Sitzung: 09.04.2014 Seniorenbeirat
Vorlage: 030/2014
Sachverhalt:
Zu den beiden größten Risiken
älterer Menschen, die allein leben, gehören Stürze und eine mangelhafte
Flüssigkeitsaufnahme.
Die Gründe für Stürze von Senior/-innen
sind vielfältig: eingeschränkte Mobilität, Sehbeeinträchtigung, Krankheiten,
Verwirrtheit, vorangegangene Stürze und die Angst vor weiteren Stürzen.
Medikamente, keine oder falsche Hilfsmittel, Stolperfallen und schlechtes
Schuhwerk erhöhen das Sturzrisiko. Verletzungen infolge von Stürzen lösen
gerade bei älteren Menschen nicht nur eine vorübergehende
Mobilitätseinschränkung und Pflegebedarf aus; sie zeitigen auch Folgen wie
Muskelabbau, Verwirrtheit oder den langanhaltenden oder dauerhaften Verlust von
Elementen der selbständigen Lebensführung.
Eine zu geringe Aufnahme von Flüssigkeit kompensieren ältere Menschen nicht
mehr so leicht wie junge Leute; sie sind durch die sogenannte Dehydration mit
der Folge von Kopfschmerzen,
Übelkeit, zunehmender Verwirrtheit, Teilnahmslosigkeit, Antriebshemmung, Schläfrigkeit
sowie Schwindel- und Schwächegefühle bis
hin zu Herzrasen bis zum Schock, niedrigem Blutdruck, hohem Fieber oder
Verstopfung gefährdet. Das
Durstgefühl älterer Menschen nimmt ab und sie vergessen deshalb oft,
ausreichend zu trinken. Kommen noch Schluck-, Seh-, Greif-, Bewegungsstörungen
oder geistige Beeinträchtigungen hinzu wird die Flüssigkeitsaufnahme zu einem
Problem. Hinzu kommt, dass z.B. die Einnahme von Medikamenten eine Ausschwemmung
von Wasser aus dem Körper zur Folge haben kann oder infolge von Inkontinenz
versucht wird, möglichst wenig zu trinken.
Lassen sich diese beiden Risikobereiche mit
technischen Hilfs- und Assistenzsystemen reduzieren?
1.
Hilfssysteme bei Stürzen
Sowohl
über die Initiierung von Sturzpräventionskursen oder Anregungen der
Wanderausstellung „Wohnen zu Hause im Alter“ wurde das Thema einer aktiven Sturzvermeidung
aufgegriffen.
Die
technikgestützte Sturzerkennung verhindert keine Stürze, vermittelt aber dem
älteren Menschen und seinen Angehörigen eine höhere subjektive Sicherheit und
sorgt im Notfall für eine schnelle Hilfe.
1.1 Klassische Hausnotrufsysteme
Ältere Menschen,
die alleine leben oder tagsüber viel allein sind, können durch ein Hausnotrufgerät
Hilfe im Notfall herbeirufen. Es gibt Geräte, die im Notfall die eingegebene
Nummer von Verwandten oder Bekannten anwählen. Andere Geräte sind mit einer Zentrale
verbunden, die dann die nötige Hilfe organisiert.
Ob als Halskette
oder Armbanduhr: Ein Fingerdruck reicht, um Hilfe und Unterstützung bei einer
Hausnotrufzentrale zu bekommen. Wenn der Kontakt an dem Gerät auslöst wird,
erscheint auf dem Computerbildschirm der Zentrale die „Karteikarte“ des Benutzers.
Der Empfänger des Notrufs erhält dadurch umgehend alle Informationen über den hilfesuchenden
älteren Menschen, d.h. persönliche Daten, gesundheitliche Probleme, wichtige Telefonnummern
(Angehörige, Freunde, ambulante Pflegedienste, Ärzte etc.) nach einer festgelegten
Rangfolge, die im Hilfefall angerufen werden sollen.
Der Hausnotruf
stellt sicher, dass in weniger als zwanzig Minuten die benötigte Unterstützung
ankommt. In dringenden Fällen werden sofort Rettungswagen oder Notarzt hinzugezogen.
Die Anbieter von Hausnotrufsystemen sind in der Regel alle Wohlfahrtsverbände
und viele ambulante Pflegedienste. Eine stets aktualisierte Liste der Anbieter
im Landkreis Coburg ist über die Internetseite des Landratsamtes (http://www.landkreis-coburg.de/734-0-Hausnotruf.html) abrufbar.
Wenn eine
Pflegestufe vorliegt, beteiligt sich die Pflegekasse auf Antrag an den Kosten des
Hausnotrufs (vgl. § 78 Abs. 1 SGB XI). Die Leistungen, die bei einem
Notfalleinsatz in der Wohnung notwendig sind, werden gesondert abgerechnet.
1.2 Tragbare
Sensoren
Für
die Sturzerkennung werden Beschleunigungs- und Neigungssensoren in modernen
Sturzarmbändern verwendet. Wird eine (unnatürlich) starke Beschleunigung
registriert und besteht anschließend eine längere Bewegungslosigkeit, wird ein
automatischer Notruf an das zuständige Hilfenetzwerk (Angehörige, Pflegedienst,
Nachbarn) gesendet.
