Sitzung: 25.02.2014 Ausschuss für Jugend und Familie
Vorlage: 023/2014
Sachverhalt:
Das Jugendamt als Vormund eines minderjährigen
Kindes übt anstelle der Eltern das Sorgerecht für dieses Kind aus. Die
Vormundschaft endet spätestens mit Volljährigkeit des Kindes.
Es gibt 3 Arten von Vormundschaften, die von den
Mitarbeitern des Jugendamts wahrgenommen werden:
1.
bestellte Amtsvormundschaften: wenn die Eltern ihr
Sorgerecht für ihre Kinder nicht ausüben können wird Ihnen das Sorgerecht durch
Gerichtsbeschluss entzogen und auf das Jugendamt übertragen
2.
gesetzliche Amtsvormundschaften: wenn die Mutter
des Kindes noch minderjährig und unverheiratet ist ruht ihre elterliche Sorge
3.
Ergänzungspflegschaften: wenn nur Teilbereiche der
elterlichen Sorge den Eltern entzogen sind
Die wesentlichen Aufgaben des Vormunds/Pflegers
sind:
1.
Aufenthaltsbestimmungsrecht (Wohnort,
Unterbringung, Meldepflicht, Ausweis)
2.
Sicherstellung der medizinischen Betreuung
3.
Entscheidung über Schule und Ausbildung
4.
Erziehung
5.
Status und Name (Vaterschaftsfeststellung)
6.
Geltendmachung von Unterhalt
7.
Vermögenssorge (Verwaltung, Renten- und
Erbangelegenheiten, Beantragung von Sozialleistungen, Versicherungen)
8.
Vertretung bei Rechtsgeschäften
Der Vormund/Pfleger ist privatrechtlich tätig und
in der Ausübung seines Amtes unabhängig und nicht an Weisungen gebunden. Er ist
nur verpflichtet, zum Wohle des Kindes zu handeln und dabei die rechtlichen
Vorgaben einzuhalten.
Nimmt er seine Aufgaben unsachgemäß wahr und tritt
dadurch ein Schaden ein, löst dieses eine Schadensersatzpflicht aus.
Die Haftungsansprüche richten sich gegen die
Behörde (Jugendamt). Bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichen Fehlverhalten
kann die Behörde auf den Mitarbeiter zurückgreifen, was hinsichtlich der
Weisungsungebundenheit in der inhaltlichen Aufgabenwahrnehmung bedeutsam ist.
Die Führung der Vormundschaft/Pflegschaft
unterliegt der Aufsicht des Familiengerichts und der Dienstaufsicht des
Dienstherrn. Der Vormund ist verpflichtet, dem Gericht einmal jährlich Bericht
zu erstatten, wobei auch die Häufigkeit des Kontakts zu dokumentieren ist.
Gesetz
zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts
Das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und
Betreuungsrechts ist in zwei Teilbereichen am 6. Juli 2011 und am 5. Juli 2012
in Kraft getreten. Es hat die persönlich geführte Vormundschaft als
gesetzliches Leitbild verankert. Die über viele Jahrzehnte praktizierte
„Schreibtischvormundschaft“ wurde damit beendet.
In der Praxis sind die meisten unter bestellter
Vormundschaft stehenden Kinder in Heimen oder Pflegefamilien untergebracht. Die
Vormundschaften gehören zum Aufgabenbereich der Mitarbeiter der
Wirtschaftlichen Jugendhilfe (Verwaltungsfachkräfte), die auch als Beistände
für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen und Vaterschaftsfeststellungen
von Kindern und als Urkundsbeamte tätig sind (sog. “Mischarbeitsplätze“).
In der Vergangenheit hatten die Vormünder keinen
oder nur wenig Kontakt zu ihren untergebrachten Mündeln und verließen sich
weitgehend darauf, dass im Rahmen der Jugendhilfemaßnahme unter Aufsicht des
Mitarbeiters des ASD alles läuft. Nur wenn eine rechtliche Angelegenheit zu
regeln war, wurde der Vormund tätig und hatte Kontakt zu seinem Mündel.
