Sachverhalt:

Das Jugendamt als Vormund eines minderjährigen Kindes übt anstelle der Eltern das Sorgerecht für dieses Kind aus. Die Vormundschaft endet spätestens mit Volljährigkeit des Kindes.

 

Es gibt 3 Arten von Vormundschaften, die von den Mitarbeitern des Jugendamts wahrgenommen werden:

 

1.    bestellte Amtsvormundschaften: wenn die Eltern ihr Sorgerecht für ihre Kinder nicht ausüben können wird Ihnen das Sorgerecht durch Gerichtsbeschluss entzogen und auf das Jugendamt übertragen

2.    gesetzliche Amtsvormundschaften: wenn die Mutter des Kindes noch minderjährig und unverheiratet ist ruht ihre elterliche Sorge

3.    Ergänzungspflegschaften: wenn nur Teilbereiche der elterlichen Sorge den Eltern entzogen sind

 

Die wesentlichen Aufgaben des Vormunds/Pflegers sind:

 

1.    Aufenthaltsbestimmungsrecht (Wohnort, Unterbringung, Meldepflicht, Ausweis)

2.    Sicherstellung der medizinischen Betreuung

3.    Entscheidung über Schule und Ausbildung

4.    Erziehung

5.    Status und Name (Vaterschaftsfeststellung)

6.    Geltendmachung von Unterhalt

7.    Vermögenssorge (Verwaltung, Renten- und Erbangelegenheiten, Beantragung von Sozialleistungen, Versicherungen)

8.    Vertretung bei Rechtsgeschäften

 

Der Vormund/Pfleger ist privatrechtlich tätig und in der Ausübung seines Amtes unabhängig und nicht an Weisungen gebunden. Er ist nur verpflichtet, zum Wohle des Kindes zu handeln und dabei die rechtlichen Vorgaben einzuhalten.

 

Nimmt er seine Aufgaben unsachgemäß wahr und tritt dadurch ein Schaden ein, löst dieses eine Schadensersatzpflicht aus.

Die Haftungsansprüche richten sich gegen die Behörde (Jugendamt). Bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichen Fehlverhalten kann die Behörde auf den Mitarbeiter zurückgreifen, was hinsichtlich der Weisungsungebundenheit in der inhaltlichen Aufgabenwahrnehmung bedeutsam ist.

 

Die Führung der Vormundschaft/Pflegschaft unterliegt der Aufsicht des Familiengerichts und der Dienstaufsicht des Dienstherrn. Der Vormund ist verpflichtet, dem Gericht einmal jährlich Bericht zu erstatten, wobei auch die Häufigkeit des Kontakts zu dokumentieren ist.

 

Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

 

Das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts ist in zwei Teilbereichen am 6. Juli 2011 und am 5. Juli 2012 in Kraft getreten. Es hat die persönlich geführte Vormundschaft als gesetzliches Leitbild verankert. Die über viele Jahrzehnte praktizierte „Schreibtischvormundschaft“ wurde damit beendet.

 

In der Praxis sind die meisten unter bestellter Vormundschaft stehenden Kinder in Heimen oder Pflegefamilien untergebracht. Die Vormundschaften gehören zum Aufgabenbereich der Mitarbeiter der Wirtschaftlichen Jugendhilfe (Verwaltungsfachkräfte), die auch als Beistände für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen und Vaterschaftsfeststellungen von Kindern und als Urkundsbeamte tätig sind (sog. “Mischarbeitsplätze“).

 

In der Vergangenheit hatten die Vormünder keinen oder nur wenig Kontakt zu ihren untergebrachten Mündeln und verließen sich weitgehend darauf, dass im Rahmen der Jugendhilfemaßnahme unter Aufsicht des Mitarbeiters des ASD alles läuft. Nur wenn eine rechtliche Angelegenheit zu regeln war, wurde der Vormund tätig und hatte Kontakt zu seinem Mündel.

