dass die zusätzliche Sammlung von Bioabfällen, unabhängig von der
gewählten Umsetzungsvariante, zu keiner wesentlich hochwertigeren Verwertung
der Bioabfälle als die heutige Situation führen würde. Die Mehrkosten und die
höheren Gebühren für die Nutzer stünden außer Verhältnis zum geringen Nutzen
für die Umwelt und wären deshalb wirtschaftlich nicht zumutbar.
Die Regierung von
Oberfranken (RvO) wird über den
Beschluss des Umweltausschusses zur künftigen Bioabfallentsorgung informiert
werden. Die RvO hat bereits alle öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in
ihrem Bereich bis Ende Mai 2015 um einen Zwischenbericht zum Stand der Bioabfallentsorgung
gebeten.
Die
Rechtsaufsichtsbehörde könnte einen solchen Beschluss des Umweltausschusses nur
erfolgreich beanstanden, wenn er gegen Gesetze verstoßen würde. Dies ist nach
dem vorliegenden Gutachten nicht zu erwarten.
Eine rechtliche Auseinandersetzung
ist aber nicht auszuschließen.