Hintergrund des Änderungsgesetzes waren immer
wieder vorkommende Fälle von Kindeswohlgefährdung. Insbesondere der Fall
„Kevin“ aus Bremen hat dabei die Rolle des Vormunds auch strafrechtlich
fokussiert. Kevin stand unter Vormundschaft, lebte im Haushalt seiner Mutter
und seines Stiefvaters und verstarb 2006 aufgrund anhaltender Misshandlungen
und Vernachlässigung. „Über die Vorgeschichte des Jungen, über Polizeieinsätze
bei den drogensüchtigen Eltern, den Missbrauchsverdacht und zahlreiche
Warnungen sei er (Anm:
der Vormund) vom zuständigen
Sozialarbeiter nicht informiert worden. Der Arzt des Ziehvaters habe zudem
Fragen nach dem Gebrauch anderer Drogen bei der Substitution stets verneint.
Für ihn habe es in dieser Situation zunächst keinen Grund für ein Eingreifen
oder einen Hausbesuch gegeben…… Er habe zeitgleich rund 250 Kinder betreuen und
sich auf die Aussagen des zuständigen Sozialarbeiters verlassen müssen.“[1]
Die wesentlichen Änderungen, die durch das Gesetz
eingeführt wurden, haben sich in der Folge deshalb insbesondere dem
persönlichen Kontakt und der Fallbelastung gewidmet. Festgelegt sind seither
·
regelmäßige Kontakte zwischen dem Vormund/Pfleger
und dem Mündel, d.h. monatlich mit minimalem Spielraum im Einzelfall, sowie
·
eine maximale Fallzahl von 50
Vormundschaften/Pflegschaften pro Vollzeitstelle
Diese Vorgabe ist eine Obergrenze, die in keinem
Fall überschritten werden darf, jedoch unterschritten werden sollte.
Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen
Vormundschaften und Pflegschaften, sondern bezieht sich auf beides.
Wichtig ist die (rechtlich nicht neue, aber
faktisch nunmehr betonte) Abgrenzung der Aufgaben des Vormunds zu den Aufgaben
der Mitarbeiter des ASD innerhalb desselben Jugendamts. Der Vormund vertritt
die Interessen des Kindes und tritt an die Stelle der Eltern. Er ist somit auch
Antrags- und Leistungsberechtigter für Hilfen zur Erziehung. Der Mitarbeiter
des ASD hingegen entscheidet über die Notwendigkeit und Geeignetheit von Hilfen
und steuert die Hilfeplanung. Es ist daher durchaus möglich, wenn auch nur sehr
selten, dass es hier zu Interessenkonflikten kommt, die notfalls gerichtlich
geklärt werden müssten.
Zur
Situation im Landkreis Coburg
Zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung bestanden im Amt
für Jugend, Familie und Senioren 50 Vormundschaften und Pflegschaften, die von
3 Mitarbeiter/inn/en (neben ihren anderen Aufgaben im Bereich der
Beistandschaften) wahrgenommen wurden. Wenngleich auch die im Fall Kevin
bekannt gewordene Fallbelastung des Vormunds auf die Personalausstattung im
Landkreis Coburg nicht annähernd zutraf, wurde die neue gesetzliche Vorgabe
nicht erfüllt. Summarisch stand für die Vormundschaften anstatt der nunmehr
vorgeschriebenen 1,00 Vollzeitstelle nur eine 0,5 Stelle zur Verfügung. Durch
Aufgabenumverteilung und einer personellen Aufstockung um 10% konnte aber
bereits 2011 der gesetzlichen Anforderung genüge geleistet werden.
Die Arbeitsbelastung ist durch die regelmäßigen
monatlichen Kontakte erheblich gestiegen, wobei insbesondere auch lange
Anfahrtszeiten zu den Heimen und den Pflegefamilien viel Zeit in Anspruch
nehmen.
Neben langjährig bestehenden Vormundschaften, die
erst mit Volljährigkeit des Kindes enden, kommt es regelmäßig zu
Neubestellungen und Beendigungen. Die Mitarbeiter müssen also immer wieder
Kontakt zu neuen Kindern aufbauen und sich mit deren speziellen Problemen
auseinandersetzen.
Die rechtliche Vertretung wird nach wie vor
wahrgenommen. Allerdings müssen sich die Mitarbeiter auch immer mehr
(sozial)pädagogische Fähigkeiten aneignen, um einen guten Kontakt zum Mündel
herstellen zu können.
Derzeit bestehen 16 bestellte Vormundschaften, 5
gesetzliche Vormundschaften und 25 Ergänzungspflegschaften (insgesamt 46
Fälle).