Der
ältere Mensch kann, ist die Situation nicht kritisch, den Notruf deaktivieren.
1.3
Sensorische
Raumüberwachung
Systeme
zur sensorischen Raumüberwachung können Gefahrensituationen frühzeitig erkennen
und automatisch Notalarme absetzen, ohne dass eine aktive Bedienung (z. B.
mittels Fingerdruck) durch den Bewohner notwendig wird. Zum Einsatz kommen u.a.
Sensoriksysteme die den Raum dreidimensional erfassen und damit feststellen
können, ob z.B. eine Person gestürzt ist oder lange Zeit völlig bewegungslos
sitzt/liegt. Die Geräte sind so programmiert, dass die Daten nicht gespeichert
werden oder die Wohnung verlassen. Sie lösen ausschließlich in den
entsprechenden Fällen einen Notruf aus.
1.4 Intelligenter Fußboden
Ähnlich
sind die sogenannten „intelligenten Fußböden“ konzipiert, nur dass diese nicht
drei-, sondern nur zweidimensional die Bodenfläche abbilden.
Beim
Betreten des (Sensor-)Fußbodens werden unterschiedlich viele Zellen angesprochen
– beim normalen Gehen nur wenige Zellen, im Falle eines Sturzes mehrere
nebeneinanderliegende Segmente, die dann den Notruf auslösen.
Der
Sensorfußboden kann unter allen Bodentypen verlegt werden (Teppich, PVC, Laminat,
Parkett, und – theoretisch – sogar unter Fliesen) und ist der für den Bewohner
der Wohnung komplett unsichtbar.
Neben
einer teuren Komplettausstattung ganzer Räume bilden kleinere Sensormatten eine
Alternative. Diese sind einerseits kostengünstiger, decken andererseits auch
nur einen begrenzten Bereich der Wohnung ab. Sinnvoll ist, sie an neuralgischen
Punkten (vor dem Bett oder auf einer Türschwelle) zu verlegen.
2.
Hilfen bei der Sicherstellung einer ausreichenden
Flüssigkeitszufuhr
So breit inzwischen
die Palette an technischen Hilfsmitteln bei der Sturzerkennung ist, so wenig
Probates gibt es in dem zweiten Risikobereich der Überwachung der Flüssigkeitszufuhr.
Dem
Vergessen kann über „Dienste mit Erinnerungsfunktionen“ entgegengewirkt werden.
Konkret ist damit die elektronische Programmierung z.B. eines Tablet-PCs mit
Trinkaufforderung gemeint, möglichst an Orten in der Wohnung placiert, an denen
dann auch Getränke bereit stehen. Genauso ist die Programmierung von festzulegenden
Zeiten, an denen eine bestimmte Menge getrunken werden soll, denkbar.
Erinnerungsfunktionen
entlasten nicht nur Angehörige, sondern auch ältere Menschen, selbst, wenn sie
z.B. kognitiv leicht eingeschränkt sind. Sie garantieren aber weder, dass tatsächlich
auch genug getrunken wird, noch sichern sie die ausreichende Flüssigkeitszufuhr
bei dementen Menschen.
Kosten,
Nutzen und Akzeptanz
Das
Bundesministerium für Gesundheit hat im November 2013 den Abschlussbericht der
Studie „Unterstützung Pflegebedürftiger durch technische Assistenzsysteme“
vorgelegt. (Auszüge dazu siehe Anlage 1).
Die
Ergebnisse wurden am 21./22.01.2014 im Rahmen eines Fachkongresses „Wohnen –
Pflege – Teilhabe: Besser leben durch Technik“, veranstaltet vom VDE[1]
vorgestellt. Das Deutsche Ärzteblatt hält zu den zusammenfassenden Ergebnissen
folgendes fest:
„Von
anfänglich 45 Assistenzsystemen, die im Hinblick darauf kategorisiert und unter
Kosten-Nutzen-Aspekten untersucht wurden, erschienen nur zwölf Lösungen als
prinzipiell geeignet, die häusliche Pflege und einen längeren Verbleib in der
eigenen Häuslichkeit zu unterstützen, berichtete Braesecke. In einem
Expertenworkshop wurden diese Systeme nochmals hinsichtlich Nutzen, Akzeptanz
und Praxistauglichkeit unter die Lupe genommen. Am Ende blieben sechs Lösungen
übrig: die Toilette mit Intimpflege, der intelligente Fußboden (Sensormatte),
die elektronische Medikamentenbox (Erinnerungsfunktion), die automatische
Herdabschaltung, die mobile Aufstehhilfe und die Quartiersvernetzung
(IT-Plattform, die zum Beispiel den Notruf und Kommunikationsfunktionen umfasst).
„Es zeigte sich, dass klassische Stand-alone-Lösungen eine viel höhere
Akzeptanz haben als vernetzte Systeme, weil sie einfach verständlicher sind“,
meinte Weiß. So fiel etwa die sensorische Raumüberwachung in der Bewertung
durch, wohingegen die intelligente Fußmatte eher akzeptiert wird.“
(http://www.aerzteblatt.de/archiv/154025/Assistenzsysteme-Entlastung-fuer-die-Pflege,
24.03.2014)