Beschluss: einstimmig

Beschluss:

 

Dem Kreistag wird empfohlen, folgenden Beschluss zu fassen:

 

1.    Der Landkreis Coburg wendet ab sofort bei Vergaben öffentlicher Aufträge auch unterhalb des EU-Schwellenwertes von 207.000 € die VOL Teil A und B an.

 

2.    Der Durchführung aller Liefer- und Dienstleistungsaufträgen des Landkreises Coburg ist das Vergabehandbuch für Lieferungen und Leistungen (VHL Bayern) zugrunde zu legen.

 


 

Kreisrat Frank Rebhan stellt den Antrag, den Tagesordnungspunkt im Anschluss an die Sitzung nichtöffentlich zu behandeln.

 

Dem Antrag wird einstimmig zugestimmt

 

 

 

 

Der Vorsitzende schließt den öffentlichen Teil der Sitzung um 15:35 Uhr.

 

 

Nicht öffentlich

 

Während der Behandlung des Tagesordnungspunktes „Anwendung der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) unterhalb der Schwellenwerte im Landkreis Coburg“ ist die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

 

 

 

Sachverhalt:

 

1.) Anwendung der VOL

 

Gemäß Kreistagsbeschluss vom 07.12.1995 („Die Vergaben im Landratsamt Coburg werden entsprechend den Bestimmungen des § 31 KommHV abgewickelt.“) wird derzeit die VOL für Lieferleistungen unterhalb des EU- Schwellenwertes (207.000 €) nicht angewandt.

 

§ 31 Absatz 1 KommHV bestimmt, dass „der Vergabe von Aufträgen eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen muss, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine beschränkte Ausschreibung oder eine freihändige Vergabe rechtfertigen.“

§ 31 Abs.2 KommHV lautet: „ Bei der Vergabe von Aufträgen und dem Abschluss von Verträgen sind die Vergabegrundsätze anzuwenden, die das Staatsministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen bekanntgibt.“

 

Daraus folgt, dass auch bei Nichtanwendung der VOL die wichtigsten Grundsätze des Vergaberechts über die Geltung des § 31 KommHV beachtet werden müssen und Aufträge nicht ohne rechtliche Vorgaben erteilt werden dürfen.

 

Gemäß EU-Vertrag müssen, wenn die VOL nicht unmittelbar angewandt wird, vergleichbare Regelungen geschaffen werden, die die Grundprinzipien des Vergaberechts, nämlich Transparenz, Gleichbehandlung und Wettbewerbsfreiheit, in unseren Vergabeverfahren unterhalb des Schwellenwertes wahren. Ausfluss dieser Grundsätze sind insbesondere die Dokumentations- und Veröffentlichungspflichten sowie der Nachweis diskriminierungsfreien Vorgehens.

 

Sollte diesen Anforderungen in den einzelnen Vergabeverfahren nicht Genüge getan werden, können die beteiligten Bieter auch unterhalb der Schwellenwerte Rechtsschutz ersuchen.

Dies bedeutet, es bestehen für die Verwaltung verschiedene rechtliche Risiken:

 

-           Gefahr von zivilrechtlichen Streitigkeiten: In der Regel handelt es sich dabei um Eilverfahren vor den Zivilgerichten nach § 916 ff ZPO wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG.

 

-           Des Weiteren können zivilrechtliche Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss) geltend gemacht werden.

 

-           Nach teilweise vertretener Ansicht ist es auch möglich, Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten zu erlangen.

 

-           Es besteht weiterhin die Gefahr der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission, da die EU-Richtlinien den Status von EU-Primärrecht haben und somit die Gebote der Nichtdiskriminierung und Transparenz auch unmittelbar gelten. Vertragsverletzungsverfahren wurde in den letzten Jahren auch vermehrt gegenüber Kommunen bzw. Landkreisen eingeleitet, weshalb man nicht mehr ohne Prüfung davon ausgehen kann, dass unsere zu vergebenden Aufträge grundsätzlich keine Binnenrelevanz haben.

 

-           Die Rückforderung von Fördergeldern bei Verstößen gegen die Vergaberechts-grundsätze ist eine häufige Sanktion.

 

Zur Vermeidung dieser o.g. rechtlichen Risiken hat daher das Staatsministerium des Inneren mit IMS vom 14.10.2005 (Az.: IB3-1512.4-138, zuletzt geändert durch Bek. 12.12.12 (AllMBl 2013 S. 6) auch bei Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen unterhalb der Schwellenwerte die Anwendung der VOL empfohlen.