 

Hintergrund des Änderungsgesetzes waren immer wieder vorkommende Fälle von Kindeswohlgefährdung. Insbesondere der Fall „Kevin“ aus Bremen hat dabei die Rolle des Vormunds auch strafrechtlich fokussiert. Kevin stand unter Vormundschaft, lebte im Haushalt seiner Mutter und seines Stiefvaters und verstarb 2006 aufgrund anhaltender Misshandlungen und Vernachlässigung. Über die Vorgeschichte des Jungen, über Polizeieinsätze bei den drogensüchtigen Eltern, den Missbrauchsverdacht und zahlreiche Warnungen sei er (Anm: der Vormund) vom zuständigen Sozialarbeiter nicht informiert worden. Der Arzt des Ziehvaters habe zudem Fragen nach dem Gebrauch anderer Drogen bei der Substitution stets verneint. Für ihn habe es in dieser Situation zunächst keinen Grund für ein Eingreifen oder einen Hausbesuch gegeben…… Er habe zeitgleich rund 250 Kinder betreuen und sich auf die Aussagen des zuständigen Sozialarbeiters verlassen müssen.“[1]

 

Die wesentlichen Änderungen, die durch das Gesetz eingeführt wurden, haben sich in der Folge deshalb insbesondere dem persönlichen Kontakt und der Fallbelastung gewidmet. Festgelegt sind seither

 

·         regelmäßige Kontakte zwischen dem Vormund/Pfleger und dem Mündel, d.h. monatlich mit minimalem Spielraum im Einzelfall, sowie

 

·         eine maximale Fallzahl von 50 Vormundschaften/Pflegschaften pro Vollzeitstelle

 

Diese Vorgabe ist eine Obergrenze, die in keinem Fall überschritten werden darf, jedoch unterschritten werden sollte.

 

Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen Vormundschaften und Pflegschaften, sondern bezieht sich auf beides.

 

Wichtig ist die (rechtlich nicht neue, aber faktisch nunmehr betonte) Abgrenzung der Aufgaben des Vormunds zu den Aufgaben der Mitarbeiter des ASD innerhalb desselben Jugendamts. Der Vormund vertritt die Interessen des Kindes und tritt an die Stelle der Eltern. Er ist somit auch Antrags- und Leistungsberechtigter für Hilfen zur Erziehung. Der Mitarbeiter des ASD hingegen entscheidet über die Notwendigkeit und Geeignetheit von Hilfen und steuert die Hilfeplanung. Es ist daher durchaus möglich, wenn auch nur sehr selten, dass es hier zu Interessenkonflikten kommt, die notfalls gerichtlich geklärt werden müssten.

 

Zur Situation im Landkreis Coburg

 

Zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung bestanden im Amt für Jugend, Familie und Senioren 50 Vormundschaften und Pflegschaften, die von 3 Mitarbeiter/inn/en (neben ihren anderen Aufgaben im Bereich der Beistandschaften) wahrgenommen wurden. Wenngleich auch die im Fall Kevin bekannt gewordene Fallbelastung des Vormunds auf die Personalausstattung im Landkreis Coburg nicht annähernd zutraf, wurde die neue gesetzliche Vorgabe nicht erfüllt. Summarisch stand für die Vormundschaften anstatt der nunmehr vorgeschriebenen 1,00 Vollzeitstelle nur eine 0,5 Stelle zur Verfügung. Durch Aufgabenumverteilung und einer personellen Aufstockung um 10% konnte aber bereits 2011 der gesetzlichen Anforderung genüge geleistet werden.

 

Die Arbeitsbelastung ist durch die regelmäßigen monatlichen Kontakte erheblich gestiegen, wobei insbesondere auch lange Anfahrtszeiten zu den Heimen und den Pflegefamilien viel Zeit in Anspruch nehmen.

 

Neben langjährig bestehenden Vormundschaften, die erst mit Volljährigkeit des Kindes enden, kommt es regelmäßig zu Neubestellungen und Beendigungen. Die Mitarbeiter müssen also immer wieder Kontakt zu neuen Kindern aufbauen und sich mit deren speziellen Problemen auseinandersetzen.

 

Die rechtliche Vertretung wird nach wie vor wahrgenommen. Allerdings müssen sich die Mitarbeiter auch immer mehr (sozial)pädagogische Fähigkeiten aneignen, um einen guten Kontakt zum Mündel herstellen zu können.

 

Derzeit bestehen 16 bestellte Vormundschaften, 5 gesetzliche Vormundschaften und 25 Ergänzungspflegschaften (insgesamt 46 Fälle).