 

Die Anwendung der VOL unterhalb der Schwellenwerte bringt folgende Vorteile mit sich:

 

-           Zunächst wäre eindeutig geklärt, in welchen Fällen eine beschränkte oder freihändige Vergabe erfolgen kann (vgl. die Fallgruppen in § 3 Abs.3-5 VOL). Aus der Regelung des §31 Abs.1 KommHV hingegen ergibt sich lediglich die grundsätzliche Möglichkeit, aber keine Aussage darüber, wann welches Verfahren rechtssicher, d.h. ohne Befürchtung rechtlicher Risiken, durchgeführt werden kann.

 

-           Desweiteren ist zu beachten, dass die knappe Formulierung des §31 Abs.1 KommHV in der Praxis von den jeweiligen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern auszugestalten ist, d.h. sie haben auch in diesem Fall die Grundsätze des Vergaberechts, wie z.B. eine ausführliche Leistungsbeschreibung, eine schriftliche Niederlegung der Angebotsauswertung usw. zu beachten. Konkrete Angaben zum Verfahren gibt es jedoch nicht, da die VOL nicht direkt anwendbar ist. Bei Anwendung der VOL auch unterhalb der Schwellenwerte wäre den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die schwierige Entscheidung, wann und in welcher Form den Vergabegrundsätzen Genüge getan ist, abgenommen. Ein Blick in die VOL ergäbe die Antwort.

 

-           Weiterer großer Vorteil wäre, dass die Vergabegrundsätze des Staatsministeriums des Innern gemäß seinem o.g. IMS vom 14.10.2005, das praxistaugliche Schwellenwerte für die beschränkte (bis 100.000 €) und freihändige Vergabe (bis 30.000 €)  enthält, direkt angewandt werden könnten.

 

à Für den Fall der Anwendung der VOL unterhalb der Schwellenwerte könnten dann Aufträge von 500 € bis 30.000 € (netto) bei Einholung von mindestens 3 Angeboten und mindestens einem Bewerber außerhalb des Landkreises rechtssicher freihändig vergeben werden.

 

à Aufträge bis zu einem Auftragswert von 100.000 € (netto) könnten rechtssicher in einer beschränkten Ausschreibung vergeben werden, wenn mindestens 3-10 Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, wobei in der Regel ein Bewerber außerhalb des Landkreises angesiedelt sein sollte. Bei Auftragswerten ab 75.000 € (netto) sollten mindestens 3 Bewerber außerhalb des Landkreises zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.

 

Damit wäre auch ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Landkreises einerseits, öffentliche Aufträge, soweit rechtlich möglich innerhalb des Landkreises zu vergeben und den Interessen des Vergaberechts andererseits, einen fairen Wettbewerb herzustellen, der zu den wirtschaftlich richtigen Preisen führt, geschaffen.

 

-           Ein weiterer wichtiger Vorzug der Anwendung der VOL ist darin zu sehen, dass bei Vergaben, bei denen die VOL ausdrücklich zur Vertragsgrundlage gemacht wird, nicht die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Lieferanten gelten, sondern die Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B). Diese sind für den Landkreis rechtlich günstiger und auch leichter zu vollziehen, weil dann die Regelungen in allen Fällen einheitlich sind.

 

 

Es wird daher angeregt, einen Beschluss des Kreistages des Inhalts, dass der Landkreis Coburg sich verpflichtet, ab sofort die VOL (Teil A und B) auch unterhalb der einschlägigen EU-Schwellenwerte anzuwenden, herbeizuführen.

 

Dies stellt aus Sicht der Verwaltung die einfachste und rechtssicherste Möglichkeit der Auftragsvergabe dar und gibt insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Sicherheit, in welcher Form und nach welchen Vorschriften die Vergabeverfahren ordnungsgemäß durchzuführen sind.

 

 

2.) Anwendung des Vergabehandbuchs VHL

 

Gleichzeitig empfiehlt es sich, bei der Durchführung von Liefer- und Dienstleistungsaufgaben das bei allen Behörden des Freistaates Bayern eingeführte Vergabehandbuch für Lieferungen und Leistungen (VHL Bayern) anzuwenden.

Es enthält alle bei Bekanntmachung, Vergabe und Vertragsabwicklung zu beachtenden Regelungen, insbesondere Hinweise und Richtlinien sowie bearbeitbare Formblätter für die Auftragsvergabe bei Lieferungen und Leistungen. Die Verwendung des VHL stellt für die Mitarbeiter eine deutliche Arbeitserleichterung und bei häufigerer Verwendung auch eine deutliche Zeitersparnis dar. Desweiteren können durch solch ein einheitliches Vorgehen rechtliche Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten häufig vermieden.